Ein Waschbrettbauch zum Hingucken, denn Adel verpflichtet. Und Juan Carlos Ramos weiß genau, was er seinem Ruf als einem der besten Surflehrer in El Salvador schuldig ist. Mit Kennerblick überprüft er die Höhe der Brandung, die vom Pazifik her in dichter Folge donnernd über den El Tunca Beach hereinbricht. In Sekundenschnelle fällt seine Entscheidung für das flexibelste seiner drei Lieblings-Surfbretter und stürzt sich hinein in die schäumende Gischt. So dauert es nicht lange, bis das durchtrainierte Energiebündel „seine“ Welle gefunden hat, von der er sich in gekonntem Zickzack zurück an den Strand tragen lässt.
Juan Carlos genießt seinen Heimvorteil. Und so kann er es kaum erwarten, bis die Weltelite der Surfer an einem der weltbesten Surfstrände wieder ihre Kräfte misst. Zehn Meter hohe Wellen, so weiß er respektvoll zu berichten, sind dabei durchaus keine Seltenheit. Brecher, die bereits beim Zuschauen schwindelig machen. Doch bei allem Nervenkitzel freut er sich auch auf die Gäste zwischendurch, die diese faszinierende Sportart mit seiner Hilfe von der Pike auf erlernen wollen.
Ceviche für Feinschmecker
Nicht weniger lebhaft geht es zu im benachbarten Fischereihafen von La Libertad. Bunt bemalte Fischerboote kommen hier in aller Herrgottsfrühe aus ihren Fanggebieten zurück und werden an der Spitze eines lang gezogenen Piers hinauf gehievt. Oben angekommen, bleibt der mitgebrachte Fang den neugierigen Blicken nicht lange verborgen: Thunfische, Seebarsche und was sonst noch. Und sind bei genauem Hinsehen nicht sogar Hammerhaie mittlerer Größe auszumachen? Diesem Beifang bleibt zu wünschen, dass er möglichst schnell wieder seinem feuchten Element übergeben wird.
An der Strandseite des Piers werden bereits die Messer gewetzt. Sie kommen zum Einsatz beim fachgerechten Zerlegen der fangfrischen Fische, auf die die Käufer aus den umliegenden Restaurantküchen schon ungeduldig warten. Zu ihnen gehört auch Suchai aus Libertad. Kritisch betrachtet sie die ausgelegte Ware, muss sich diese doch eignen für die heute von ihr speziell eingeplante Ceviche für Feinschmecker. Jenes mit Limone und pikanten Gewürzen angemachte Gericht aus rohem Fisch, das sich, wie Suchai betont, hier an der zentralamerikanischen Pazifikküste allergrößter Beliebtheit erfreut.
Betriebsgeheimnis der Pupusas
Doch nun ist gerade einmal Frühstückszeit. Anlass genug, um mit großen Erwartungen von der Küste aus ins Landesinnere aufzubrechen. In den Ort Olocuilta, dem nicht nur ein guter Ruf vorauseilt, sondern auch ein verführerischer Duft. Er entstammt den Pupusas, einer Art Nationalgericht, deren Erfolgsrezept es hier herauszufinden gilt. Und in der Tat erklärt sich Victor Manuel, Inhaber der „Pupuseria Tania“ bereit, unter Lüftung seines Betriebsgeheimnisses einen Einblick in die Pupusa-Herstellung zu gewähren.
Seine Küchenspezialisten in dekorativer roter Kleidung machen es vor. Sie formen einen Teig aus Mais zu einer handlichen Kugel, in die sie eine Füllung aus Käse, Bohnen und geriebenem Schweinefleisch hineinpressen. Dazu ein scharf eingelegter Jalapeno-Kohl, der den Geschmack abrunden soll. Das anschließende laute Klatschen, das zunächst an Bühnenapplaus erinnert, gilt der Kugel, die mit diesem manuellen Krafteinsatz abgeflacht und bratflächentauglich gemacht wird. Als geräuschlose Zustimmung allerdings wertet Victor Manuel die zufriedenen Gesichter, die sich sogleich beim genussvollen Verzehr einstellen. Denn bedürfte es noch eines anderen Beweises?
