Die von Kraume konzipierte Geschichte spielt in der nahen Zukunft und rankt sich um eine Berliner Mittelstandsfamilie Kuper, deren Mitglieder auf einmal unterschiedliche Wege gehen, weil sie durch ihre jeweiligen Partner in andere Welten geraten. Tochter Laura – Bernadette Heerwagen – „muß sich am Ende ihres Studiums zwischen ihrem Wunsch nach Kindern und Hans (Daniel Brühl), der großen Liebe ihres Lebens, entscheiden“ Ja, wie nun? Zwischen Kindern und dem Mann? Klingt interessant, wo man doch sonst nur den Konflikt Beruf versus Familie kennt. Aber warum mag der Hans des Daniel Brühl keine Kinder? Oder haben wir etwas falsch verstanden. Schwester Cecilia – Johanna Wokalek – liebt Konstantin, der aber wohl nicht richtig zurück. Aha, das Drehbuch hat ein Mann geschrieben, denn das sind in der Familie jetzt schon zwei junge Frauen, die mit den erwählten Partnern Problem haben und sich nach den Männern richten müssen. Denn Cecilia ist auf einmal mittendrin, aus der Wohlsituiertheit der Familie in einen neu aufkommenden Terrorismus zu geraten. Dann gibt es noch einen Sohn Philip, der aber bei der Pressekonferenz nicht dabei war und im Film in einen hoffnungslosen Krieg um die letzten Ölfelder Asiens zieht.
Lars Kraume, der 49 Tage und neben Frankfurt, auch in Wuppertal, Düsseldorf, Köln, Berlin und Tirol dreht, verbindet mit der Stadt hier eine besondere Geschichte, weil er sie gut kennt, hier aufgewachsen ist und sie auch mag, das merkte man. Der Film selbst spielt im Berlin der nahen Zukunft, sagte Kraume, aber Hans und Laura, Bernadette und Daniel spielen derzeit im Taunus und Frankfurt am Main, was Gründe hat. Denn da die Handlung in der nahen Zukunft spielt, sollte das Ambiente wie von morgen aussehen und dazu sagte Kraume: „Frankfurt ist fünfzehn Jahre voraus in der Architektur, hat tolle Hochhäuser und wir können die Skyline im Film nutzen“, während Berlin das Heute repräsentiert und speziell aufgemischt werden muß.
Lars Kraume spricht auch über die von ihm geschaffenen Figuren, deren Lebenswege extrem komplex sind, was an der politischen Weltlage liegt, denn es geht ein neuer Resourcenkrieg von Saudi-Arabien aus, wandert nach Asien und der globale Einfluß überflutet die Protagonisten auf unterschiedliche Weise. „August und Johanna sind terroristisch, während Bernadette und Daniel eine andere Zukunft sehen.“ Eine Science-fiction Film also. Schon beim Schreiben wußte er, daß er für die beiden männlichen Hauptrollen Brühl und Diehl will und hat die Szenen daraufhin geschrieben und war sehr froh über die Begeisterung und Zustimmung beider. Die Frauenbesetzung hat sich entwickelt.
Laura, Bernadette also, hatte heute den Dreh hier im Haus, im Intercontinental. Sie hat gerade erfahren, daß Schwester Cecilia in einer terroristischen Vereinigung ist. Irgendwann sind die politischen Probleme in der ganz anderen Familie. Schon wieder sei sie eine Terroristin, äußert sich Johanna Wokalek anschließend und kann gut auf die Fragen, was sie an dieser Rolle reizte, antworten. Denn anders als in ihren letzten Rollen, sowohl der Gudrun Ensslin im „Baader-Meinhof-Komplex“ wie auch in der abgedrehten Rolle als Päpstin im gleichnamigen Film, zwei Figuren von außerordentlicher Stringenz, sei diese ’Terroristin’ gerade andersherum und handele aus anderen Motiven. So was sei für sie spannend.
