Berlin, Deutschland (Weltexpress). Man ist ja inzwischen einiges gewöhnt in Deutschland; aber viele Anzeichen deuten darauf hin, dass es jetzt ernsthaft anfängt zu knirschen. So sehr, dass selbst aus dem Kern industrieller Macht Botschaften kommen, dass der Kurs geändert werden müsse. Nur keiner weiß, wie.
Die Aussagen, die in letzter Zeit aus der deutschen Industrie zu hören waren, bringen sehr zum Nachdenken. Allein, weil ihre Art ebenso ungewöhnlich ist wie ihr Inhalt. Dabei beziehe ich mich immer noch auf die gleiche Zusammenstellung: die Antwerpener Erklärung, die Neujahrsrede des BDI-Präsidenten, den Artikel im Monatsbericht der deutschen Bundesbank, und die vielfältigen Alarmmeldungen, die beispielsweise aus der Bauwirtschaft zu lesen waren.
Das, was sie so auffällig macht, ist die Abweichung vom üblichen Vorgehen. Das wird klar, wenn man einige historische Beispiele betrachtet.
Als es um die Durchsetzung von Hartz IV ging, die zentral von der deutschen Exportindustrie betrieben wurde, gab es eine langsame und relativ unauffällige Vorbereitung. Erst kamen Studien aus dieser oder jener Denkfabrik, Artikel in den Medien, die vergleichbare Modelle wie das britische „Workfare“ vorstellten, dann wurde das Thema von politischen Vertretern aufgegriffen, und schließlich am Ende in Gesetzesform gegossen. Der unmittelbare Einfluss der Industrie ließ sich nur anhand der Finanzierung des zu diesem Zwecke gegründeten „Instituts neue Soziale Marktwirtschaft“ und den Parteispenden aus der Metallindustrie nachverfolgen. Presseerklärungen, die mit der Antwerpener Erklärung vergleichbar wären, gab es nicht.
Oder nehmen wir die Autobahn-Nummer von Herrn Gabriel. Kern des Ganzen war mitnichten die Frage einer Sanierung der deutschen Autobahnen, sondern das massive Interesse der Versicherungskonzerne an Geldanlagen, die den rechtlichen Kriterien entsprechen, aber eine Rendite bieten, die über den historisch niedrigen Zinsen lag. Das Konstrukt, die Bundesautobahnen zu privatisieren und den „Investoren“ gleichzeitig eine Jahresrendite von 5 Prozent zu garantieren, freute vor allem die Allianz und ihresgleichen. Dieses Projekt wurde aber nicht durch Presseerklärungen der Versicherungskonzerne eingeleitet, sondern durch einen langsamen Aufbau einer – völlig irreführenden – öffentlichen Debatte über den Zustand der Autobahnen und die Probleme, die erforderliche Sanierung aus den öffentlichen Haushalten zu finanzieren.
Wenn man diese Vorgehensweisen nicht zum Vergleich nimmt, könnte man die Bedeutung dieser Erklärungen übersehen. Sie stehen für eine absolut außergewöhnliche Situation. Auch deshalb außergewöhnlich, weil hier Akteure, die im Normalzustand einer bürgerlichen Demokratie ihre Interessen eigentlich geradezu blind durchsetzen können, so handeln, als hätten sie keinerlei politische Einflussmöglichkeiten mehr.
Um das zu bewerten, muss man noch etwas tiefer in die Frage einsteigen, wie Klassenherrschaft im Kapitalismus funktioniert. Fälle wie der SMS-Austausch zwischen Pfizer und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sind, so skandalös sie sind, eher ungewöhnlich, und selbst schon ein Zeichen einer Ausnahmesituation. Der Trick ist nämlich nicht, dass jeder Konzern unbedingt unzählige Lobbyisten an die Front schickt. Der Trick ist, dass das jeweilige System der Produktion die Politik automatisch in ihren Handlungsmöglichkeiten begrenzt. Sprich, es gibt einen gewissen Spielraum, der auch zugunsten der Interessen der Bevölkerungsmehrheit genutzt werden kann, aber es gibt auch eine harte Grenze, die man nicht überschreiten kann, ohne das System selbst zu ändern, weil man beispielsweise den Regeln der ökonomischen Konkurrenz nicht entkommen kann, solange eine Gesellschaft auf ökonomischer Konkurrenz beruht.
