Berlin, Deutschland (Weltexpress). Wir dokumentieren den Offenen Brief von Christiane Reymann und Wolfgang Gehrcke an die Mitglieder des Parteivorstands der Partei DIE LINKE, an Katja Kipping, Bernd Riexinger und Harald Wolf vom 5. Dezember 2017.
Liebe Katja, lieber Bernd, lieber Harald,
liebe Genossinnen und Genossen des Parteivorstands der LINKEN,
Ihr habt am 03.12. einen Beschluss über uns gefasst und darüber die Öffentlichkeit informiert, nicht aber uns, weder vorher noch nachher. Wir machen es etwas anders: Wir suchen das Gespräch mit Euch und informieren darüber die Öffentlichkeit.
Ihr habt lange im Parteivorstand über uns persönlich diskutiert, so wurde uns berichtet, und dann die Erwartung an die Mitglieder der LINKEN ausgesprochen, nicht an der Kundgebung am 14.12. um 16 Uhr auf dem Berliner Rosa-Luxemburg-Platz teilzunehmen. Es ist, nur zur Klarstellung, eine Kundgebung auf dem Rosa-Luxemburg-Platz „zwischen Babylon, Volksbühne und Parteizentrale der Linken“, wie die Veranstalter schreiben, eine Kundgebung „für „Demokratie und Meinungsfreiheit“ und nicht gegen die LINKE. Ihr erwartet in Eurem Beschluss, dass Mitglieder der LINKEN daran nicht teilnehmen.
Wir unsererseits haben eine Erwartung an Euch: Macht Schluss mit stalinistischen Geheimverurteilungen. Ihr habt uns von dem Tagesordnungspunkt weder vorher informiert, noch uns zu der Debatte eingeladen, noch uns danach informiert. Im Übrigen: Der Parteivorstand ist keine Schiedskommission und selbst die hat nicht das Recht, in Abwesenheit und ohne Anhörung der „Beschuldigten“ Urteile zu fällen.
Euer Beschluss verdächtigt uns der Querfront-Strategie. Querfront, das ist eine Strategie, um rechtes Gedankengut in linke Bewegungen einzuschleusen. Das ist ein schlimmer Vorwurf an unsere Adresse, nicht bewiesen und nicht zu beweisen, er ist nur eins: diffamierend und falsch. Im Gegenteil: Wir zerbrechen uns den Kopf und arbeiten daran, wie man gegen die dramatische Rechtsentwicklung in unserem Land und in Europa einen breiten antifaschistischen Widerstand aufbauen und stärken kann; in ihm werden sich immer mehr Menschen und Kräfte engagieren, die aus ihren eigenen Motiven und Überzeugungen, die nicht unbedingt unsere sein müssen, mit den Verhältnissen so, wie sie sind, unzufrieden sind.
Ihr wisst, wir sind der Unidad Popular (oder Volksfront und Einheitsfront) verpflichtet, jedenfalls der Konsenssuche, wie sie im Krefelder Appell in den Jahren 1980-83 zu den bislang größten Mobilisierungen gegen Krieg nach dem Krieg geführt haben. Zumindest könntet Ihr es wissen, denn wir kennen uns nun schon einige Jahrzehnte: Wir haben die PDS im Westen gegründet, alles für den Konsens mit der WASG getan, dann die Europäische Linkspartei, endlich sind wir Gründungsmitglieder der LINKEN. Sollte es etwa so sein, dass unsere Freunde und Freundinnen in Israel, mit denen wir viele Veranstaltungen, Seminare, Kunstausstellungen in Deutschland und Israel organisiert haben, unsere Haltung besser kennen als Ihr?
Zurück zum Kern des aktuellen Konflikts: Er entzündete sich unsererseits nicht an der Frage pro oder contra Ken Jebsen, sondern daran, dass der Kultursenator, unser Genosse Klaus Lederer, hinten herum durch Einflussnahme auf den Vermieter, das Kino Babylon, eine politische Auseinandersetzung durch eine administrative Maßnahme ersetzt hat. Dieses Verhalten hat es in der Geschichte der Linken schon zu oft gegeben, es wird gemeinhin als Zensur bezeichnet. Dagegen wenden wir uns.
Das Parteiensystem in Deutschland, wie auch in Europa, ist in einem tiefgreifenden Umbruch begriffen. Wir wollen, dass DIE LINKE nicht Beobachterin, sondern aktiver, progressiver Teil dessen ist. Es ist die Aufgabe der LINKEN zu verhindern, dass in diesem Umbruch die Rechte noch stärker wird. Darin war die PDS im Osten einmal erfolgreich. Wir können nicht nur auf die Partei, ihre Entwicklung, ihre Erfolge bei Wahlen schauen, so wichtig die auch uns sind; wir müssen die ganze Gesellschaft ins Blickfeld nehmen, um zu einer notwendigen breiten Gegenwehr gegen Kriege der Worte, der Waffen und der Wirtschaft beizutragen. Darum haben wir übrigens auch den Aufruf „Abrüsten!“ mit auf den Weg gebracht.
Schon jetzt allerdings hat DIE LINKE, nicht zuletzt durch den Beschluss des Parteivorstands, sehr viel an Zuwendung zur Linken kaputt gemacht und Misstrauen gesät bzw. verstärkt. Solcherlei administrative Unvereinbarkeitsbeschlüsse haben selten genutzt. Der angerichtete Schaden kann, wenn überhaupt, aus unserer Sicht nur durch eine öffentliche argumentative Auseinandersetzung geschmälert werden. Dazu fordern wir Euch auf. Dazu sind wir bereit. Eurer Erwartung, uns aus der Kundgebung für Demokratie und Meinungsfreiheit und/oder der Preisverleihung an Ken Jebsen herauszuhalten, kommen wir nicht nach.
Mit solidarischen Grüßen
Christiane Reymann und Wolfgang Gehrcke