Nach was wird wohl Daniel Brühl gefragt? Nach den Hollywoodangeboten nach seinem großen Erfolg in Tarantinos „Inglourious Basterds“!. Er sei doch jetzt ein großer Künstler, malen kann er auch, viele Sprachen sprechen noch dazu, dauernd klingelt das Telefon von Hollywood. Was er aber auf jeden Fall ist, dieser Daniel Brühl, ist ein aufgeweckter, wacher, geistig reger Mensch, und so legt er in wenigen Worten klar, was er sich für seine Filmkarriere vorstellt. Hollywood auf jeden Fall nicht. Das Gleiche gilt für August Diehl, der ein Mitspieler in Tarantinos fantastischem Alptraum ist. Es hat sie gefreut, daß der Film so erfolgreich herausgekommen ist. „Die kennen nur den Brad Pitt und der Film läuft in England und Amerika trotzdem so erfolgreich!“ Aber beide zeigen auch klar, sie sind nicht bei den alten Dreharbeiten, nach denen gefragt wird, sondern ganz mit dem gegenwärtigen Dreh innerlich beschäftigt.
Und das liegt zuvorderst am exquisiten Drehbuch, sagen alle unisono. August Diehl findet das Buch so toll, weil es einen wacheren Blick auf die Gegenwart wirft, als jedes andere zeitgenössische Buch. Was den Autor Kraume im Zusammenhang mit der Finanzkrise und den sich blitzschnell ändernden gesellschaftlichen Situationen dazu bringt: „Es ist ein Film, der das schildert, was auf uns zukommt, man muß schon aufpassen, daß der Film nicht veraltet ist, wenn er rauskommt.“ Was putzig bleibt, ist diese Spanne zwischen notwendigen Informationen, damit die Journalisten überhaupt wissen, um was es geht und über was sie schreiben können und der deutlichen Absicht auf dem Podium, am liebsten gar nichts über die Details der Handlung und der Rollen zu verraten.
Also folgen die Fragen etwas verschlüsselt, an Daniel Brühl nach seinen bisherigen Eindrücken, die er als besondern intensive Szenen bezeichnet und von sehr erschöpfenden Drehtagen spricht. Von der Rolle des Hans erzählt er, daß dieser ein Aussteiger ist, der schon erfolgreich in einer Anwaltskanzlei gearbeitet hatte und auf Grund einer Augenkrankheit sich dafür entscheidet, die Zeit, die ihm noch bleibt, die Vögel zu beobachten, was seine Leidenschaft ist, zumal seine anwaltliche Berufstätigkeit moralisch nicht sauber bleiben konnte. Er meint, daß wir heute in Europa privilegiert seien und spätestens 2050 der Ofen aus sei und uns auch hier die großen Probleme überrennen. „Das nimmt der Film vorweg“. Der Film erzählt die Zukunft aus dem Blickwinkel der Freunde heraus, so daß man aus deren Augen die Veränderungen der Gesellschaft erlebt. Man verliert nicht die Familie, sondern sie ist das Konstrukt, über die man die Gesellschaft erfährt.
Eindeutig steht Daniel Brühl im Mittelpunkt der Fragerunde, was er professionell und sehr solidarisch mit seinen Kollegen beantwortet. Wie ist das, mit einem großen Erfolgsfilm international zu sein und jetzt in einem kleinen Film hier in Frankfurt zu spielen? Brühl macht da keinen Unterschied und nimmt jeden Film genau so ernst. Das glaubt man ihm. Und der Erfolg eines Films ist für ihn nicht ausschlaggebend für seine Einschätzung von dessen Qualität. Das glaubt man ihm auch. Natürlich mache es Spaß, in so einem Tarantino mitzuspielen, aber er wartet nicht auf Hollywood. „Hätten Sie gedacht, daß Sie Horst Schlämmer schlagen?“ fragt ein Kollege, der auf die höheren Besucherzahlen bezug nimmt. In schönstem Schlämmerdeutsch antwortet der gebürtige Kölner: „Et war schwer, aber mir habe es jeschafft.“
Zur Terminfrage kann der Regisseur nichts anderes sagen, als daß er jetzt konzentriert drehe und alles eh schnell ging: „Ich habe angefangen zu schreiben, ein Jahr brauchte ich für die Finanzierung, das heißt nach zwei Jahren schon Drehen ist ungewöhnlich schnell. Wann der Film allerdings herauskommt, steht noch nicht fest.