Die insbesondere bei Sozialdemokraten einst beliebte Formulierung „wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es uns allen gut“ ist also nicht völlig falsch. Sie ist nur unvollständig, weil sie nie offen artikulierte, bis wohin es gut gehen kann, und sich um die Tatsache drückte, dass gelegentlich die durch diese Wirtschaftsweise entstehenden Binnenwidersprüche sich immer wieder in Krisen und Kriegen entladen, die etwas ganz anderes als „gut gehen“ erzeugen.
Natürlich ist die Politik einer Stadt, in der ein bestimmtes Unternehmen eine wichtige Rolle spielt (wie beispielsweise Audi in Ingolstadt oder VW in Wolfsburg) an das Wohl und Wehe dieses Unternehmens gebunden; allerdings auf mehrfache Weise. Da sind auf der einen Seite die Gewerbesteuereinnahmen, die einen starken Einfluss auf den städtischen Haushalt haben und mit bestimmen, wie viel Geld für eigene Entscheidungen zur Verfügung steht (das deutsche Steuersystem ist, was wenige wissen, so gestaltet, dass die Kommunen von der Einkommensteuer nur einen Anteil bis zu einer Kappungsgrenze behalten, die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ist; vor Jahren lag sie in Bayern einmal bei 30.000 Euro; das hat beispielsweise zur Konsequenz, dass es nichts nützt, auf die Ansiedelung von möglichst vielen Millionären aus zu sein, weil sie auch nicht mehr einbringen als ein Facharbeiter). Da ist andererseits der Konsum der Beschäftigten, der sich darauf auswirkt, wie viele Bäcker, Autowerkstätten oder Gaststätten es gibt. Sprich, sowohl die Gewinnsituation als auch die Einkommensentwicklung der Beschäftigten wirken sich auf die Möglichkeiten aus, die in einer Kommune bestehen.
Dabei lässt sich unschwer erkennen, dass zwei Situationen vermieden werden müssen. Zum einen alles, was dazu führt, dass die Firma schließt oder abzieht, weil dann tatsächlich der Boden wegbricht, und zum anderen, dass die Einkommen der Beschäftigten so schlecht sind, dass all die anderen Teile der Wirtschaft, die davon abhängen, zusammenbrechen.
Letzteres ist etwas, was in Deutschland seit Jahren bereits geschieht. Eines der Ergebnisse der Entwicklung, die mit Hartz IV zumindest einen deutlichen Schub erhalten hat und seit den Corona-Maßnahmen auf Turbo läuft. Wenn die Innenstädte veröden, ist das in der Regel ein deutliches Zeichen massiven wirtschaftlichen Verfalls. Egal, was man über Trends und Online-Handel erzählt, genau dieses Phänomen konnte man schon Jahrzehnte davor beispielsweise in den britischen Bergarbeiterstädten beobachten, oder in Detroit, das mit der US-Automobilindustrie unterging; zu Zeitpunkten, als all diese „Trends“ noch gar nicht erfunden waren.
Aber zurück zum strategischen Dilemma. Seitens der deutschen Industrie bedeutete die Entscheidung für das systematische Drücken der Löhne im Interesse eines höheren Exports eine strategische Entscheidung, die um den Preis einer massiven Beschränkung der strategischen Flexibilität erfolgte. Exportquoten von bis zu 60 Prozent können eine Zeit lang retten, verbauen aber auch, weil sie auf einer solchen Lohnsenkung beruhen müssen, die Möglichkeit, im Bedarfsfall den Binnenmarkt zu stärken; der wird durch eine derartige Entscheidung geradezu ausgedörrt. Hartz IV war übrigens nicht der erste Fall, in dem in diese Richtung gegangen wurde. Jahrzehnte davor verfolgten die berüchtigten Brüningschen Notverordnungen, die politisch das Ende der Weimarer Republik vorbereiteten, das gleiche Ziel: die deutsche Wirtschaft durch eine Ausweitung des Exports zu stabilisieren, um den Preis deutlicher Lohndrückerei und entsprechender Verelendung.
