Nürnberg, Deutschland (Weltexpress). Von den drei überlieferten Opern Monteverdis hat es die „Krönung der Poppea“ in den letzten Jahren auf viele deutsche Opernbühnen geschafft, auch der „Orfeo“ wird öfters gegeben, während Aufführungen des „Ritorno d´ Ulisse in Patria“ vergleichsweise selten geboten werden. Ein Grund dafür mag sein, dass diese Oper nur in einer in Wien aufgefundenen anonymen Partiturabschrift und insgesamt neun Abschriften des Librettos erhalten ist. Die Partitur enthält nur die Melodie- und Gesangslinien sowie den bezifferten Bass. Da die Instrumentierung nicht überliefert ist und nur ein Gerüst für eine Aufführung darstellt, muss die Vorlage von den Musikern und Sängerinnen und Sängern erst zum Leben erweckt werden. In Nürnberg geschieht dies unter der Leitung des Dirigenten und Lautenisten Wolfgang Katschner. Die Regisseurin Mariame Clément, deren Inszenierungen von „Platée“ und „Die Hochzeit des Figaro“ bereits in Nürnberg zu erleben waren, inszenierte „Die Rückkehr des Odysseus“ 2017 für das Théâtre des Champs-Élysées in Paris und hat diese Inszenierung mit den Künstlern des Staatstheaters Nürnberg neu erarbeitet.
Die musikalische Umsetzung berücksichtigt Monteverdis gesamtes Schaffen ebenso wie die Besonderheiten des Aufführungsortes
Die Aufführungsorte zur Entstehungszeit der Oper waren kleine, intime Theater mit ein paar Hundert Plätzen und entsprechender Akustik. Die Nürnberger Oper ist doppelt so groß – darauf ist Rücksicht zu nehmen. Katschner versammelt im Orchestergraben alle Instrumente, die zu Monteverdis Zeiten existierten, auch solche, die wie eine Orgel und ein Regal, damals in der Oper nicht eingesetzt wurden. Sie geben, wie Katschner betont, z.B. in Verbindung mit der Posaune den Auftritten der Götter einen ganz besonderen Klang. Im übrigen orientiert er sich am Gesamtwerk des Komponisten, das ausreichend Rückschlüsse auf eine angemessene Umsetzung zulässt. Für die Vor- und Zwischenspiele werden auch Werke zeitgenössischer Komponisten wie Cavalli, Schein oder Uccelini herangezogen.
Die Inszenierung schafft die Balance zwischen Unterhaltung und der Darstellung menschlicher Tragik
Die Inszenierung belebt den Ablauf einerseits durch eine Reihe witziger und amüsanter Einfälle, mit Kostümzitaten und Stil-Sprüngen auf der ansonsten streng gehaltenen Bühne. So können die Götter als Stammtisch in einer Hafenkneipe auf halber Höhe über dem Geschehen schweben und dort das Schicksal der Menschen diskutieren, oder moderne Utensilien wie eine mitgeführte Kühltasche, ein Gummi-Schwimmtier oder ein Cola-Automat setzen assoziative wie farbliche Akzente, ohne dass dies platt wirkt oder sich als Gag in den Vordergrund drängt. Dies ist nicht zuletzt auch das Verdienst der präsent spielenden Sängerinnen und Sänger, etwa der Freier und Schmarotzer (Yongseung Song, Wonyong Kang, Iestyn Morris und Hans Kittelmann), vor allem aber der beiden Hauptprotagonisten Penelope (Jordanka Milkova) und Odysseus (Ilker Arcayürek).
Penelope als Opfer von „Fake-News“
Diese Qualität kommt vor allem im dritten Akt zum tragen, in dem Librettist und Komponist in der Gewichtung über Homers literarische Vorlage deutlich hinausgehen und der Tragik von Menschen, die durch Sehnsucht, Hoffnung Zweifel und Verzweiflung bis an die Grenzen gequält werden, Wort und Klang verleihen. Nach landläufiger (verkürzter) Darstellung von Homers Text beweist ja der Held seine Identität nach seiner Rückkehr durch die Fähigkeit, als Einziger den Bogen des Odysseus zu spannen, bei welcher Gelegenheit er zugleich die lästigen Freier tötet. Aber schon in Homers Original ist das nicht ausreichend: Erst die genaue Kenntnis des gemeinsamen Schlafgemaches und Ehebettes überzeugt die verzeifelte Penelope. Eine Frau wie Penelope, die schon so oft von den Göttern getäuscht wurde, dass sie eigentlich an nichts mehr glauben kann und möchte, ist im Zeitalter der „Fake-News“ eine erschreckend aktuelle Figur – die Nürnberger Inszenierung führt uns dies noch einmal überdeutlich vor Augen.
Weitere Vorstellungen noch bis zum 18. Juli. Mit einer Wiederaufnahme in der nächsten Spielzeit ist auf Grund des anstehenden Intendantenwechsels und den mit solchen Ereignissen einhergehenden Verwerfungen im Bestand des künstlerischen Personals leider nicht zu rechnen.