Ausführlich beschäftigt sich der Leitartikel der Frankfurter Rundschau mit den Entwicklungen im Iran. Unter dem Titel „Die Kleriker sind angezählt“ schreibt Martin Gehlen: „Die Büchse der Pandora ist geöffnet. Seit der Schmierenkomödie bei der Präsidentenwahl durchlebt die Islamische Republik die tiefste Legitimationskrise ihrer Geschichte. Und schon jetzt steht fest: Egal wie der Machtkampf in Teheran ausgeht, es wird nichts mehr so sein wie vorher in dem schiitischen Gottesstaat der Ajatollahs Khomeini und Chamenei…
Der irrwitzige Plan des Regimes, die Opposition beim Wahlergebnis im Handstreich zu überrollen und mundtot zu machen, ist gescheitert. Stattdessen gingen Millionen auf die Straßen – geführt von Mir Hussein Mussawi, einem Revolutionär der ersten Stunde, einem ehemaligen Kriegspremier mit eisernen Nerven und einem Mann mit gutem taktischem Gespür…
Der irrwitzige Plan des Regimes, die Opposition beim Wahlergebnis im Handstreich zu überrollen und mundtot zu machen, ist gescheitert. Stattdessen gingen Millionen auf die Straßen – geführt von Mir Hussein Mussawi, einem Revolutionär der ersten Stunde, einem ehemaligen Kriegspremier mit eisernen Nerven und einem Mann mit gutem taktischem Gespür…
Parallel dazu ist innerhalb der Führungselite des Landes ein so erbitterter Machtkampf entbrannt, dass er am Ende das ganze Gebäude der Islamischen Republik in den Abgrund reißen kann…
Und noch präsentiert sich Mussawi als ein Mann, der die Grenzen dieses politischen Elitenkartells respektiert. Er wolle das islamische System und seine Gesetze nicht abschaffen, er wolle das System reformieren, lautete bislang seine Devise…
Doch in Wirklichkeit zwingt ihn schon jetzt die Empörung im Volk, zur Rettung der letzten demokratischen Elemente offen Front gegen die Dominanz der Geistlichkeit zu machen…
Am kommenden Sonntag wissen wir mehr, wenn die Herren ihr Fazit präsentieren. Das Volk wird sich dadurch nicht beruhigen lassen. Und es wird der Welt weiter vor Augen führen, wie irreführend, simpel und dumm alle Klischees waren, die in den acht Jahren George W. Bush in der westlichen Welt von ihm gezeichnet wurden. Eine ganze Nation sah sich in die Achse des Bösen eingereiht…
Inzwischen weiß es der ganze Globus besser: Die Mehrheit der Iraner sind aufgeschlossen, sind Menschen, die sich nach einem normalen Leben und friedlichen Beziehungen zur Welt sehnen…
Und der Iran hat eine Zivilgesellschaft, die in puncto Bildung, Fantasie und demokratischer Kultur im ganzen Mittleren Osten ihresgleichen sucht.“
Auch das Neue Deutschland berichtet auf seiner Titelseite über die Entwicklungen im Iran. Unter dem Titel „Iran: Wächterrat räumt Verstöße ein“ berichtet Jan Keetman aus Istanbul: „Das ungeheure Eingeständnis kam am Montagmorgen als Kritik an denen, die Recht hatten. Der Sprecher des Islamischen Wächterrates, Abbas Ali Kadchodai, sagte auf einem Kanal des staatlichen Fernsehens, Statistiken der unterlegenen Kandidaten, wonach in »80 bis 170« Städten mehr Stimmen gezählt wurden, als es Wahlberechtigte gebe, seien nicht korrekt…
»Dies ist nur in 50 Städten vorgekommen«, meinte Kadchodai, um dann fortzufahren, dass die Unregelmäßigkeit »drei Millionen« Stimmen betreffen könne. Nach Kadchodai haben diese Unregelmäßigkeiten indes den Wahlausgang »nicht erkennbar« geändert…
Eine wahrhaft salomonische Lösung: Der Vorwurf des Wahlbetruges ist berechtigt und Mahmud Ahmadinedschad hat trotzdem gewonnen…
Indessen gibt es Anzeichen dafür, dass eine Verhaftung von Oppositionsführer Mussawi vorbereitet wird. Irans Nachrichtenagentur IRNA verbreitete die Ansicht eines Milizionärs, wonach Mussawi Gewalt provoziert habe und angeklagt werden solle. Die Agentur Fars zitierte einen Rechtsprofessor mit der Ansicht, dass Mussawi die Sicherheit des Landes gefährde…“
Deutschland ist bekanntlich sehr auf Export orientiert. Wie weit das gehen kann, erfahren wir aus dem Spiegel-Online. Unter der Überschrift „Deutsche Hilfe für Ahmadinedschads Garden“ schreibt Hasnain Kazim: „Sind deutsche Unternehmen Kollaborateure des Regimes in Iran? Oder ist Moral eine Größe, die in wirtschaftlichem Handeln nichts zu suchen hat?…
Ein Vorwurf gegenüber Nokia Siemens Networks wirft diese Frage auf: Das deutsch-finnische Joint Venture soll Iran im zweiten Halbjahr 2008 mit Überwachungstechnik beliefert haben. Das Abwehrprogramm ermögliche den iranischen Behörden, jene Spuren zu verfolgen, die Menschen im Internet hinterlassen – und so Regimegegner zu identifizieren, heißt es in mehreren Zeitungsberichten…
Im Gespräch mit Spiegel-Online betonte das Unternehmen jedoch, es handele sich nicht um Instrumente, um das Internet zu kontrollieren oder gar um Kommunikation zu unterdrücken. Vielmehr habe man Iran Technologie verkauft, die es ermögliche, "lokale Telefongespräche abzuhören"…“
Der Tagesspiegel interviewt Herfried Münkler, Politikwissenschaftler an der Berliner Humboldt-Universität, beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit Revolutionen und Imperien, zu der Frage „Ist das eine Revolution?“ Das Interview führten Andrea Nusse und Christian Tretbar: „Welche Elemente gehören zu einer Revolution?…
Erstens: Die oppositionellen Kräfte, die sich für Veränderungen einsetzen und gegen die bestehende Machtelite aufbegehren, erklären ihre Ziele für nicht verhandelbar…
Zweitens: Die bestehende Machtelite ist nicht bereit, den Forderungen nachzugeben…
Vor allem die ersten beiden Punkte sind laut Münkler im Iran erfüllt. Oppositionsführer Mir-Hossein Mussawi hat erklärt, dass er auch bereit sei, zum Märtyrer zu werden. Dadurch hat er die Ziele der Bewegung für „unverhandelbar“ erklärt. Gleichzeitig haben die iranischen Revolutionsgarden angekündigt, neue Proteste gnadenlos niederzuschlagen. Das verdeutliche, dass auch die Machthaber um den Obersten Religionsführer Ruhollah Chamenei nicht bereit seien, grundlegend auf die Demonstranten zuzugehen…
Auch Mussawi hat erkannt, dass noch immer weite Teile der Bevölkerung unentschlossen sind. Daher war sein Aufruf zum Generalstreik im Falle seiner Verhaftung wohl vor allem an die Adresse der Bazaris gerichtet. Die sogenannten Bazaris sind die Elite der Händler im Iran, eine mächtige Gruppierung, deren Haltung beim Sturz des Schahs 1979 eine entscheidende Rolle gespielt hat. „Wenn der Bazar hustet, ist bald das ganze Land krank“, lautet ein persisches Sprichwort…“