Das ist wohl die deutsche Neigung zu Extremen. Es sind die Folgen einer solchen Entscheidung, die eine Umkehr schwierig machen. Denn wenn beispielsweise alle kleinen Lebensmittelgeschäfte erst einmal verschwunden sind, weil große Teile der Bevölkerung auf die billigeren Discounter angewiesen sind, dann lassen sie sich nicht einfach zurück ins Leben rufen, nur weil man entsetzt feststellt, dass man plötzlich an einigen Stellen ein Versorgungsproblem hat. Eigentlich eine Banalität – jede Entscheidung, die man trifft, schränkt das Spektrum zukünftig möglicher Entscheidungen weiter ein. Manche tun das aber stärker als andere, und die Orientierung auf die Exportwirtschaft hat eine ganze Reihe langfristiger Folgen, die zu beseitigen nun ausgesprochen schwierig ist.
Jedenfalls, die Bindung der politischen Entscheidungsmöglichkeiten an das ökonomische System sorgt weitgehend von alleine dafür, dass gegen die Interessen der wirtschaftlich herrschenden Klasse nur begrenzt verstoßen wird. Fälle wie der New Deal von Roosevelt sind die absolute Ausnahme; bis 1974 lag der Spitzensteuersatz in den USA bei 94 Prozent, ein solcher Wert war nur unter den Bedingungen einer massiven Krise durchsetzbar. Bedingungen, die in der Finanzkrise von 2008 nur zu Teilen gegeben waren, weshalb derartige Maßnahmen, die womöglich zur Krisenbekämpfung gedient hätten, nicht möglich waren.
Es gibt aber noch eine zweite strategische Entscheidung in diesem Zeitraum. Manche mögen sich noch daran erinnern – die Auflösung der Deutschland-AG. Mit diesem Begriff bezeichnete man damals die enge Verflechtung zwischen deutschen Konzernen und Banken; eine Unmenge wechselseitiger Beteiligungen, die dafür sorgten, dass durch eine einheitliche Strategie eine Macht entstand, die die rein ökonomischen Dimensionen überstieg und gleichzeitig langfristige Strategien, wie die Bewahrung einer relativ großen industriellen Basis gerade im Bereich Stahl, möglich machte. Mitte der 2000er schielte dieses Konglomerat sehnsüchtig über den Atlantik auf die enormen Gewinnspannen, die innerhalb der Finanzwirtschaft lockten, und beschloss, das Geflecht über einen – dank Schröder auch noch steuerfreien – Verkauf dieser Anteile aufzulösen, um mit dem Erlös dann auf den Kapitalmärkten spielen zu können.
Das Casino lief ja auch gut. Eine Zeit lang. Dann, ab 2008, nur noch durch Subventionen. Subventionen, die logischerweise, weil über die Politik der US-Zentralbank vermittelt, letztlich aus dem Steueraufkommen der US-Bürger stammten; der Preis für die Beteiligung an diesem Zombie-Casino, sprich für die Rettung des dort gesetzten Geldes, war eine wesentlich engere Bindung an die USA. Man kann nicht einmal sagen, dass eine derartige Anforderung illegitim wäre, die deutschen Spieler profitierten überproportional von diesem fremden Geld, aber natürlich hatte auch diese strategische Entscheidung ihren Preis, und mittlerweile wird sichtbar, dass er nicht mehr bezahlt werden kann.
Einige der Konzerne, die auf der Liste der Antwerpener Erklärung stehen, haben einen hohen Anteil an Renteneinnahmen, sprich, ihre Gewinne stammen aus Patenten und anderen Formen des geistigen Eigentums. Das betrifft weniger ArcorMittal oder Heidelberger Zement, aber sehr ausgeprägt Chemie- und Pharmaindustrie. Diese Bereiche sind allein durch die Art ihrer Einnahmen auf den Geldeintreiber angewiesen. Wenn aus diesen Sparten jetzt eine Botschaft erfolgt, die im Kern bedeutet, sich von den Vereinigten Staaten zu lösen, ist das ein Ausdruck extremer Verzweiflung.
