Der Nachfolger Petri fliegt nicht nach Argentinien oder Australien, sondern in ein Gebiet, das nach wie vor von der israelischen Besatzung und dem daraus resultierenden Unfrieden geprägt ist. Jordanien, Teil Eins der Reise, ächzt indes unter Massen von Flüchtlingen aus dem Irak sowie aus Syrien. Einige von ihnen will der Heilige Vater treffen sowie im Raum Bethlehem eines der drei dortigen Flüchtlingslager mit palästinensischen Flüchtlingen des 1. Israelisch-Arabischen Krieges von 1948/49 besuchen.
Insgesamt drei Messen wird der Heilige Vater feiern: im Stadion von Jordaniens Hauptstadt Amman, auf Bethlehems Krippenplatz und – als letzten Programmpunkt des Besuchs – im Abendmahlssaal in Jerusalem. Dies kommt einer Sensation gleich. Von diesem Gedächtnisort wurden die Franziskaner 1552 von den muslimischen Osmanen vertrieben. Seit der Staatsgründung Israels gilt der Saal als Museum, in dem religiöse Zeremonien untersagt sind. Selbst am Gründonnerstag, wenn in allen Kirchen der Welt des letzten Abendmahls gedacht wird, bleiben Gottesdienste am Ort des Geschehens selbst verboten. Kürzlich wurde jedoch kolportiert, dass nach 20-jährigen Verhandlungen, Israel das Coenaculum an die Franziskaner zurückgeben wolle. Wird dies möglicherweise während der Papstreise offiziell bekanntgegeben?
Papst Franziskus wird in Jerusalem neben den beiden Oberrabbinern das Staatsoberhaupt Shimon Peres sowie den Ministerpräsidenten Netanyahu treffen, außerdem den muslimischen Großmufti. In Jordanien folgt gleich nach der Landung ein privates Gespräch mit König Abdullah. Anschließend trifft er Vertreter von Regierung und Gesellschaft sowie Jugendliche mit Behinderung. Auch in Bethlehem sucht der Heilige Vater das Gespräch nicht nur mit Politikern, sondern wird mit christlichen Familien das Mittagessen einnehmen. Der aus dem Kahlgrund stammende und seit über 30 Jahren bei Bethlehem lebende Theologe Dr. Karl-Heinz Fleckenstein verbindet mit dem Besuch durchaus Hoffnungen: „Wir erwarten uns vom Papstbesuch, dass wir Christen hier im Heiligen Land mit unseren Hirten seinem Beispiel folgen und im Geist der Demut und Menschenfreundlichkeit Gottes einander begegnen, sodass unsere nicht christliche Umwelt von uns wie von den ersten Christen sagen kann: Seht wie sie einander lieben.”
Beläuft sich die Zahl der einheimischen arabischen Christen in Israel auf etwa zwei Prozent, ist es in den Besetzten Palästinensischen Gebieten nur jeder Hundertste. Deren Kirchen sowie die Gotteshäuser von Orden sind in den letzten Jahren zunehmend Ziel jüdischer Siedlergewalt geworden. „Jesus ist ein Affe, Maria eine Kuh!” lautet das jüngste Graffito. Erst vor wenigen Wochen wurde am Büro der Bischofskonferenz in Jerusalem die hebräische Aufschrift angebracht: „Tod den Arabern und Christen und allen, die Israel hassen.” Der preisgekrönte israelische Schriftsteller Amos Oz griff gar zu einem in Israel höchst heiklen Vergleich, als er die Nationalreligiösen und ihre Hintermänner „hebräische Neonazis” nannte. Auch der lateinische Patriarch Fuad Twal, der ranghöchste römisch-katholische Bischof im Heiligen Land, sonst ein Mann der leisen Töne, verurteilte ungewöhnlich deutlich die „Welle eines extremistischen Terrors.” Der israelischen Regierung warf er vor, sich im Wesentlichen auf verbale Verurteilungen der Angriffe und „einige wenige Verhaftungen” zu beschränken. Nicht nur die katholische Kirche, sondern auch die israelische Polizei und der Inlandsgeheimdienst Shabak fürchten eine Eskalation rechtsextremer jüdischer Gewalt während des Papstbesuchs. Auf diesem begleitet ihn sein Freund, der argentnische Rabbiner Abraham Skorka. Der versteht die gemeinsame Reise als eine „Botschaft des Friedens für alle Völker und Nationen der Region.” Wird diese Botschaft gehört werden?
Als Höhepunkt des dreitägigen Besuches gilt das Zusammentreffen von Papst Franziskus mit Bartholomaios I., dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, dem Ehrenoberhaupt der orthodoxen Christenheit. Zusammen werden sie eine Erklärung unterzeichnen. Danach feiern die Vertreter der verschiedenen christlichen Kirchen in der Anastasis, der Grabes- und Auferstehungskirche einen ökumenischen Gottesdienst. Anlass ist der 50. Jahrestag der Begegnung zwischen dem Patriarchen Athenagoras und Papst Paul VI. in Jerusalem. Genau 50 Jahre nach diesem historischen Treffen, am 5.1. 2014, hatte Papst Franziskus die jetzige Reise publik gemacht. Dabei sagte er: „Bereits jetzt bitte ich darum, für diese Pilgerfahrt zu beten.” Dieses Gebet wird er im Krisenherd Nahost dringend benötigen.
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Das komplette Programm der Reise kann auf der Internetseite von Radio Vatikan unter http://www.radiovaticana.va/ eingesehen werden.