Deutschland soll Angehörigen von in Konzentrationslagern umgekommenen Militärinternierten aus Italien Entschädigungen zahlen

KZ Dachau, Stacheldraht. Quelle: Pixabay, Foto: Jordan Holiday

Berlin, BRD (Weltexpress). Mehr als 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs hat ein Gericht in Rom die Bundesrepublik Deutschland (BRD) verurteilt, den Erben des italienischen Soldaten Dino Pazzato, der 600 Tage in einem Konzentrationslager des faschistischen Deutschen Reiches inhaftiert war und nachdem er sich von den Folgen nie erholte,1982 Suizid beging, eine finanzielle Entschädigung von 82 000 Euro zu zahlen. Das Gericht wertete die monatelange Inhaftierung in Konzentrationslagern des Deutschen Reiches als Kriegsverbrechen und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das Gericht und führte unter anderem an, dass bereits die Tatsache, dass die gefangenen italienischen Soldaten willkürlich als IMI (Italienische Militärinternierte) einstuft wurden – also als eine eigene Kategorie, getrennt von Kriegsgefangenen -, mit der ihnen bewusst der internationale Schutz entzogen wurde, der ihnen als Kriegsgefangene zugestanden hätte. Im konkreten Fall sei zudem der Verstoß gegen internationale Konventionen sowie deren Missachtung und die Unterwerfung unter Bedingungen der Sklaverei nachgewiesen worden.

Es handelt sich um keine Einzelfälle. Nach dem Waffenstillstand vom September 1943, mit dem das Königreich Italien aus der Achse mit Berlin ausbrach, besetzte die Hitlerwehrmacht Nord- und Mittelitalien und entwaffnete die 3,5 Millionen Mann starken italienischen Streitkräfte, wogegen sich Hunderttausende italienische Soldaten zur Wehr setzten. Das bezahlten im Königreich Italien 11 400 gefangene Soldaten und Offiziere mit ihrem Tod. Tausende wurden auf dem Balkan umgebracht. Allein auf der griechischen Insel Kephallenia, wo die Italiener sich sieben Tage in erbitterten Kämpfen der Entwaffnung widersetzten, metzelte die Gebirgsdivision Edelweiß Wehrmacht über 4 000 Gefangene nieder. Fast 5 000 waren vorher in den Gefechten gefallen. Der Kommandeur der Division Perugia, General Ernesto Chiminello, wurde mit 120 seiner Offiziere, nachdem sie den Kampf eingestellt hatten, umgebracht. Nach Augenzeugenberichten enthauptete man zahlreiche Offiziere vor versammelter Truppe. Der vom Körper getrennte Kopf des Generals wurde wie eine „blutige Trophäe“ zur Schau gestellt. 60 der ermordeten Offiziere in Säcke eingenäht und im Meer versenkt. Der Militärhistoriker Gerhard Schreiber hielt fest, dass „die Erschießung kriegsgefangener Offiziere sich nur als Mord bezeichnen lässt“ und es sich „stets und zweifelsfrei um ein Verbrechen“ handelte. Er verwies auf den internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg, der feststellte, die italienischen Truppen, die sich der Entwaffnung durch die Wehrmacht widersetzten, „erfüllten hinsichtlich ihres Status als Kriegführende alle Bedingungen der Haager Konvention“.1 Als sich mehr als 600.000 in Gefangenschaft nach Deutschland verbrachte italienischen Soldaten überwiegend weigerten, an der Seite der Wehrmacht weiter zu kämpfen, wurden 30.000 von ihnen umgebracht und über 60.000 in Konzentrationslager verschleppt.

Die Bundesrepublik weigerte sich immer, wie gegen jegliche Opfer von Kriegsverbrechen der Wehrmacht auch für die Militärinternierten Entschädigungen zu zahlen. Nicht nur das, besaß sie obendrein die Unverschämtheit, gegen Italien in der Auseinandersetzung um solche Zahlungen 2022 vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag (IGH) Klage zu erheben, weil italienische Gerichte mehr als 25 Verfahren gegen Deutschland zugelassen hatten. Es hatte allerding schlechte Karten, denn der IGH hatte bereits 2012 entschieden, dass für italienische Militärinternierte, wie andere NS-Opfer, gemäß dem Rechtsgrundsatz der Staatsimmunität in Privatklagen erstrittene Urteile unwirksam sind. Damit werden die Angehörigen des Opfers von NS-Kriegsverbrechen Dino Pozzato ebenfalls leer ausgehen.

Anmerkung:

1 Gerhard Schreiber, Deutsche Kriegsverbrechen in Italien, Täter, Opfer, Strafverfolgung, München 1996.

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