Vor allem, da einige der beteiligten Konzerne, die ganze Liste der IG-Farben-Nachfolger Bayer, BASF, Lanxess etc., über viele Jahrzehnte hinweg Kern, ja sogar Ursprung der transatlantischen Orientierung waren. Die Etablierung des Naziregimes, die Kooperation mit Rockefeller, ja selbst den Ursprung der CIA eingeschlossen, die immerhin von Allan Dulles geformt wurde, der zuvor in der New Yorker Anwaltskanzlei Sullivan & Cromwell die IG Farben betreute. Nicht zu vergessen, dass auch die Dokumente, die ein gewisser Wehrmachtsgeneral namens Reinhard Gehlen den Amerikanern übergab, die die Wende zum Kalten Krieg einleiteten, das Produkt von Verabredungen innerhalb dieser Dulles-IG Farben-Verbindung waren, und ganz nebenbei der Plan B der Nazielite. Aber das ist ein anderes Thema.
Wenn man diese Botschaften aus der Industrie übersetzen wollte, lauteten sie: Wir wissen, dass die USA verloren haben, wir wissen, dass nicht nur unsere Gewinnspannen, sondern unsere schiere ökonomische Existenz auf dem Spiel stehen, wenn wir diese Bindung weiter fortsetzen, weil sich die globalen Kräfteverhältnisse zu schnell ändern, wir wollen, wir müssen da raus.
Sicher, kann sein, dass das nicht ganz so klar ist, auch meine Deutung ist nur eine der möglichen, aber es macht Sinn, diesem Gedanken zumindest einmal bis zum Ende zu folgen. Denn ab diesem Punkt wird die Sache wirklich schwierig.
Das erste Problem, und das ist schon ziemlich groß, ist, dass es, egal wie man die deutsche Parteienlandschaft würfelt, keine politische Kraft gibt, die im Stande wäre, diese Kehrtwende durchzuführen. Das ist ein absurdes Ergebnis, weil es dem normalen Wirkmechanismus völlig widerspricht. Aber da stolpern diese Konzerne über ein Hindernis, das sie selbst mit geschaffen haben.
Im Grunde ist die gesamte politische und ökonomische Lage seit 2008 völlig absurd, denn, was damals zu Tage trat, war eine Funktionsunfähigkeit; kein Schnupfen, sondern eher eine beidseitige Lungenentzündung, und seitdem werden weite Teile der Ökonomie nur künstlich am Leben erhalten. Das ist nun aber schon einige Tage her, was bedeutet, dass sich in vielen Bereichen des gesamten Steuerungsapparats Leute befinden, die die Regeln des normalen Funktionierens gar nicht mehr kennen. Das ist einer der Gründe, warum die Kalkulationen über die Folgen der Sanktionen gegen Russland so weit daneben lagen. Gleichzeitig brauchte es schon zur Durchsetzung von Hartz IV eine tiefe Ideologisierung, und bei der Durchsetzung der für die Stabilisierung des Kolonialsystems zentralen Klimanummer erst recht.
