Frankenweenie (USA 2012) – Ein Junge, sein toter Hund und die Macht der Elektrizität

© Walt Disney

Es war schon immer so, dass sich die Geister an Tim Burtons Arbeit scheiden. Verehrt von den einen, wird er von den anderen als, im besten Falle, verschroben abgetan. Burtons Filme laufen jedoch nicht in irgendwelchen obskuren Nischenkinos, nein, allein seine Verfilmung von Alice im Wunderland (2010) nahm über 1 Milliarde ein und gehört zu den erfolgreichsten Filmen aller Zeiten. Kein Wunder, dass Disney alles versuchte, um ausgerechnet mit dem Mann zu arbeiten, den es 1984 entlassen hatte, weil für seine künstlerischen Visionen kein Platz im Mäusereich war. Es muss Burton eine besondere Genugtuung gewesen sein, dass Disney sich bereit erklärte FRANKENWEENIE zu produzieren, denn es war der gleichnamige Kurzfilm gewesen, der den Ausschlag für Disney gab, den jungen Burton zu feuern. Eine Geldverschwendung sei dieser Film, hatte man damals befunden.

FRANKENWEENIE basiert auf Mary Shelleys Roman Frankenstein und ist zugleich eine Hommage an die klassischen Monsterfilme, aber er ist kein Horrorfilm – einen liebenswerteren Film hat man lange nicht gesehen. Burton hat ein Herz für das einsame und unverstandene Kind. Es ist bezeichnend, dass Sparky überfahren wird, als er einem Baseball hinterher jagt – einem Baseball, den Victor nur schlägt, weil seine Eltern ihn dazu zwingen einer in ihren Augen normalen Beschäftigung nachzugehen. In dem nach außen idyllischen Vorort, in dem die Frankensteins leben, ist Normalität gleichzusetzen mit Engstirnigkeit und Ignoranz. Deutlich sind hier Burtons autobiographische Züge zu erkennen.

Der sehr unamerikanische Lehrer Mr. Rzykruski, eine wundervolle Hommage an Vincent Price, versteht Victor und ermutigt ihn in seinem wissenschaftlichen Interesse. Die Menschen, so Rzykruski, mögen was die Wissenschaft ihnen gibt, aber nicht die Fragen die sie aufwirft. Die Menschen mögen aber auch Rzykruski nicht und wie einst Tim Burton wird er entlassen. Dabei lehrt er Victor etwas sehr wichtiges: Wissenschaft und Herz gehören zusammen!

Es ist aus Liebe, dass Victor das Experiment wagt. Aber wie so oft, wenn man etwas gut meint, dann sind die Folgen katastrophal. Nicht jedes der geliebten Haustiere kommt in seiner ehemals handlichen Form zurück. Gott spielen hat Konsequenzen und drückt sich hier auch mal in einem plattgetretenen Auto aus. Schließlich kommt es zu einem dramatischen – aber auch sehr rührenden – Showdown inklusive Mob und brennender Mühle.

Das FRANKENWEENIE eine Altersfreigabe ab 12 erhalten hat, erklärt sich vielleicht auch damit, dass die meisten Kinder heute nicht mehr mit den schwarz-weißen Gruselklassikern von einst aufwachsen. Wer die 30 schon ein bisschen aus den Augen verloren hat, der erinnert sich vielleicht noch an wohlige Gruselstunden vor dem Fernseher mit Boris Karloff, Vincent Price oder Peter Lorre, an wiederauferstandene Mumien, bucklige Gestalten und Fackeln tragende Dörfler. Apropos bucklige Gestalten, eine der witzigsten Hommagen findet sich in der Figur von Victors Schulkameraden Edgar E. Gore – E. Gore spricht sich im Englischen „Igor“ aus – dem unverzichtbaren Gehilfen eines jeden verrückten Wissenschaftlers. Eine weitere Namenshommage findet sich im Nachbarsmädchen Elsa van Helsing. Elsa Lanchester spielte 1935 Frankensteins Braut mit der inzwischen ikonischen Frisur und van Helsing ist der Erzfeind Graf Draculas.

Dass die Stop-Motion Technik allererster Güte ist, versteht sich schon fast von selbst. Die Figuren sind liebevoll gestaltet in der für Tim Burton so typischen Art und im Gegensatz zu so manchem aktuellen Realfilm hat man keine Probleme damit die einzelnen Charaktere auseinander zu halten. Die 3D Effekte sind spaßig, aber nicht notwendig.
 
Man muss weder Shelleys Roman gelesen, noch eine der zahlreichen Verfilmungen – ja nicht mal Burtons Kurzfilm – gesehen haben, um FRANKENWEENIE zu begreifen. Alles was man sein muss, ist ein bisschen offen gegenüber dem etwas Unkonventionellen. Tim Burtons neuester Coup ist sehr witzig, dramatisch, spannend, berührend und vor allem sehr, sehr liebenswert. Ein Film, den man gesehen haben sollte – nicht weil er auf einer Liste steht, sondern einfach weil es ein toller Film ist.

FRANKENWEENIE (USA, 2012); Verleih: Disney; Filmlänge: 87min; Regisseur: Tim Burton; Drehbuch: Tim Burton, John August; Sprecher: Charlie Tahan, Martin Landau, Martin Short, Winona Ryder; FSK: ab 12 Jahren; Kinostart: 24. Januar 2013 (Deutschland).

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