Frankfurt am Main, Deutschland (Weltexpress). Wie sich Donald Trump vor dem Fernsehen und auf Twitter aufführt, das sieht halb Europa mit Entsetzen, dass so ein Mann auch noch von der US-amerikanischen Bevölkerung gewählt wird, das auch. Er gibt den schlimmsten Befürchtungen Nahrung. Er gibt sich in der Öffentlichkeit hemmungslos, exzentrisch, schräg, egoistisch, misstrauisch, fühlt sich leicht über den Tisch gezogen, wie besessen von seinen Ideen, betrachtet andere als Verräter und hat als Reality-TV-Star ein Gespür für Theatralik. Aber andererseits, Teile von Europa, die Rechten von Marie LePen, der Alternative für Deutschland (AfD) und ähnlichen liebäugeln mit ihm. Die anderen beruhigen sich wieder, indem sie sich sagen „so schlimm kann es nicht werden“, der Kongreß, bestehend aus den zwei Kammern, dem Senat und dem Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten von Amerika (USA), werde ihm schon Einhalt gebieten. Manche fragen sich auch, ob das Bisherige nur ein Vorgeschmack auf das Kommende war und warnen?
Jedoch mache ich mir zu den Hintergründen Gedanken, die ich nicht von der Hand weisen kann. Er beleidigt die Menschen, neigt zu Hasstiraden, Kakophonie, demütigt Frauen, will einen großen Zaun zu Mexiko bauen, Errungenschaften wie die Anerkennung und Gleichstellung von Schwulen und Lesben wieder rückgängig machen und ist gegen alle Moslems und alles Fremde eingestellt. Die Weißen sollen wieder die Macht erlangen, und er gibt das Versprechen, die USA wieder groß zu machen. Auch ist er sehr dünnhäutig, kann keine Beleidigungen vertragen und schlägt im Internet ungeniert seinerseits mit Beleidigungen sofort zurück. Er setzt sich über alle Regeln der politischen Kunst hinweg. Seine Thesen sind in sich so widersprüchlich, so dass man gar nicht weiß, wo man mit ihm dran ist. Höchstens, dass er TTIP nicht einführen will, erfüllt mich mit Befriedigung. Auch dass er Wirtschaftsmagnaten und Multimillionäre zu seinen Ministern gemacht hat, lässt das Schlimmste befürchten. Vor allem gegenüber einem Teil seiner Wählerschaft, die sowieso schon unterprivilegiert sind, aber in ihrer Begeisterung für Trump blind scheinen und das Offensichtlich scheinbar nicht sehen, ist Böses zu befürchten. An der Wall Street steigen jedenfalls die Kurse als Ausdruck, dass man sich von dem President-elect eine Belebung der Wirtschaft erhofft, ein Aufleben des Neoliberalismus und Erstarken des Kapitalismus.
Hillary Clinton und Barack Obama, das Establishment, wirken als Gegenpol, und dem will man eins auswischen. Genau dieses Establishment wählten die Wahlberechtigten, die sich für Trump entschieden, ab, weil sie es satt sind. Das ist in gewisser Weise ein politisches Erdbeben. Die Trump-Wähler sind also reine Protestwähler. Was sind die Hintergründe dieses Protestes? Sein offensives Verhalten hat für viele einen gewissen Charme, der Teile der US-amerikanischen Bevölkerung zur Begeisterung hinreißt. Ein jeder würde gerne mit Beleidigungen zurückschlagen, ungehobelt reagieren, Kakophonie betreiben, wie das Trump in aller Öffentlichkeit macht, zumindest im Unbewussten, das hier sogar öffentlichen Raum gewinnt. Das verspricht ihnen Freiheit von allen Gesetzen, Regeln und Normen in einer Gesellschaft, die traditionell sehr nach Freiheit sucht, weil sie so sehr in der Enge ihrer Normen sowie in Religionsgemeinschaften und Sekten gebunden ist.
Man muss die Geschichte der Einwanderung betrachten und sich vor Augen führen, dass die Amerikaner eine Einwanderungsgesellschaft sind. Die Siedler der Neuen Welt sind aus ihren Ursprungsländern ausgewandert und geflohen, weil sie die Enge, die enge Religiosität in Sekten und fundamentalistischen Religionsgemeinschaften, die politische Verfolgung und Armut und Arbeitslosigkeit nicht mehr ertrugen. Die Normen der Oberschicht und ihre Religiosität aus dem alten Europa nahmen sie jedoch in verinnerlichter Form mit über den großen Teich. Sie wurden zu ihren psychosozialen Standards. Deswegen sind die Sekten so sehr verbreitet. Aus dieser Enge entsprang der Freiheitswillen der US-Amerikaner in der einst britischen Kolonie und zugleich ihre Angst vor jeglicher Reglementierung. Sogar das Waffentragen ist bei ihnen tief verwurzelter psychosozialer Standard, da sie sich das Land unter kriegerischen, kriminellen und gelinde gesagt fragwürdigen Umständen erst erobern mussten. Sie nahmen das Land und seine Schätze als Beute und raubten es den Ureinwohnern.
