Mit dem Satz „Ganz vorsichtig ausgedrückt, war ich noch nie besonders gut darin, einen Schlips zu binden“ (3) beginnt sogar sein – hört, hört – Sachbuch, das ihm, weil wir noch beim Thema „Fahren“ sind, doch so viel Geld einbringen möge, daß der Journalist sich ein besseres Auto als einen „untermotorisierten Golf“ (4) leisten möge. Wer gut recherchiert, der soll auch gut reisen.
Bei seiner Suche nach frischen Fakten scheint er an den Leser zu denken, dem er als Reporter, der über sich in jedem der sechs Kapitel etwas, über seine Arbeit vor Ort hingegen viel und vor allem erzählend berichtet, verdauliche Häppchen in erbaulicher Manier eines gut gemeinten Besinnungsaufsatzes serviert. Für die Leser, die er dort abholt wo sie sind: im Unwissenden, und dahin führt, wo er war, auf die Ebene des Offensichtlichen im Tages- und Grubenlicht, scheint das Buch über Bodenschätze oberflächlich gut geschrieben. Doch gut gedacht ist das keineswegs, denn der Sache selbst und ihrer Geschichte geht der Berichterstatter nicht auf den Grund, obwohl er ordentlich informiert über Chemie und Physik, von Erd- bis Sozialkunde themenzentriert und vielgefächert unterrichtet. Die Politische Ökonomie jedoch kommt zu kurz, aber darauf kömmt es an. Das Werk ist kein Kapital, nicht aus der Sicht der Belogenen und Betrogenen geschrieben, keine historisch-kritische Abhandlung über die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Klar, Seiler vergisst nicht zu erwähnen, wie schwer es die Menschen unter Tage hatten und haben, doch das vergisst der Kuttenträger auf der Kanzel auch nicht, der für seine Schafe das Heil im Himmel herbeibetet.
Die Erwähnung der Ausbeutung der Natur durch den Menschen wird zwar nicht unterlassen, aber nur am Rande erwähnt und gleich mit Taten der Gutmenschen aufgewogen, denn das Buch soll nicht mehr sein als „eine spannende Reise durch die Rohstoffrepublik Deutschland“.
Immerhin fragt er einmal generell, „wer ”¦ vom möglichen neuen Ressourcenrausch in der Region (gemeint ist das Erzgebirge (5)) profitieren“ werde. Die Antwort widerzugeben erspare ich dem Leser dieser Rezension.
Bei der Reise nach Rohstoffen sieht Seidler Massivsulfiderz (6), das vom Galapagos Rift im Pazifischen Ozean aus 2500 Metern Tiefe geborgen wurden, aber auch Reste eines „Schwarzern Rauchers“ aus dem Pacmamus-Feld von Neuguinea, geborgen aus 1680 Metern Wassertiefe“ (7) und hört keinen Kapitalisten, wenige Lohnarbeiter, aber mehrere Wissenschaftler und einige Politikern. Ein paar von den Politniks, oft in Funktionen eines Staates des Kapitals würden von einer „nationalen Rohstoffstrategie“ sprechen (8) und von der „Sicherung strategischer Rohstoffe für die deutsche Industrie“ (9). Die Wissenschaftler scheinen willig und wollen mehr wissen über den Boden der Bundesrepublik, wobei „die oberen 300 Meter ”¦ gut bekannt“ seien, wie wir Dank Seiler lesen. Mit neuer Technologie würden die Sucher der Sache auf den Grund und vor allem tiefer gehen wollen. Dabei stünden nicht nur die alten Bergbaureviere „Erzgebirge, Fichtelgebirge, Harz und Bayerischer Wald“ (10) sondern auch die „Norddeutsche Tiefebene oder ”¦ die Schwäbische Alb“, wo sich „mineralisierte Zonen unter den Deckschichten entlangziehen“, zitiert Seiler Jens Gutzmers, Chef des Helmholtz-Instituts fürs Ressourcentechnologie (10), vor neuen Untersuchungen, damit der Wille von Jörg Negendank, Ex-Chef des Deutschen GeoForschungsZentrums Potsdam, Wirklichkeit wird und „wir hier in Deutschland Karten im Maßstab 1:50 000 herstellen, die auch dreidimensional den tiefen Untergrund erfassen“. (11)
Daß der Run auf Rohstoffe läuft und läuft und läuft, das ist kein Geheimnis und wird wohl auch deswegen im ersten Kapitel abgefrühstückt. Die weiteren drehen sich um Inhalte an Orten, wo, wie wir aus Kapital eins wissen, Kapitalisten auf der Lauer liegen, um die Bodenschätze zu der Zeit zu bergen, wenn das lukrativ ist, der Kunde den Preis für den Rohstoff zahlt, der den Profit bringt. Kupfer in der Lausitz, Zinn und Lithium im Erzgebirge, Öl- und Gas in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sowie Gold am Rhein und manches mehr vor allem am Tiefseeboden.
Die Wismut, sagt Seidler klar, sei ein Beispiel, wie Rohstoffabbau in Deutschland nie wieder funktionieren darf. Er glaubt den Versprechungen der neuen Rohstoffsucher und hält „die Regeln in Deutschland“ für „rigide, die Kontrollen“ für „verläßlich“. (12), so daß er „keinen vernünftigen Grund“ sieht, „an der grundsätzlichen Umweltverträglichkeit des neuen deutschen Rohstoffwunders ernsthafte Zweifel anzumelden“ (13).
Wer glaubt, daß Maria als Jungfrau (!) Gott (!!) einen Sohn gebar und dieses Jesus übers Wasser ging (!!!) und so weiter und so fort bis er nach seinem Tod wieder lebendig wurde (!!!!), der möge zu diesem Buch greifen.
Gut, daß Seidler ein Scherzkeks ist und selber nicht glaubt, was er schreibt. Daher fährt er fort mit Fracking bis „Deutschland ”¦ seine Rohstoffe vollständig wiederverwertet“ (14) und eine 100-prozentige Kreislaufwirtschaft erreicht ist, womit man sich endliche, nicht erneuerbare Rohstoffe und das Suchen danach ersparen kann. Wunderbar, oder?
Immerhin hat er nach 245 Seiten für den Leser journalistisch-unterhaltsam schwere Kost leicht aufgetragen und dagelegt, daß Deutschland auch ohne Überseegebiete jedoch mit Claims am Boden des Pazifik ein rohstoffreiches Land ist und in „unserer Erde ”¦ Schätze mit Milliardenwert ”¦ schlummern“. Wenn schon das unser unklar ist, dann ist es die Währung, in welcher der Wert gemessen wird, ebenfalls. Ich erhöhe auf Billionenwert. Wer geht mit?
Christoph Seidler, Deutschlands verborgene Rohstoffe, Kupfer, Gold und Seltene Erden, Carl Hansa Verlag, München, Erscheinungsdatum: 27.08.2012, 245 Seiten, farbiger Bildteil, fest eingebunden, Preis: 18,90 € (D) / 26,90 sFR (CH) / 19,50 € (A), ISBN 978-3-446-43213-0
Anmerkungen:
(1) S. 79
(2) S. 79
(3) S. 9
(4) S. 55
(5) S. 111
(6) S. 188
(7) S. 188
(8) S. 188
(9) S. 188
(10) S. 189
(11) S. 190
(12) S. 201
(13) S. 201