Obendrauf kommt dann noch die Tatsache, dass die ganze Gesellschaft bereits seit vielen Jahrzehnten durch unzählige Bullshit Jobs stabilisiert wurde, eigentlich unnötige Tätigkeiten, die aber in der Regel besser bezahlt werden als die wirklich produktiven (das Buch von David Graeber ist eine unbedingte Leseempfehlung). Eine Variante dessen ist, dass in der Sozialpolitik Armutsbekämpfung nie darin besteht, die Armen weniger arm zu machen, sondern immer in der Schaffung neuer Stellen für Sozialarbeiter, die immerhin noch etwas besser bezahlt werden als die Armen, mit denen sie sich beschäftigen, wenn auch nicht viel. Graeber führt in seinem Buch sogar ein Beispiel aus der Bundeswehr an, in dem eine externe Firma beauftragt werden muss, um zwei Computer ein paar Räume weiter zu tragen…
Hartz IV war ein absoluter Bruch mit dem gesamten Selbstbild der Bundesrepublik davor. Wobei ein weiterer Faktor, der dazu führte, die Zerstörung der Industrie auf dem Annektionsgebiet und die daraus resultierende hohe Arbeitslosigkeit war, und die Notwendigkeit, die politische Spaltung zwischen Ost und West möglichst tief zu verankern. Das war immer noch eine Folge der 1990 aufgezwungenen Westbindung. Um diesen tiefen Eingriff durchzusetzen, musste eine rigide Kontrolle über die Medien etabliert werden, die auf der einen Seite die Geschichten lieferten, die der Verarmung größerer Bevölkerungsteile eine gewisse Rechtfertigung verleihen sollten, und auf der anderen Seite den Widerstand dagegen möglichst unsichtbar machen. Eine Entwicklung, die sich seither nur weiter verschärft hat, weil sie dann mit anderen, in eine ähnliche Richtung gehenden Manövern aus der transatlantischen Ecke verschmolz und durch die Absturzpanik einer Zwischenschicht, die sich zu guten Teilen aus Bullshit-Jobbern zusammensetzt, noch einmal massiv verschärft wurde.
Die Wende hin zu massiver transatlantischer Propaganda war eine weitere Notwendigkeit, die sich daraus ergab, dass es eben keine Wiedervereinigung war, sondern eine Annektion. Andernfalls wäre das Propagandaniveau in den deutschen Medien eher gesunken, weil die ursprüngliche Konfrontation verschwunden war. In dieser Phase kann man jedenfalls sagen, dass die Antwerpener Akteure klare Vertreter dieser Westbindung waren – und ganz nebenbei bei der Plünderung des DDR-Volksvermögens einen ordentlichen Schnitt machten. Auch die Propagandisierung der Medien war in ihrem Sinne, und dass mit den Antideutschen und den ganzen US-finanzierten NGOs gewissermaßen in Gestalt der CIA das Kind ihrer eigenen geopolitischen Intrigen der 1930er und 1940er die deutsche Linke ausschaltete, war ihnen mit Sicherheit ebenfalls willkommen.
Nur, dass es ihnen jetzt auf die Füße fällt. Der Auslöser für den Wunsch nach einer Kehrtwende ist wirtschaftlich, nicht politisch. Die Entwicklungen der vorangehenden Jahrzehnte haben aber dazu geführt, dass der normale Mechanismus zur Durchsetzung der Interessen in diesem Falle nicht mehr funktioniert, weil es zum einen zu viele Ideologen sind, die die deutschen Parteien beherrschen, und zum anderen zu viele zu tief in den transatlantischen Beziehungen stecken, oder zur Gänze nur noch von außen gesteuerte Marionetten sind (das Puppenhafte zieht sich teils bis in die Physiognomie). Die gesamte politische Landschaft erinnert an eine Titanic, die vom Eisberg weiß, auf den sie zusteuert, aber gar nicht mehr die Fähigkeit besitzt, das Steuer zu drehen. Nicht einmal eine Koalition aus AfD und BSW würde genügen. Und der vertraute, langsame, geschickte Aufbau, der normalerweise derartigen Manövern vorausgeht, scheitert schon an der Mentalität der Medienproduzenten.
Auf eine durchaus tragische Weise ist das wie in der Geschichte vom Zauberlehrling, nur dass weit und breit kein Meister zu finden ist. Nun, kein Problem, könnte man denken, dann macht man eben eine neue Partei auf, oder eine Bewegung, oder sorgt für strategische Bündnisse.
