Berlin, Deutschland (Weltexpress). Im holden Kreis mit Joachim Fest und seinem Verleger Siedler sen., gelang es dem Nazi Speer lange Zeit, aus seiner Fratze, die die eines Nazis-Kriegsverbrechers ist, jene eines bürgerlichen Künstlers zu basteln, der nur durch widrige Umstände – und gleich gar nicht durch eigenes Zutun, zum Rüstungsminister des Nazistaates wurde. Ja, eigentlich sei er ein Hitlergegner gewesen und hätt bestimmt irgendwie, irgendwo und irgendwann dem seligen Stauffenberg sogar mal auf dem Schoss gesessen. Diese und ähnliche Märchen und Lügengeschichten konnte Speer lange Zeit in seinen Erinnerungen verbreiten und/oder legte sie seinem Scheinbiografen Joachim Fest in den Mund. Der alles brav abtippen ließ und ungeprüft für bare Münze nahm, was ihm der eloquente Nazi zu berichten wusste. Ob er dafür ein original Eva-Braun-Häkeldeckchen zugesteckt, oder günstig gammlige Hitlerdevotionalien bekam, weiß nur der Fuchs – und der hütet sein Geheimnis streng.
Magnus Brechtken macht jedenfalls Schluss mit dem Speerzauber und stellt Speer in seiner hervorragenden Biografie wieder in die Ecke der Hauptkriegsverbrecher, wo er auch hingehört. Lange Zeit galt er als Dandy und verschrobener Molch im Nazitümpel, der irgendwie doch ein Genie war und nur der Architekt des irren Adolf.
„Auf der Basis jahrelanger Recherchen und vieler bislang unbekannter Quellen schildert er zugleich, wie Millionen Deutsche Speers Fabeln mit Eifer übernahmen, um sich die eigene Vergangenheit schönzureden, und wie sehr Intellektuelle, namentlich Joachim Fest und Wolf Jobst Siedler, diese Legendenbildung unterstützten.“ – besser kann man es nicht formulieren. Das Buch liest sich fein, es ist niemals trocken, geizt nicht mit Zitaten und schaut unter jeden schmutzigen Tisch an dem Nazispeer gesessen hat. Lesen!
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Magnus Brechtken, Albert Speer, Eine deutsche Karriere, 912 Seiten, Siedler Verlag, München 2017, ISBN: 3-8275-0040-3, Preise: 40,00 EUR (D), 41,20 EUR (A), 49,50 CHF