Während des Vorspanns beschießen sich grellbunte Computerfiguren. Solche sind auch die realen Menschen der Handlung. “Crank 2: High Voltage” ist ein durchgedrehtes Computerspiel, fast surreal in seiner grotesken Unmöglichkeit. Eine der Trickfiguren wird zu Jason Statham. Vermutlich ist Statham im wahren Leben ein ruhiger Mensch, der gerne Klassik hört und spazieren geht. Solche spielen im Film meist die Schlägertypen. Für Stathams Rollen in den drei “Transporter” – Filmen Luc Bessons und “Death Race” ist “Schläger“ noch ein Euphemismus. Aus “Death Race” hat Statham David Carradine mitgebracht, der darin einen Kurzauftritt hatte. In “Crank 2” hat Carradine Stathams Filmfigur das Herz gestohlen. Nein, homophobe Actionfreunde brauchen nicht die Flucht zu ergreifen. In dem splatterfreudigen Ballerfilm wurde Hauptcharakter Chev Chelios (Jason Statham) der Pumpmuskel ganz praktisch entnommen. Liegt man zu lange bewusstlos auf der Strasse, kommen die gierigen Organräuber. Die haben Profikiller Chev das Herz herausoperiert, um es einem altersschwachen Triadenboss (David Carradine) einzupflanzen. Chev statten sie mit einem Kunstherz aus. Für diese Umsichtigkeit der skrupellosen Verbrecher gibt es einen guten Grund: Chev kann sie und sein Herz nun fröhlich über die Kinoleinwand jagen. Dazu muss er sein Kunstherz regelmäßig mit Strom versorgen, was den Untertitel “High Voltage” erklärt. Ob Elektroschocker oder Starkstrommast: fließt Strom durch seinen Körper, wird Chev zum Superkämpfer.
Die Unglaubwürdigkeit ihrer Handlung hebeln Autoren mit einem simplen, aber effektiven Drehbuchcoup aus. Gleich zum Auftakt kracht Chev aus einem Flugzeug auf den Boden. Und überlebt. Nach dieser Unmöglichkeit erscheinen alle anderen belanglos. Moment, ist dieser Charakter nicht in “Crank” gestorben? “Ja, ich bin sein Zwillingsbruder.“ Anstatt sich um fadenscheinige Authentizität zu bemühen, nehmen die Regisseure die Unlogik der Handlung aufs Korn. Keine Waffe? Schnell jemanden niedergeschlagen und dessen Waffe genommen. So steigert Chev sich von der Pistole zur Pumpgun. Mit selbstironischer Referenzialität karikiert “Crank 2” seinen Status als Film gewordenes Killerspiel. Zensurwächter sollten sich jedoch Chevs Schlusskommentar zu Herzen nehmen. Nach dem Verbotsrufen gegen gewalttätige Spiele und Filme der letzten Wochen ist seine nonverbale Aussage geradezu wohltuend. Geballert und gemetzelt wird reichlich, die Grausamkeit ist jedoch harmlos realitätsfern wie in einem “Tom und Jerry” – Trickfilm. Abgetrennte Körperteile sind später auf wundersame Art wieder dran und bei einer Kampfszene wachsen Chev und sein Gegner zu godzillaartigen Riesen. Ein Auto überfährt die aufreizende Ria (Bai Ling). Macht nichts, sie steht unverletzt wieder auf und verfolgt Chev weiter im Liebeswahn durch den Film. Bis sie schließlich wortwörtlich für ihn entbrennt. Doch Profikiller Chev will nur seine Freundin Eve (Amy Smart). Die kriegt er vielleicht im dritten Teil. Denn selbst, wenn es um Chevs Gesundheit gen Ende schlecht steht: Das Böse stirbt nie.
“Godzilla”, “The incredible living Transplant” und Regisseur Russ Meyer zählen zu den Inspirationen. Irgendwo zwischen dessen “Motorpsycho”, Rob Zombies “House of 1000 Corpses” und “Natural Born Killers” liegt “Crank 2: High Voltage”. Die sozialkritische Sprengkraft und inszenatorische Qualität von Oliver Stones Medienfarce fehlt der simplen Verfolgungsjagd. Schauspielerisch wird hingegen aufgefahren, was die zweite Liga zu bieten hat. Die für optische Qualitäten bekannte Bai Ling veralbert ihren Sexpuppenruf, Statham seinen Schlägernimbus. Parodie und Sarkasmus unterscheiden die Gewaltorgie von den üblichen primitiven Komödien. Wer ist Schuld an Chevs Brutalität? Böse Killerspiele! In einer Talkshow-Farce führt der Film die zu erwartende Kritik des Jugendschutzes vor. Schlechtes Zeitgefühl ließe sich dem Verleih nach dem nicht lange zurückliegenden Amoklauf vorwerfen. Tatsächlich ist es ein gutes. Je vehementer die Forderung nach Zensur, desto wichtiger ist es, dieser zu trotzen. Aufgebrachten Demonstranten begegnet Chev schon auf der Leinwand. Statt Konservativer skandieren Pornodarsteller. Den Enthusiasmus der Regisseure bezeugt, dass hier Genrestars Kurzauftritte haben; bis zu Carradine, der als hundertjähriger Chinese seine Rolle in der Fernsehserie “Kung Fu” parodiert. “They need their money.”, sagt Eve verständnisvoll über die Pornodarsteller. Genau wie Actionregisseure. Also: In die Starkstromdose fassen, Hirn aus. Ins Kino gehen, “Crank 2” ansehen. Der überdrehte Spaß ist respektlos, schmutzig, und besitzt alles, was Trashliebhabern Spaß macht. Bleibt zu hoffen, dass er ohne Kindersicherung in die Kinos kommt. Ab achtzehn ist man eigentlich zu alt für so was.
Titel: Crank 2: High Voltage
Genre: Action
Land/Jahr: USA 2009
Kinostart: 16. April 2009
Regie und Drehbuch: Brian Taylor, Mark Neveldine
Darsteller: Jason Statham , Amy Smart, Bai Ling, David Carradine
Verleih: Universum
Laufzeit: 85 Minuten
FSK: Keine Jugendfreigabe