Aber auch das ist auf eine sehr grundlegende Weise nicht mehr möglich. Auf der Linken konnte man das Phänomen schon länger beobachten, dass jeder Versuch einer realen Neuformierung sofort angegriffen und unterwandert wird. Wenn man die Entwicklung rund um die Werteunion betrachtet, gewinnt man den Eindruck, dass das inzwischen auf der Rechten nicht anders aussieht. Das, was da herangezogen wurde, in dem Geflecht aus Verfassungsschutz und Nebengeheimdiensten, läuft längst auf Automatik und zerstört alles, was in irgendeiner Weise von der offiziellen Linie abweicht. Da würde nicht einmal das Geld von Bayer und BASF noch etwas helfen.
Noch einmal, es ist mitnichten so, als wären die besagten Konzerne an dieser Entwicklung unschuldig, ganz im Gegenteil. Und doch befinden sie sich jetzt an einem Wendepunkt, an dem ihnen die Folgen dieser Entwicklung sämtliche strategischen Optionen verbaut haben. Die politischen Idioten, die Berlin kontrollieren, sind die Ratten, die freiwillig auf das sinkende Schiff springen. Diese Konzerne sind die Schiffseigner, die zuvor dazu aufgerufen hatten, die Rettungsboote zu verheizen, und nun nicht mehr herunterkommen. Das Schlimme ist nur, diese Lage betrifft das ganze Land, das Schiff, das gerade sinkt, heißt Deutschland, und niemand weiß, mit welchem Manöver diesem Sinken Einhalt geboten werden könne.
In den letzten Tagen konnte man geradezu körperlich wahrnehmen, auf welchem Niveau von Panik sich die Berliner Blase inzwischen bewegt. Die Reaktion von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf die Fragen von Florian Warweg in der Bundespressekonferenz war ein deutliches Beispiel. Das dünnhäutig zu nennen wäre eine schamlose Untertreibung; seine Antwort bewegte sich schon an der Grenze zur klinischen Paranoia. Nachdem lange Zeit alle Warnungen vor wirtschaftlicher Zerstörung als russische Propaganda abklassifiziert wurden, musste inzwischen eingestanden werden, dass sie zutrafen; aber die Fähigkeit, daraus die nötigen Konsequenzen zu ziehen, ist nicht vorhanden. Bundeskanzler Olaf Scholz war in der berühmten Szene in Washington, die der Sprengung von Nord Stream vorausging, ja nicht einmal im Stande, ein leises „Aber“ von sich zu geben. Wenn es eines gibt, zu dem dieses Personal absolut unfähig ist, dann ist das ein Bruch mit den Vereinigten Staaten.
Wie also sollte nun ein Vorstandsvorsitzender von BASF eine Lösung für sein politisches Problem finden? Die zerstörerische Wirkung des Agentengeflechts endet erst dann, wenn die Finanzierung ausbleibt; in diesem Moment ist die deutsche Ökonomie aber bereits so weit abgestürzt, dass auch ein Vorstandsvorsitzender von BASF bedeutungslos ist, da ginge es dann um die Organisation des schlichten Überlebens. Davor scheitert jede konventionelle politische Strategie an diesem politisch-medialen Gemisch und seinen Nebengeheimdiensten.
Das einzige Mittel, das dann überhaupt noch existiert, wäre ein Militärputsch (ich kann das schallende Gelächter schon hören) – mit dieser Bundeswehr? Klar, es gibt eine ganze Reihe Ehemaliger, die durchaus eine derartige Kehrtwende tragen könnten, wären sie heute noch im Dienst; aber alles oberhalb von Oberst ist derartig transatlantisch eingenordet, dass nicht einmal diese Option noch besteht, von den militärischen Fähigkeiten dieser Truppe ganz zu schweigen.
Nein, diese Sackgasse ist rundherum dicht. Da ist kein Raum übrig, um zu manövrieren, keine Option, keine politische Kraft. Nicht einmal mehr für die Unterzeichner der Antwerpener Erklärung, die eigentlich die Herrschenden in diesem System sind. Da ist einfach nur noch Schluss.
Anmerkungen:
Vorstehender Beitrag von Dagmar Henn wurde am 22.2.2024 in „RT DE“ erstveröffentlicht. Die Seiten von „RT“ sind über den Tor-Browser zu empfangen.
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