Madeira – entzückt wie Sissi und Kaiser Karl

Die Abfahrt von Monte erfolgt im Korbschlitten.

Ein frischer, lauer Wind weht mir um die Ohren, Blumen- und Kräuterdüfte umschmeicheln die Nase und meine Augen können sich an den bizarren, zerklüfteten Konturen der madeirischen Küste kaum satt sehen. Roland Bachmeier hatte mir vor wenigen Minuten in Funchal den Schlüssel eines Triumph TR6 Cabrio aus den frühen 70er Jahren in die Hand gedrückt und gemeint, dies wäre genau das rechte Fahrzeug, um die ewige Frühlingsinsel zu erkunden. Meine anfängliche Skepsis, ob denn der betagte Schlitten die teils steilen Straßen der aus vulkanischen Erosionsresten bestehenden Region auch meistern könne, lösen sich mit jedem gefahrenen Meter in der jodhaltigen Atlantikluft auf. Die 140 PS halten, was sie versprechen. An der Ponta de Sao Lourenco malt die Sonne mit den aus dem Meer ragenden Felsspitzen ein traumhaftes Panorama. Im Nordwesten sammeln sich dagegen dunkle Wolken zu einem Generalangriff. Jede Ecke dieser gerade einmal 57 mal 22 Kilometer großen Insel hat nicht nur ihre eigenen landschaftlichen Reize, sondern auch ihr eigenes Mikroklima. Während es im Norden wie aus Kannen gießen kann, sonnt man sich im Süden auf der Strandliege oder genießt den Afternoon Tea auf der Terrasse des berühmten „Reid ´s Palace“ Hotels wie einst Coco Chanel oder Winston Churchill. Der sonst abgeklärte Prime Minister soll dem Erzählen nach vom Charme der Insel so verzückt gewesen sein, dass er seine Zigarren beiseite gelegt und zu Pinsel, Leinwand und Farbe gegriffen hat. Fotos in den Wandelgängen des hoch über dem Atlantik thronenden Reid ´s, das in diesem Jahr sein 120stes Jubiläum begeht, bezeugen diese künstlerische Anwandlung Churchills.

Über den Dächern von Funchal

Um mich auf die Spuren weiterer Berühmtheiten der Geschichte zu machen, tausche ich mein Cabrio gegen einen Sitz in der Teleferico, einer Kabinengondel, die mich mit grandiosen Blicken über die Dächer der Hauptstadt hinauf zum Botanischen Garten in Monte trägt. Beim Lunch in der Quinta do Monte weiss Matthias Günther, der Portugal-Kenner bei der TUI, zu berichten, dass Monte als die absolute „Must-Destination“ des britischen Adels vor 100 Jahren galt. Auch Sissi erholte sich hier von ihrer Schwiegermutter und der letzte Kaiser Karl I. von Österreich, fand in seinem unfreiwilligen Exil in der Kirche „Nossa Senhora do Monte“ 1922 seine letzte Ruhestätte, nachdem er zur Abdankung gezwungen worden war. Während sich Sissi und Karl noch in Sänften auf die Anhöhe und hinab tragen ließen, nutzte Ernest Hemingway bereits ein ganz anderes Verkehrsmittel, das auch heute noch zu den merkwürdigsten fahrbaren Untersätzen weltweit gehört: einen Korbschlitten. Und so entscheide auch ich, mich zwei Korblenkern anzuvertrauen und in dem geflochtenen Gefährt auf zwei Kufen den Rückweg nach Funchal anzutreten. Hinab geht die Fahrt durch enge Gassen und Wege und es ringt einem Respekt ab, wie geschickt die beiden „Carreiros“ den schlitternden Wäschekorb ohne Bremsen auf der schmalen Piste manövrieren ohne an- oder die Böschung hinab zu fahren.

Nach dieser aufregenden Tour ist es Zeit für ein gutes Tröpfchen und was liegt auf der Insel näher als ein Gläschen Madeira? Im Zentrum Funchals muss man nicht lange suchen, um auf die „Old Blandy Wine Lodge“ zu treffen, in der 700.00 Liter des schweren Likörweins lagern, dessen Geschmacksnoten von trocken bis süß reichen: Sercial, Verdelho, Bual und Malmse. Die edelste Variante sind mehr als 20 Jahre in alten amerikanischen Eichenfässern gelagerte Vintage-Weine. Selbst Abfüllungen aus dem Jahr 1908 warten noch auf ihre Entdecker.

Natur – fast pur

Nun zieht es mich in den Westteil Madeiras. Die asphaltierte Straße führt durch terrassenförmig angelegte Wein-, Zuckerrohr- und Bananenplantagen, gesäumt von Avocado- und Papayabäumen, vorbei an Ananas- und Blumenfeldern. Nach einem Halt an Europas höchster Steilküste am Cabo Girao und einem kurzen Abstecher zur beeindruckenden Kunstsammlung „Berardo“ im „Centro das Artas“ von Calheta wehen mir in Porto Moniz kräftige Böen entgegen. Gähnende Leere in den zwischen vulkanischen Felsbrocken angelegten Badestellen, in die vom Sturm aufgepeitschte Meereswellen hinein schwappen. Aber es gibt ausreichend gemütliche Restaurants und kleine Hotels, wie das „Galo Resort“, um die kühle Brise auszusitzen. Hier trifft man oft auf deutsche Landsleute, die sich auf der Insel niedergelassen haben.

