Die Königinnen der Merowinger – Adelsgräber aus den Kirchen von Köln, Saint-Denis, Chelles und Frankfurt vom 10. November 2012 bis 24. Februar 2013

© Archäologisches Museum Frankfurt

Das Frankenreich der Merowinger, aus dem die heutigen Länder Frankreich und Deutschland hervorgingen, ist bekannt für seine machthungrigen und rücksichtslosen Könige, die reges criniti mit den für Römer barbarisch langen Haaren. Aber auch ihre Frauen standen ihnen an Machtwillen und Ehrgeiz kaum nach. Intelligenz, Bildung und Tatkraft – das sind die Merkmale vieler merowingischer Königinnen des 6. und 7. Jahrhunderts im Frankenreich. Bei keiner anderen Dynastie der germanischen Völkerwanderungsreiche wissen wir so viel über Königinnen, Konkubinen und Königstöchter wie bei den Merowingern. Das liegt zum einen an der großen ’Frauenbegeisterung` ihrer Könige, vor allem aber an Bischof Gregor von Tours (* 538/39, Bischof 573–594), dem großen Chronisten der merowingischen Königsfamilie im 6. Jahrhundert.

Im Vergleich mit den anderen Dynastien des Frühmittelalters waren die Königinnen der Merowingerfamilie ziemlich einflussreich: Sie hatten einen eigenen Hofstaat mit Beamten und einem Verwalter ihres Vermögens. Das bestand neben einem Königinnenschatz mit Schmuck, Pretiosen, Münzgeld und kostbaren Gewändern auch aus Landbesitz und Steuereinkünften. Damit konnten die Königinnen ihre Machtposition stärken. Oft werden sie als Gründerinnen von Kirchen und Klöstern genannt, die für das Seelenheil der Königin und ihrer Familie beteten.  

Insgesamt sieben Mal in der ungefähr 270-jährigen Geschichte der Merowinger kam es zu Regentschaften der königlichen Mütter oder Großmütter für einen minderjährigen Königssohn oder Enkel. Die Regentschaft der Königin Balthilde (”  680) im 7. Jahrhundert für ihren Sohn Chlothar III. (657–673) war dabei sicher die folgenreichste.

Doch nicht nur in der historischen Überlieferung, sondern vor allem auch im archäologischen Befund ihrer Grablegen und Grabausstattungen ragen die Königinnen der Merowinger aus der Masse hervor und sind den Königs- und Fürstengräbern absolut gleichwertig. Drei dieser Königinnen aus dem 6. und 7. Jahrhundert n. Chr. geben sich im Archäologischen Museum Frankfurt ein Stelldichein: Wisigarde (”  um 540), Arnegunde (”  um 580) und Balthilde (”  680) aus langobardischem, fränkischem und angelsächsischem Adel. Das Museum präsentiert ihre überreichen Schätze aus den königlichen Grablegen unter den Kathedralen von Köln und Saint-Denis und aus der Abteikirche Notre-Dame in Chelles. Zu diesen Damen gesellen sich zwei adelige Kleinkinder des frühen 8. Jahrhunderts aus dem geheimnisvollen Doppelgrab unter dem Frankfurter Dom.

 Selten gelingt es, archäologische Funde und Befunde so spannungs- und ergebnisreich mit der historischen Überlieferung zu verknüpfen wie in dieser Ausstellung. International renommierte Historiker und Archäologen präsentieren ihre neuesten Forschungsergebnisse zu diesen exzeptionellen Grabschätzen und ihrer kulturhistorischen Stellung. Schatzkunst, Textilkunst und Trachtenkunde sowie die Sitte der Kirchenbestattung bilden dabei die Schwerpunkte. So werden diese herausragenden Frauen, ihre Persönlichkeit und ihr Schicksal wieder lebendig.

