Ein Jahr Krieg

Feuer frei in der Ukraine. Quelle Weltnetz

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Wir alle können uns noch genau erinnern: Wir Europäer schätzten uns glücklich in einer Epoche des Friedens zu leben, wie sie der Kontinent in seiner Geschichte noch nie gekannt hatte. Kriege schienen hier abgeschafft und geradezu undenkbar; sie pflegten sich im fernen Afrika und Asien abzuspielen. Und die Annexion der Krim sowie des Donbas im Jahr 2014 wurde nur von Experten ernsthaft analysiert, von der weiteren Bevölkerung aber wie ein fernes und daher harmloses Wetterleuchten am Horizont wahrgenommen. „U-Kraine“ heißt ja übersetzt „Land am Rande“ – und das galt nicht nur aus russischer sondern auch aus westeuropäischer Perspektive. Am 24. Feb 0430h wurde plötzlich alles anders: Beginn der russischen Invasion gegen die Ukraine. Aus dem TV-Komödiendarsteller Zelensky wurde über Nacht ein Held der Nation, ja Weltpolitik, zu dem Staatsführer (dessen Popularität im eigenen Volk von 30 auf über 90 Prozent emporgeschnellt ist) hinpilgern und Schlange stehen, damit ein Splitter seines heroischen Glanzes auch auf deren Schulter abblättere, beim gemeinsamen Fototermin. 2014 war die ukrainische Armee ein desperater, demoralisierter Haufen – im Kampf gegen den Russischen Riesen bewährt gilt sie heute als eine der besten der Welt.

Russlands Invasion, für Putin und seine militärische Übermacht, ein kleiner Sonntagsspaziergang – wie er dachte und mit ihm wohl die meisten im Westen – ist kläglich. Der russische Gewaltherrscher kämpft aufwendige Rückzugsgefechte. Zuvor hatte er deutlich gemacht, dass der Status der Ukraine mit seinen neun  Millionen Russisch sprechenden Einwohnern für Russland nicht verhandelbar sei: Mit der Ukraine ist Russland eine Weltmacht – ohne diese nur eine Regionalmacht. Die Ukraine ist für Russland die „Rote Linie“. Putin erinnert an die angebliche Zusicherung der Westmächte, dass die Nato im Tausch gegen die Anerkennung der deutschen Wiedervereinigung nicht nach Osten expandieren werde. Widerwillig nahm der den Nato-Beitritt ehemaliger Warschaupakt-Staaten hin: Aus seiner Sicht hat der Westen sich nicht an jenen Deal gehalten.

Eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine schien vor einem Jahr in weiter Ferne – jetzt ist das Land auf der Überholspur. Und 86 Prozent der Ukrainer wollen in die Nato. Deren militärische Aktionsfähigkeit habe sich seit der russischen Invasion „exponentiell vergrößert“ behauptet der Vizekommandant des SHAPE (Supreme Headquarters Allied Powers Europa), General Sir Tim Radford.

Wie das gehen soll, fragt man sich allerdings: Das seit Voltaire und Katharina der Großen traditionell prorussische Frankreich reiht sich nur zögerlich in die Front gegen Russland ein. Und die Briten, die kompromisslosesten Unterstützer der Ukraine, schicken jetzt gerade ihren hochmodernen und sündenteuren Flugzeugträger HMS Queen Elizabeth fast ohne Kampfflugzeuge oder Munition auf große Fahrt.

Anmerkung:

Vorstehender Beitrag wurd in „Voralberger Nachrichten“ am 23.2.2023 erstveröffentlicht.

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