Amerikanisches Pompeji
Mit einem Abenteuer ganz anderer Art befasst sich Salvador Quintanilla. Ihm hat das Schicksal buchstäblich in die Hände gespielt, als ausgerechnet auf seinem Grundstück mit Bodenradar eine in ihrer Einmaligkeit nicht für möglich gehaltene Maya-Anlage entdeckt wurde. Und dies unter einer sechs Meter hohen Aschenschicht, die der angrenzende Loma Caldera vor 1400 Jahren ausgespuckt hatte. „Ein Musterbeispiel für mittelamerikanische Wohnkultur der präkolumbianischen Zeit“, wie Salvador sachlich feststellt. Und wie es das hervorragend aufbereitete archäologische Museum auf eigene Weise beweist.
Heute ein Weltkulturerbe, wurden hier in Joya de Ceren seit dem Jahr 1976 bereits zehn der insgesamt achtzehn vorhandenen Wohneinheiten ausgegraben. Und Salvador? Der zeigt sich natürlich überglücklich darüber, dass der Zufall ihm über Nacht ein „amerikanisches Pompeji“ bescherte. Und dennoch ist ihm eine gewisse Enttäuschung darüber anzumerken, dass sich seine Hoffnung auf einen plötzlichen Reichtum zerschlug. Doch was soll’s! Denn gegen den eigenen Namen in den Geschichtsbüchern des Landes, soviel Stolz muss sein, ist natürlich nichts einzuwenden.
Von giftgrün zu indigoblau
Als ähnlich aufregend erweist sich die Begegnung mit Dieter und Rhina Rehmann, die sich dem Projekt der natürlichen Indigo-Gewinnung verschrieben haben. Dieter, einstiger Pilot der Bundeswehr und Rhina die heimische Erbin eines Grundstücks im Hochland von El Salvador, die sich vor langer Zeit in Deutschland kennen lernten. Und sich dann dorthin zurück trauten, wo auf ihrem Gelände während des Bürgerkrieges bis 1992 eine Gruppe von Guerrilleros ungefragt Quartier bezogen hatte.
Doch vorbei ist vorbei. Und Dieter lässt von einigen seiner Plantagen-Spezialisten vorführen, wie es geht. Zunächst fermentieren grüne Zweige des Indigo-Strauches einen ganzen Tag lang in einem Bassin. Dadurch entsteht ein stark riechender giftgrüner Saft, der durch einstündiges kräftiges Aufpeitschen der Oberfläche mit Luftsauerstoff angereichert wird. Und sich dabei, völlig überraschend für uneingeweihte Zuschauer, immer mehr ins Blaue verfärbt. Dann ist es nur noch eine Frage der Geduld, um in weiteren Arbeitsschritten jenes indigoblaue Pulver zu gewinnen, auf das die Jeans-Industrie seit Lévy-Strauß begierig wartet. Und nicht nur die, wie die anschließende praktische Einführung in das Batik-Kunsthandwerk beweist.
Straßen der Begegnung
So sind es neben der landschaftlichen Vielfalt und der herben Schönheit des Landes die menschlichen Begegnungen, die haften bleiben. In den kleinen Gässchen der anheimelnden Kolonialstadt Suchitoto oder entlang der legendären Panamericana. Auf dem Weg zu den Vulkanen durch das Kaffeeanbaugebiet oder entlang der „Blumenroute“, auf deren bunten Märkten sich die Kauflaune von selbst einstellt, zumal dort kein Lächeln unbeantwortet bleibt.
Reiseinformationen “El Salvador”:
Anreise: Günstig mit Air France, www.airfrance.de, KLM, www.klm.com bzw. Delta Airlines, www.de.delta.com über Atlanta oder mit Iberia, www.iberia.com über Madrid
Einreise: Nur Reisepass, kein Visum. Es wird eine Einreisegebühr von 10 US-Dollar und eine Ausreisegebühr von 38 US-Dollar erhoben, die manchmal bereits im Ticketpreis enthalten ist.
Reisezeit: Ganzjährige Reisezeit. Die Trockensaison reicht von Oktober bis April, die Regenzeit von Mai bis September. Davon ist jedoch lediglich ein Teil des Tages betroffen.
Reiseveranstalter: America Andina: www.america-andina.de/reisen/el-salvador.html; Forum anders reisen: www.forumandersreisen.de; Esperanza Tours: www.esperanza-tours.de/reisen/el-salvador/
Unterkunft: Playa El Tunco: Tekuani kal, www.tekuanikal.com; Suchitoto: La Posada de Suchitlan, www.laposada.com.sv; Ruta de las Flores, Concepcion de Ataco: Mision de Angeles, www.misiondeangeles.com
Auskunft: El Salvador: www.elsalvador.travel und Zentralamerika: www.visitcentroamerica.com