Auch Wandern kann man bei jedem Wetter. Als wir uns am nächsten Morgen in dem kleinen Restaurant „Dos Amigos“ treffen, ist es gerade einmal fünf Grad warm und ein leichter Nieselregen begrüßt die kleine Wandergruppe. Von der Hochebene Paul da Serra aus treffen wir auf dem Wanderweg bald neben der allerorts präsenten Baumheide auf die ersten Blumen und Blüten: weiße Lilien, kleine Orchideen und riesige Magnolienbäume. In der Nähe eines kleinen Forsthauses treten wir in einen Märchenwald, den „Laurissilva“ ein. Jahrhunderte alte Lorbeerbäume formen ein Tunnelgewölbe, durch das ein schmaler Pfad entlang eines Bewässerungskanals – einer Levada – führt. Die von uns begangenen „Levada do Risco“ und „Levada das 25 Fontes“ gehören zu den etwa 200 Wartungswegen, die seit dem 15. Jahrhundert die Insel durchziehen und entlang der Levadas führen, die Wasser vom regenreichen Norden in den Süden leiten. Ein leichtes Gefälle und abwechslungsreiche Vegetationszonen sorgen dafür, dass die fünfstündige Wanderung bis Rabacal wie im Fluge vergeht. Madeira bietet bei jedem Wetter Abwechslung.

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I N F O S

Mit dem Roadster die Insel erkunden

Über das ganze Jahr finden auf Madeira Oldtimerrallyes statt, am bekanntesten davon ist die „Volta a Madeira“ im Juni. Wer ohne eigenes Fahrzeug teilnehmen möchte, mietet sich beispielsweise einen Triumph TR 6 im Reisebüro oder direkt bei OndaClassica (www.ondaclassica.com). Die schönsten Punkte der Insel lassen sich aber auch ganz individuell oder mit Guide im Youngtimer erkunden (nach Vereinbarung täglich ab 135,- € pro Fahrzeug).

ASI-Wanderreise „Blühende Gärten und Levadas“

Die einwöchige ASI Wanderreise „Blühende Gärten und Levadas“, der so genannte Wanderklassiker auf Madeira, führt durch kleine Dörfer entlang der Levadas, aber auch höher hinauf auf die Hochebene Paul da Serra. Das Wanderpaket kostet in der Sommersaison 2011 mit Flug, zum Beispiel ab Stuttgart, ab 1.269 Euro pro Person im Doppelzimmer mit Halbpension und Mittagseinkehr. Buchbar im TUI Reisebüro.

Golf

Jedes Jahr im März/April trifft sich die Europäische Golfelite zu den „Madeira Island Open“. Eine gute Gelegenheit, die Stars hautnah zu erleben und anschließend auf den Turnierplätzen zu spielen. Zum Beispiel im „Clube de Golf do Santo da Serra“. Der 27-Loch-Platz gehört zu den Top-100 Europas mit spektakulären Aussichten auf weite Teile der Insel (www.santodaserragolf.com). Ganzjährig bietet Madeira äußerst angenehme Temperaturen.

Andere Outdoor-Aktivitäten

Paragliding, Airplane- und Heli-Tours, Bootstouren und Scuba-Diving, Wal- und Delfin-Watching, Surfen und Hochseeangeln – es gibt kaum etwas, was man nicht auf Madeira machen kann. Bis zum Canyoning und Bergklettern reicht beispielsweise das Angebot von lokoloko Madeira (www.lokolokomadeira.com).

Blumenfest

Das Blumenfest von Funchal gehört zu den Highlights der Insel. Blumenteppiche durchziehen die Stadt und der Umzug erfreut alle Sinne (5.-8. Mai 2011 mit Umzug am 8.5.).

Unbedingt probieren

Madeira ist nicht nur die Heimat des gleichnamigen Weines. Nur auf dieser Insel gibt es eine Fischspezialität, die aus 1.500 Metern Meerestiefe kommt, der „Espada“. Sein lockeres, wohlschmeckendes Fleisch steht im Gegensatz zum eher garstigen Aussehen.

H O T E L S

Hotel Reid’s Palace ******

Nirgendwo auf der Insel Madeira ist der traditionelle Einfluss der Briten spürbarer als im vornehmen „Reid’s Palace“-Hotel. Das geht schon bei der Lage los, die der waschechte Brite, William Reid, 1891 für das Nobelhaus aussuchte: Das wunderschöne Grundstück am Rande von Funchal liegt hoch über den Klippen. Es war von Beginn an ein Publikumsmagnet, vor allem für den britischen Adel. Da ist es nur konsequent, dass heute noch der Gepflogenheit des stilvollen Teetrinkens gehuldigt wird. Täglich von 15 bis 17.30 Uhr serviert das Hotel Afternoon Tea mit frischen Scones, Gebäck und Sandwiches sowie einer Auswahl bester Tees in der Lobby beziehungsweise auf der Tee-Terrasse. Eine Nacht im Sechs-Sterne-Hotel Reid’s Palace kostet im Sommer 2011 ab 185 Euro pro Person im Doppelzimmer mit Frühstück (buchbar bei TUI).

CS Madeira Atlantic Resort *****

Das CS Madeira verfügt über das umfassendste Wellness-Angebot unter den Insel-Hotels. Im „CS Atlantic Club – Sea Spa“ sind neben den unterschiedlichsten Massage-Anwendungen u. a. auch ein Türkisches Bad, Meerwasserpools und Duschlandschaften zu finden. Eine Woche im Fünf-Sterne-Designerhotel CS Madeira Atlantic Resort bietet die TUI inklusive Flug, zum Beispiel ab Frankfurt, in der Sommersaison 2011 ab 868 Euro pro Person im Doppelzimmer mit Frühstück an.

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