Berlin, Hannover, Deutschland (Weltexpress). Das Fazit aus der 1:3-Niederlage des Volleyball-Meisters Recycling Volleys Berlin am Sonntag gegen den Pokalsieger VfB Friedrichshafen beim Supercup Hannover kann aus Sicht der Berliner nur lauten: Die Realisierung der hochfliegenden Saisonpläne wird kein Selbstläufer.
Obwohl die Volleys den nationalen Meistertitel nun drei Mal in Folge gegen die Häfler gewonnen haben und nun insgesamt bei neun Titeltriumphen rangieren. Der VfB konnte sich 13 mal die Auszeichnung als nationale Nummer eins sichern.
Unter Regie ihres überaus ehrgeizigen Managers und Geschäftsführers, Kaweh Niroomand, genügen den Volleys Meriten im nationalen Maßstab nicht mehr. Sie schauen nach Europa. Und so ließ denn Niroomand vor Saisonstart verlauten: Klar, man wolle natürlich die nationale Dominanz mit dem Schwerpunkt Meisterschafts-Verteidigung behaupten. Aber in der Champions League, der europäischen Königsklasse, nach Möglichkeit in die Phalanx der russischen, polnischen und italienischen Spitzenklubs eindringen.
Erst einmal hatten die Hauptstädter in diesem Wettbewerb die Vierer-Finalrunde erreicht – als Gastgeber für die Endrunde nach Überstehen der Vorrunde.
Sieben neue Spieler und alle mit Nationalmannschafts-Einsätzen
Für die ambitionierten Pläne in der Champions League haben die Hauptstädter weder Kosten noch Mühe gescheut. Die Verträge mit den in die Jahre gekommenen Leistunsträgern, Kapitän Robert Kromm, und Hauptangreifer Paul Carroll wurden nicht verlängert. Das ergab zusammen mit weiteren Abgängen die Möglichkeit zu einem radikalen Kader-Umbruch. Und so wurden gleich sieben neue Spieler verpflichtet. Also eine komplette Volleyballmannschaft.
Ähnliches dürfte es in der Bundesliga anderswo schon gegeben haben. Doch ohne Parallele dürfte sein, die Qualität der Neuzugänge. Denn das sind drei Akteure des frischgebackenen WM-Dritten USA, zwei hochkarätige französische Nationalspieler (Frankreich war 2015 Europameister) sowie die beiden deutschen Nationalspieler Jan Zimmermann (Zuspiel) und Moritz Reichert (Außenangriff/Annahme).
Sicherlich alles in allem ein qualitativer Rekordtransfer für die Bundesliga!
Als Trainer für das Star-Ensemble wurde der Franzose Cedric Enard als Nachfolger des erfolgreichen Interimstrainers Stelian Moculescu geholt. Enard kam mit der Empfehlung des Meistertitels mit Tours und als Co-Trainer der französischen Nationalequipe. Er brachte seine polnischen Assistenten mit an die Spree. Gewiß nicht eine Billig-Variante auch bei diesen Personalkosten, wenngleich die Gehälter im Volleyball nur ein Bruchteil von denen im Fußball betragen.
Wie die Volleys das alles bei einem angeblichen Gesamt-Etat von 2,4 Millionen Euro geschafft haben wollen, dürfte ihr Geheimnis bleiben. Niroomand wünschte sich irgendwann eine drei vor dem Komma, um dann zu den europäischen Topklubs auch wirtschaftlich aufschließen zu können.
Weltmeister-Trainer Heynen als Provokateur
Im Lager des Erzrivalen vom Bodensee hat man die Transfer-Offensive der Berliner mit Gelassenheit registriert. Trainer Heynen bemerkte fast süffisant: „Die haben wirklich groß eingekauft, um vorn mitspielen zu können.“
Auf die Abgänge des Kapitäns und langjährigen Leistungsträgers Simon Tischer (Karriereende) sowie Tomas Kocian (beide Zuspieler/ nach Düren) hat man für diese zentrale Funktion einen jungen Deutschen sowie den Tschechen Jakub Janouch (vorher Liberec) geholt.
Beim Duell in Hannover brachte Berlin den ersten Satz bemerkenswert souverän nach Hause. Heynen zeterte und schimpfte in den Auszeiten mit seinen Schützlingen. Er monierte die Entscheidungen der Schiedsrichter, forderte Challenges (Videobeweis) in strittigen und eigentlich eindeutigen Situationen, sodass Enard verwundert mit den Augen rollte.
Heynen, 2015 mit der deutschen Mannschaft WM-Dritter und nun vor kurzem mit der polnischen Auswahl sogar Weltmeister, brachte Friedrichshafen so auf Betriebstemperatur und den Gegner aus dem Rhythmus.
Berlin gab den zweiten Durchgang ab. Enard wechselte die halbe Mannschaft aus. Aber es half nichts. Der VfB agierte immer souveräner, mit mehr Druck bei den Aufschlägen, kompakt im Bereich Block/Abwehr sowie sehr effizient im Angriff. Den Links händer Bartek Boladz bekam der Berliner Block nie in den Griff. Der Pole markierte als Topscorer 24 Zähler. Die besten Angreifer beim Meister waren der US-Amerikaner Benjamin Patch und der Franzose Samuel Tuia mit jeweils lediglich elf Punkten.
Cheftrainer Cedric Enard ordnete die Niederlage so ein: „Mit dem Niveau unseres Spiels aus der Annahme können wir nicht zufrieden sein. Es war mein erstes Spiel gegen Friedrichshafen und sie waren erwartet stark. Deshalb Gratulation zum Sieg. Ihr Level in der Block-Abwehr ist klasse.“
Die Schwankungen und Unzulänglichkeiten im Spiel des Meisters, der wie der wesentlich besser eingespielte VfB wegen der WM nur gut zweieinhalb Wochen für die Liga-Vorbereitung zur Verfügung hatte, hatten sich zuvor bereits beim 2:3-Heimauftakt gegen Düren abgezeichnet.
Die Berliner Fans bleiben dennoch optimistisch. Denn der Supercup vor der eigentlichen Saison ist national nur der drittrangigste Wettbewerb. Und die erenute Niederlage kann man auch als positives Omen für das Saisonende deuten. Bereits zweimal sind die Volleys danach Meister geworden. Warum nicht ein drittes Mal?