Kirchengrablegen der merowingerzeitlichen Elite:Seit dem 6. Jahrhundert suchten die Eliten, sich durch große und abgesonderte Grabbauten auch im Tode von der Menge abzuheben. Schon Chlodwig I., erst 497 getauft, ließ sich und seine Familie in der von ihm selbst erbauten Apostelkirche von Paris beerdigen. Ihm folgten im Westen die Eliten mit Grablegen in oder bei Sakralbauten, was mit der Christianisierung bald auch östlich des Rheins üblich wurde. Von der Bestattung in unmittelbarer Nähe zu Heiligengräbern und Reliquien versprach man sich Hilfe für das Seelenheil beim Jüngsten Gericht. Beliebt waren auch Bestattungen in einer Memoria, wo mit Gaben und Gebeten der Toten gedacht werden konnte. Die drei in dieser Ausstellung behandelten historisch bekannten Königinnen Wisigarde, Arnegunde und Balthilde sowie die beiden adeligen Kinder aus Frankfurt sind alle in Kirchen oder Memorialbauten des 6. und 7. Jahrhunderts bestattet worden.

Wisigarde, Arnegunde und Balthilde – die drei Königinnen in der Ausstellung: Wisigarde, die Tochter des Langobardenkönigs Wacho (510–540) und der gepidischen Prinzessin Austrigusa, wurde 531 mit dem Merowingerkönig Theudebert I. verlobt. Er heiratete sie jedoch erst um 538; wenige Jahre später um 540 verstarb sie bereits. Die 527–547 in einer frühen Kirche unter dem Kölner Dom bestattete reiche Dame kann mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Wisigarde identifiziert werden. Es handelt sich um eine etwa 28-jährige zierliche Frau, die in königlichen Ornat mit kostbaren Gewändern und üppigem, zum Teil langobardischem und gepidischem Schmuck gekleidet war, darunter eine goldgewebte und granatbesetzte Stirnbinde (vitta), ein goldenes und edelsteinbesetztes Pektorale, silbervergoldete und almandinverzierte Fibeln, Schuhschnallen, eine Amulettbulla, Goldohrringe und -fingerringe, einen Goldarmreif sowie eine Golddrahtkette mit Münzanhänger. Dazu waren ihr eine üppige Bankettausstattung aus bronzenem Handwaschbecken, Schankeimer, Glasgefäßen und Trinkhorn sowie weiteres aus ihrem persönlichen Besitz mitgegeben worden.

Arnegunde aus einer fränkischen Adelsfamilie war die dritte Ehefrau von König Chlothar I., dem sie 534 den Sohn Chilperich I. gebar, durch den die Merowingerdynastie bis ins 8. Jahrhundert überlebte. Sie starb gegen 580, knapp 20 Jahre nach ihrem Mann. Durch einen goldenen Fingerring mit der Inschrift ARNEGVNDIS REGINE (Königin Arnegundis) konnte eine reiche Frauenbestattung in einem Sarkophag unter der Basilika von Saint-Denis, der späteren Grabkirche der französischen Könige, als die historische Königin identifiziert werden. Die Tote von 1,50–1,60 m Größe litt infolge einer Kinderlähmung im Alter von 4–5 Jahren an einer Gehbehinderung. Anhand der gut erhaltenen Textil- und Lederreste konnte eine verlässliche Rekonstruktion ihrer königlichen Kleidung mit kostbaren, byzantinischen Textilien und Lederarbeiten sowie reichem Schmuck durchgeführt werden. Auch sie trug eine seidene Stirnbinde (vitta) mit Goldstickerei. In der Ausstellung wird auch ihr sorgfältig gearbeiteter Sarkophag aus burgundischem Kalkstein gezeigt – erstmals außerhalb Frankreichs.
 
Die dritte hier ausgestellte Königin ist Balthilde aus angelsächsischem Adel, die um 641 als junges Mädchen (als Sklavin?) an den Hof in Paris/Soissons kam und um 650 als etwa 15-Jährige mit dem 16-jährigen Chlodwig II. vermählt wurde, dem sie drei Söhne gebar. Nach dem frühen Tod Chlodwigs 657 übernahm sie für ihren unmündigen Sohn Chlothar III. die Regentschaft, musste sich aber 665 aus politischen Gründen in das von ihr gegründete Kloster Chelles zurückziehen, wo sie noch bis 680 lebte. Hier wurde sie in der Kirche Ste-Croix beigesetzt; ihre Gebeine und Gewänder wurden als Reliquien verehrt. Als Königin hatte sie sich u. a. der Förderung der irofränkischen Kloster- und Frömmigkeitsbewegung gewidmet und zwei Klöster gestiftet.