Die US-Amerikaner sind ja nicht wegen Kriegen, Landzerstörung und sonstigen unzumutbaren Zuständen zur Erhaltung ihres Lebens geflohen, wie das die Fluchtgründe aus Syrien, Irak oder Afghanistan sind. Diese Flüchtlinge sind völlig normale Menschen, die nicht zu sehr von inneren Normen und von einem verinnerlichten Freiheitswillen beherrscht sind, auch wenn sie noch so sehr als Flüchtlinge und als potentielle Attentäter gefürchtet werden.
Aber latent spielen noch andere tiefere Gründe, wie ich das Geschehen im Artikel über Rache und Schadenfreude dargestellt habe, eine Rolle. Die heutigen US-Amerikaner mit ein wenig Wurzeln in den USA rächen sich am Establishment, genießen die Schadenfreude und verhöhnen oder verspotten dieses. Darin zeigen sie ihre Genugtuung und dass sie das Establishment satt sind. Rache, Schadenfreude, Triumph und Spott haben latent und aktuell in den USA Hochkonjunktur. Die andere Hälfte der US-amerikanischen Bevölkerung ist wohl besonnener und wendet sich von Trump wegen dessen unzumutbaren, unerträglichen und widersprüchlichem Wahlkampf und dadurch der schlimmsten Befürchtungen ab. Diese Hintergründe sind menschlich und ein immanenter Bestandteil der Demokratie und dem zufolge sehr beachtenswert.
Einem Volk, dessen Staat in der Welt momentan die größte Rolle spielte und die einzig verbliebene Supermacht ist, das durch Kriege wie in Vietnam, Afghanistan und Irak, um nur drei von Dutzenden zu nennen, und die dortigen Verbrechen beschämt ist, will Trump wieder zu altem Machtgefühl verhelfen und Millionen Arbeiter in Lohn für Brot bringen. Das umschmeichelt die Seele.
Seine Wähler und Anhänger sind von Trump so fasziniert, dass noch nicht einmal seine sexuellen Eskapaden oder sogar gerade deswegen, ähnlich wie Berlusconi in Italien, ihm keinen Abbruch tun. Im Gegenteil. Sie werden ihm verziehen. Ich weise darauf hin, dass in den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Kinsey-Reports deswegen in den USA so viel Aufsehen erregten, weil bei den US-Amerikanern eine ganz andere Sexualität aufgrund der Normen als angenommen, Usus war wie Anal- und Oralverkehr, Homosexualität und andere sexuelle Varianten. Wahrscheinlich waren sie ihre Scheinheiligkeit und Bigotterie leid. Doch diese sind aufgrund der verinnerlichten Normen und Regeln wie beispielsweise die Bigotterie nach wie vor vorhanden. Bei uns in der Bundesrepublik Deutschland gehen, so ist einem ähnlichen Report wie denen von Alfred Charles Kinsey von vor etwa zehn Jahren zu entnehmen, über eine Million Kunden zu Prostituierten.
Rache, Schadenfreude, Triumph und Spott, das Unterlaufen der Normen, sich über alle Regeln hinwegsetzen, aber genauso ihre Scheinheiligkeit und Bigotterie zelebrieren, rufen Schuldgefühle und ein schlechtes Gewissen hervor. Dann wirkt sich auf die alle Bereiche der Öffentlichkeit aus. Trump, erst als Kandidat und jetzt als President-elect verhält sich genau so, dass eine Bannung beziehungsweise eine Verminderung der Schuldgefühle folgen. Er ist wie ein Erlöser von den Schuldgefühlen und wird als solcher deswegen verehrt. Ihre Scheinheiligkeit und Bigotterie werden durch die Öffentlichkeit übertrumpft, sozusagen zum Schweigen gebracht. Aber die alten verinnerlichten Normen werden noch eine Rolle spielen und die Ambivalenz zwischen den Normen und des Aufbegehrens und des Antrotzens wird fortwirken. Dann muss Trump sein unmögliches Verhalten weiter fortsetzen. Aber irgendwann werden die US-Amerikaner auch dieses Verhalten leid sein, vor allem, wenn der ärmere Teil der Bevölkerung merkt, dass sie von Trump sozusagen über den Tisch gezogen werden, und er seine Versprechungen nicht einhält.