Berlin, Deutschland; Pyeongchang, Südkorea (Weltexpress). Zieldurchfahrt. Ski von den Füßen und hoch in die TV-Kameras. Oder: Serviceleute drücken den Olympioniken vor dem TV-Interview schnell die Siegerski in die Hände.
Beides gehört in Pyeongchang zum unverzichtbaren olympischen Begleitritual. Eigentlich wegen unerlaubter Werbung verboten. Aber vom Veranstalter, dem mächtigen Internationalen Olympischen Komitee (IOC), stillschweigend geduldet. Denn Skifirmen gehören zu den wichtigen Sponsoren des Kommerz-Unternehmens Olympia. Und betreiben außerhalb des Kampfes um Siege und Medaillen ihrerseits einen internen Wettstreit, wer mit seinen vertraglich verpflichteten Protagonisten das Medaillen-Ranking der Firmen anführt…
Weniger offenkundig wird auch im Eiskanal ein olympischer Technik- und Material-Kampf ausgetragen. Hier gilt in den Bobwettbewerben die dreiteilige Erfolgsformel physisches Startvermögen, präzise Fahrleistung plus erstklassiges Material!
Dass die deutschen Bobathleten vor vier Jahren in Sotschi erstmals seit 50 Jahren die olympischen Rennen medaillenlos verließen, machten manche Beobachter auch an der Tatsache fest, dass die Deutschen fast ausnahmslos auf die eigenen FES-Schlitten angewiesen waren.
FES das ist das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten in Berlin-Köpenick. Einstmals erdacht und gegründet für den damit außerordentlich erfolgreichen DDR-Spitzensport.
Nach dessen Abwicklung war das FES mehrfach aus ideologischen Gründen von seiner Auflösung bedroht. Dagegen wehrten sich vor allem jene Sportverbände im nun gesamtdeutschen Sport, in denen Sportgeräte ein mitentscheidender Wettbewerbs-Faktor sind. Also Boote im Rudern- oder Kanusport. Die Bahnradmaschinen und Zeitfahrräder im Radsport. Schlittschuhe und Kufen im Eisschnelllaufen. Kufen und Sitzschalen im Rodelsport sowie die aerodynamisch optimale Karossen und Kufen im Bobsport.
Maßgeschneiderte Ski für Langlauf/Biathlon und den alpinen Bereich gehören nicht zur Produktionspalette des FES. Da haben die führenden Firmen ein Know how und einen Standard erreicht, der nur sehr schwer erreichbar wäre. Zudem haben die besten Spitzenathleten nicht nur den Zugang zu den jeweiligen Spitzenprodukten, sondern kassieren noch üppige Prämien, wenn sie mit Ski der Firmen X oder Y auf’s Podium fahren.
Mit dem FES-Modell von Rang fünf noch zu Gold
Das ist im Bobsport mangels Angeboten nicht der Fall. Nach der Pleite von Sotschi 2014 monierten die sieggewohnten deutschen Piloten die vertragliche Exklusiv-Bindung an die Geräte des mit staatlichen Millionengeldern ausgestatteten FES. Und erhielten die Genehmigung der freien Gerätewahl.
Johannes Lochner, im Vorjahr mit seinen Anschiebern Europa- und Weltmeister im Zweier- und Viererbob, blieb daher auch im olympischen Zweierbob-Rennen mit Christoph Weber bei seinem Gefährt aus der Werkstatt des Österreichers Johannes Wallner. Nahe Innsbruck bastelt Wallner, der über eigene praktische Erfahrungen aus Bob- und Autorennen verfügt, mit seinen Mitarbeitern Bobschlitten zusammen, die hochanerkannt sind.
Francesco Friedrich aus Oberbärenburg (Sachsen) kam jedoch mit dem Wallner-Bob in den ersten beiden Läufen nicht wie erhofft zum Zuge. Setzte am zweiten Tag alles auf eine Karte und – den FES-Schlitten. Fuhr mit Bahnrekord und Thorsten Margis (Halle/S.) im Sozius von Rang fünf auf zwei und schoß im finalen Versuch zur Goldmedaille, zeitgleich mit dem starken Kanadier und Mit-Olympiasieger Justin Kripps.
Nico Walther/Christian Poser (Oberbärenburg/Potsdam) wiederum vertrauten von Anbeginn dem FES-Modell, mussten aber die Halbzeit-Führung am Ende mit der vierten Position tauschen.
Landeten aber damit immer noch einen Platz vor der Lochner-Crew und dem Wallner-Wunderbob, Dritter nach zwei Läufen. Ein denkwürdiger Wettbewerb, spannend und dramatisch aus der Sicht der Beteiligten mit im Bobsport selten erlebten Positionswechseln!
Die ersten fünf Bobs rangierten am Ende innerhalb von 28 Hunderstelsekunden. Und zeitgleich als Olympiasieger in der Chronik verewigt zu werden, das hatten vor 20 Jahren in Nagano schon mal der Italiener Günther Huber sowie der Kanadier Pierre Lueders vorgemacht.
Er hatte „auch einen verdammt schnellen Schlitten unterm Arsch“, meinte Teamkollege Nico Walther anerkennend über Friedrich. Ein Lob für den Goldjungen Friedrich und das FES-Gerät gleichermaßen.
Bundestrainer Rene Spies zeigte sich zufrieden mit dem Ausgang des Rennens. In Sachen Material habe die Konkurrenzsituation zwischen dem FES-Produkt und dem ca. 100 000 Euro teuren Wallner-Schlitten alle vorangebracht. Welches Gerät er den Vorzug geben würde, darüber ließ sich der ehemalige Pilot verständlicherweise nicht aus.
Waren die 85 Angestellten und Mitarbeiter des FES schon nach dem Ausgang im Männer-Zweierbob bereits in Hochstimmung, so wurde die Qualität ihrer Arbeit beim Frauenwettbewerb noch deutlicher. Dass letztlich die einstige Hammerwerferin Mariam Jamanka (Oberhof/Berlin) gemeinsam mit Anschieberin Lisa Buckwitz der renommierten Gegnerschaft aus Nordamerika das Nachsehen geben konnte, hing ursächlich mit den Fahreigenschaften der FES-Konstruktion zusammen. Hatte die startschnelle Weltmeisterin Elana Meyers Taylor (USA) im vierten Durchgang anfangs einen Vorteil von bis zu 21 Hundertstelsekunden, so verlor deren Schlitten auf dem Schlussabschnitt entscheidend an Boden. Jamankas Schlitten gewann letztlich Gold mit einem Vorsprung von 0,07 Sekunden.
Auf Platz vier landete die zweite deutsche Pilotin Stephanie Schneider. Auch sie wie Jamanka erstmals bei Olympia und wie jene auf einem Bob Marke Eigenbau FES am Start. Zwei Wettbewerbe – zwei Goldmedaillen. Besser konnte es für das Renommee und Image des Instituts an der Spree nicht laufen. Und die Entscheidung der großen Viererschlitten steht mit ähnlichen Aussichten noch bevor.