Aus Balthildes Hinterlassenschaften werden ihr königlich bestickter Überwurf, ein großer Seidenmantel mit kleiner Goldfibel, gewebte Bordüren sowie eine blonde Haarsträhne mit Seidenband gezeigt. Aus Norwich kommt der goldene Einsatz eines doppelseitigen Siegelrings mit ungewöhnlichen Bildmotiven und der Aufschrift „Baldehildis“, den sie vermutlich als Königin getragen hatte.

Hofherrin, Wirtschafterin, Magd – die Hierarchie der Frauen im Merowingerreich:Den Grabschätzen der Königinnen werden in der Ausstellung drei Frauengräber niedrigerer Ausstattung aus Eltville und Frankfurt-Nieder-Erlenbach gegenübergestellt, die die unteren Stufen der weiblichen Hierarchie im 6. und 7. Jahrhundert spiegeln: die Hofherrin, die Wirtschafterin und die unfreie Magd. Sie übten unterschiedliche Funktionen auf den Hofgütern der Eliten auf dem Land aus.

Zwei adelige Kinder vom königlichen Fiskalhof Franconofurd, die 1992 in einem Grab unter dem heutigen Frankfurter Dom entdeckt wurden, repräsentieren in dieser Ausstellung die Kindheit, die in der Merowingerzeit mit etwa 6 Jahren endete. Mündig und heiratsfähig waren Heranwachsende mit etwa 14 Jahren. Die Besonderheit dieser Grablege des frühen 8. Jahrhunderts als äußerst seltene birituelle Doppelbestattung wird noch gesteigert durch den fürstlichen Reichtum des kleinen 4–5-jährigen Mädchens, das sicherlich aus der Familie des adeligen Verwalters von Franconofurd stammte, mit Gold- und Silberschmuck und üppigen Speisebeigaben, sowie durch die fremdartige altgermanische Sitte der Brandbestattung in einem Bärenfell des zweiten gleichaltrigen Kindes unbekannten Geschlechts, das im selben Sarg neben das Mädchen gelegt worden war. Über beide Kinder hatte man ein Tuch mit einem goldgewebten Kreuz gebreitet, was der Gesamtbestattung einen christlichen Charakter verlieh. Noch 150 Jahre später wurden diese Kinder verehrt, als Ludwig der Deutsche die neue Pfalzbasilika exakt über dem alten Grab platzierte.

Die Ausstellung wird ermöglicht durch: Kulturfonds Frankfurt RheinMain GmbH; sie wird gefördert von: Europa Kulturtage 2012 der Europäischen Zentralbank – Faszinierendes Frankreich. Die Leihgebr sind:Grab der Wisigarde unter dem Kölner Dom: Metropolitankapitel der Hohen Domkirche Köln, Domschatzkammer Köln;Grab der Arnegunde aus der Basilika von Saint-Denis: Basilique-cathédrale de Saint-Denis, Direction Régionale des Affaires Culturelles d’íŽle-de-France, Musée d’Archéologie nationale de Saint-Germain-en-Laye, Sammlung L. Bruno France-Lanord; Grab der Balthilde aus Chelles: Direction Régionale des Affaires Culturelles d’íŽle-de-France, Musée Alfred Bonno Chelles, Norwich Castle Museum & Art Gallery ;Doppelgrab unter dem Frankfurter Dom: Archäologisches Museum Frankfurt, Dommuseum Frankfurt. Weitere Leihgeber: Musée Départemental des Antiquités Rouen, Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, Stadtmuseum Wiesbaden.
 
Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog beim Schnell und Steiner-Verlag, Regensburg, Preis in der Ausstellung: € 19,95 (Autoren: Ronny Decorte, Martina Hartmann, Ursula Koch, Jean-Pierre Laporte, Britt Nowak-Böck, Patrick Périn, Tim Pestell, Sebastian Ristow, Ina Schneebauer-Meißner, Nancy Vanderheyden, Egon Wamers, Michaël Wyss).

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