Mehr als den Dichter interessieren Drehbuchautorin MacDonald die Frauen an seiner Seite. Ob es daran liegt, dass Hauptdarstellerin Keira Knightley ihre Tochter ist? Die Handlung dreht sich um die drei von Thomas beeinflussten Menschen, Vera, Caitlin und Killick. Was bleibt ist ein nicht unübliches Beziehungsdrama. Doch als einziger aus der Dreiecksbeziehung, welche zeitweise zur Vierecksbeziehung ausufert, leidet Thomas nicht im Geringsten. Dreh- und Angelpunkt der Menage-a-trois, bleibt er selbst emotional unbeteiligt. An den anderen interessiert ihn nur, was sie ihm geben können. Ihr Schmerz tangiert ihn, gelinde gesagt, peripher. Dabei ist es zumindest auf der Kinoleinwand gerade Thomas, der diesen Schmerz verursacht. Er genießt es, andere zu kränken. Den wunden Punkt seiner Mitmenschen aufzuspüren, ist seine Spezialität. Dies gibt ihm die Macht über seine beiden Partnerinnen. Thomas ist kein Verführer, denn zur Verführung gehört das Eingehen auf die Wünsche des Partners. Er ist ein Manipulator, der die Schwächen und das Mitgefühl anderer gezielt ausnutzt. Kriegt er nicht, was er will, greift er zu emotionaler Erpressung. Wenn du mich nicht willst, gehe ich eben zur Konkurrenz, hält er unausgesprochen Ehefrau und Geliebter entgegen. Warum die beiden intelligenten, unabhängigen Frauen sich von dem Schmarotzer – denn nichts anderes ist der Hauptcharakter in “The Edge of Love“ – ausbeuten und demütigen lassen, bleibt unerklärt. Keira Knightley und Sienna Miller können trotz ihres vielschichtigen Schauspiels dieses Rätsel nicht auflösen. Nun ist Thomas gepflegter Egoismus, zumindest im Kino, eine der charakteristischen Eigenschaften großer Geister. Man verzeiht ihnen ob ihrer Brillanz. In “The Edge of Love” besitzt Thomas weder den bissigen Humor eines Truman Capote noch das Genie Francis Bacons. In der deutschen Übersetzung erscheinen seine Verse schwülstig und pompös und das waren sie auch im Original nicht selten.
Wie ein kleines Kind verhält sich der Filmdichter. Anschmiegsam, wenn er seine Ehefrau bittet, ihm den Kopf zu kraulen, trotzig, wenn er beleidigt aus dem Dreierbett abmarschiert, weil seine Partnerinnen ihn auslachen. In einer bezeichnenden Szene füttert Caitlin ihr Baby und den an der Schreibmaschine tippenden Ehemann mit Milch. Die politischen Anliegen des infantilisierten Dichters erscheinen unehrlich. “Ihr wisst nicht, wofür ihr kämpft.”, wirft er William Killick vor. Tatsächlich hat der Soldat plausible Motive, in den Krieg zu ziehen. Thomas hingegen weiß nicht, warum er verweigert. Sein Pazifismus enthüllt sich in “Edge of Love” als notdürftig kaschierte Bequemlichkeit. Sie ist die vorrangige Eigenschaft des Filmcharakters. “Mein Leben ist nur verdammte Arbeit!”, ruft Thomas. Diese “Arbeit” ist das gelegentliche Fabrizieren von ein paar Reimen. Ansonsten lebt er vom Geld seiner Partnerinnen, später sogar von dem seines verachteten Konkurrenten Killick, von dessen Sold Vera Thomas Leben mitfinanziert. Was für ein Leben dies tatsächlich ist, zeigt “The Edge of Love” nicht.
“The Edge of Love” bewegt sich inhaltlich und inszenatorisch auf Messers Schneide. Schwülstige Liebesschwüre sind das kleinere Übel. Dass das vom Blitz zerstörte London zur Romantikkulisse wird, worin flammende Häuser mal eben den Sonnenuntergang ersetzen, ist abgeschmackt. Eine Szene, in der gleich einem Magritte-Gemälde Veras Augen von Fenstern umrahmt werden, scheint von David Lynchs Hauskomponisten Angelo Badalamenti inszeniert. Seine Musik ist das einzig Geniale an dem holperigen Liebesdrama. Die emotionale Grenze, an der “The Edge of Love” sich bewegt, ist die der Langweile.
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Originaltitel: The Edge of Love
Genre: Romantik-Drama
Land/Jahr: Großbritannien 2008
Kinostart: 7. Juli 2009
Regie: John Maybury
Drehbuch: Sherman Macdonald
Darsteller: Keira Knightley, Matthew Rhys, Sienna Miller, Cilian Murphy
Verleih: Koch Media
Laufzeit: 110 Minuten
FSK: ab 12