Denn Wetzlar – bislang beste Platzierungen jeweils 11. (2006 und 2011) – hat mit den Berlinern den Platz getauscht und ist nach 13 Partien nun Dritter (19:7). Vor den Startern in der Champions League Berlin (4./18:8), Flensburg (5./16:8) und Hamburg (6./16:10.).
Diese drei Mannschaften gehören neben Überflieger THW Kiel (in der Vorsaison ungeschlagen Meister sowie Pokalgewinner und Erster der Champions League) sowie dem aktuellen Spitzenreiter Rhein Neckar Löwen zu den sogenannten „big five“ der Liga. Und normalerweise außerhalb des Leistungsvermögens der restlichen Konkurrenz!
Dass die Handball-Gemeinschaft aus dem hessischen 55 000-Einwohner-Städtchen jedoch in diesem Spieljahr durchaus dazu in der Lage ist, hat die „graue Maus der Liga“ heuer schon vor dem Auftritt in der Hauptstadt nachgewiesen. Mit Erfolgen über Hamburg, Magdeburg, Göppingen und dem Punktgewinn gegen die starken Flensburger.
Die Handball-Füchse waren also durchaus gewarnt. Zumal Wetzlar dank personeller Verstärkungen – Michael Müller (RN Löwen), Tobias Reichmann (Kiel), Jens Tiedtke (TV Großwallstadt) – offenbar eine neue Qualitätsstufe erreicht hat. Und in Berlin vor knapp 6400 Zuschauern völlig verdient gewann. Die Gastgeber führten nur zu Beginn und noch einmal 12:11 und lagen ansonsten mehrfach mit drei Toren hinten. Die Gäste ließen sich weder von „Schieber- Schieber“-Rufen fanatischer Zuschauer gegen die davon unbeeindruckten Unparteiischen von ihrer Linie abbringen, noch vom fragwürdigen Lamentieren durch Torhüter Silvio Heinevetter und dem Disput während des Spiels durch Berlins Trainer Dagur Sigurdsson mit einem Gästeakteur…dass Heinevetter nach Schluss nach einem verbalen Austausch von Nettigkeiten mit Müller, bekanntermaßen kein Kind von Traurigkeit, von Kollegen und dem Vereinsboss nur mühsam davon abgehalten werden konnte, auf jenen loszugehen, unterstreicht Heinevetters kritikwürdige Exzentrik.
Auch wenn Berlins Nationalspieler Sven-Sören Christophersen hinterher erklärte, „dass bei uns vielleicht bis auf Jaszka und die Torhüter keiner Normalform erreichte“ – Berlin war auch auf dieser Position schwächer als der Sieger. Heinevetter und sein Wechsel-Kollege Petr Stochl – jener eher in Normalform-, wurden auf der Gegenseite von Nikola Marinovic klar übertroffen. Der Mann mit österreichischem Pass und einer Augen-Schutzbrille konzentrierte seine Energien ohne Theatralik auf die Kernaufgabe – Tore verhindern. Wie er mehrfach gegen die völlig frei am Kreis auftauchenden Christophersen, Jaszka, Laen oder Nincevic parierte, war großartig.
Situationen, von denen das Berliner Lager – Spieler, Trainer, Geschäftsführer Bob Hanning – fast wortgleich meinte, da hätte man „einfach zu viele Bälle sprich Chancen liegen gelassen“. Sigurdsson monierte zudem, dass „unser Rückraum zu wenig Druck auf des Gegners Deckung ausgeübt hat und auch haben wir es nicht verstanden, die schnellen Gegenstöße von Wetzlar zu verhindern.“
Weil Hamburg, Flensburg, selbst Kiel in jüngster Zeit Aussetzer hatten und Berlin zuvor gegen Zagreb und Lemgo erst dank Kraftakten gewann, darf man vermuten, dass sie wie die Füchse in der Liga den Preis für die extremen Belastungen der Champions League zahlen!?
Berlins Rückraum-Ass Christophersen will nicht, dass man die Niederlage gegen Wetzlar in diesen Zusammenhang stellt: „Klar, schlaucht die Zusatzbelastung durch die Champions League. Und klar, heute waren wir nicht frisch und konzentriert genug und haben keine gute Leistung geboten. Aber es klingt nach Ausrede, wenn wir die Niederlage auf die Umstände schieben. Und nicht zuerst bei uns beginnen oder den starken Gegner anerkennen.“ Während Wetzlar, fokussiert auf die Liga, auf die bekannten Spielzüge und Eigenheiten der Füchse bestens vorbereitet schien, ließ sich Berlins Abwehr, die Basis des Aufstiegs, ein ums andere Mal ausspielen.
Wetzlars Kreisläufer Jens Tiedtke erklärte den allgemeinen Aufwärtstrend so: „Wir haben nun einen ausgeglichenen Kader, in dem die Chemie stimmt. Die Abwehr ist stabil und der variable Angriff schwer zu stoppen.“ Mit seinem Tipp „Sieg mit mindestens einem Tor Vorsprung“ traf er 100%ig ins Schwarze. Saisonziel sei, der „möglichst frühe Klassenerhalt“.
Was auch Wetzlars Trainer Kai Wandschneider in den Vordergrund stellte: „Das war unser Anspruch vor der Saison. Nun rangieren wir mit 19:7 Punkten mit ganz vorn und haben zum dritten Male gegen einen Gegner aus den big five gepunktet…einfach Wahnsinn, wo wir im Vorjahr noch gegen die Spitzenmannschaften eine Bilanz von 0:20 Punkten hatten.“
Gegen Berlin habe er eine „Wahnsinns-Leistung“ seiner Schützlinge gesehen, „die mit Herz und Verstand in einem emotionalen Kampfspiel“ aufgetreten seien. Natürlich sei klar, dass „auch Rückschläge und Niederlage kommen. Aber die aktuelle Situation wollen wir genießen und möchten beim Klassenerhalt als erstes Ziel vorerst bleiben.“