In drei Stunden köstlichsten Amusements mit Jazz, Wiener Schmäh, ungarische Weisen und jiddischem Klezmer erzählt der Zweiakter von Lebenslust, Irrungen und Wirrungen der Liebe. Unter der brillianten Inszenierung des australischstämmigen Intendanten Barrie Kosky geht im tristen Januar-Grau stimmungsaufhellend schlagartig die Sonne Australiens auf – zumindest im Konfetti-Regen der Komischen Oper!
Glitzer, Glam, Erotik und quirrlige Lebensfreude pur versprühen auch die drei Operetten-Diven Dagmar Manzel, Katherine Mehrling und last but not least Helmut Baumann, der ehemalige Intendant des Theaters des Westens. Der renommierte Tänzer, Choreograph und Musicalregisseur erheitert mit seiner witzigen Darstellung des vielweibernden Mustafa Bey, Attaché bei der türkischen Botschaft in Paris und legt gekonnt „Sohlen auf’s Parkett“.
Katherine Mehrling als laszive Freundin mit rauchiger Stimme amerikanisch berlinernd ist die aufreizende Verführung in Person! Dagmar Manzel, als frischgebackene Ehefrau, steht ihrer Verve und Erotik um nichts nach und verwandelt sich auf der Suche nach ihrem Mann in eine „Kokotte“. Zum „Ablachen“ ist ihr „Kokottengang“, in dem sie wie Pink Panther über die Bühne schreitet. Apropos unserem Nizza-Freund Pink Panther: Ester Bilas`s Pink Panther-Kostüme im Nudelook verleihen das „Gewisse Etwas“ in Kombination mit weiteren hinreißend-glitzernd-farbig-berauschenden Feder- und Strasskostümen!
Das hauseigene Männerballett mit den schicken Frisuren zeigt wieder einmal erotisch aufreizend viel Haut und schlägt faxenmachend Kapriolen ohne Ende. Das Vokalensemble „Lindenquartett Berlin“ singt als die „Savoy-Boys“ im Zeitgeist Gassenhauer.
Nach so viel überbordendem Charme, Esprit und Witz wird es am Schluss mit der Zugabe doch noch einmal eindringlich berührend ernst: Gänsehautfeeling und Tränen in den Augen, als das gesamte Ensemble singt „Reich mir zum Abschied noch einmal die Hände.“ Tags zuvor fand der große Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus statt, wo 90-jährige KZ-Überlebende weinend berichteten, dass sie die vielen Ermordeten in den Konzentrationslagern nicht vergessen können.
Der ungarisch-deutsche Komponist Paul Abraham war jüdischer Abstammung. Er musste aufgrund der Nazi-Progrome, die ihn ächteten, über Umwege nach New York, wo er schwerstens an Syphilis erkrankte. Er verstarb, 1956 zurückgekehrt nach Deutschland, an Krebs
Zum Gedenktag der Befreiung von Ausschwitz am 27.1.15 setzte Barrie Kosky sich persönlich ans Klavier und spielte spätabends jiddische Operetten, deren Lieber nicht selten von Exil, Einsamkeit und Heimweh handeln. Das Duett „Farges mikh nit!" ("Vergiss mich nicht!") ergriff auch die Herzen der Besucher des „Ball im Savoy“.