Berlin, Deutschland (Weltexpress). In Halbleinen gebunden, mit Karte und einem Lesebändchen versehen, kommt dieses mit einem Nachwort, editorischen Notizen und einer Biographie des illustren Fürsten versehene, knapp 250 Seiten starke Buch kostbar daher – und vermag zu entzücken. Die erstmals seit 1834 herausgegebene Erzählung des Hermann Graf von Pückler-Muskau, welcher noch immer vorwiegend als Schöpfer einer Eiskreation wahrgenommen wird, soll hiermit die literarische Größe des ersten Dandys Deutschlands zementieren. Pückler war ein leidenschaftlicher Reisender und guter Esser, Ballonfahrer und Hirschgespann-Lenker. Über Nacht gestaltete er den Garten seines Schwiegervaters um und brachte von einer Ägyptenreise die Pyramide als Bauform mit in die Lausitz – außerdem die äthiopische Sklavin Machbuba, welche er in Branitz als ägyptische Prinzessin ausgab.
Das Geld ging ihm des Öfteren aus, weshalb auf einer Reise durch England eigens trachtete, eine adlige Dame zur Ehefrau zu gewinnen – mehr für seinen Geldbeutel als für sein dauerhaft besetztes Herz. Ein anderer Plan musste her; 1834 erschien die literarische Sammlung „Tutti frutti“, ein fünfbändiges Werk, um welches sich das Publikum riss – die erste Auflage war bereits vor Erscheinen ausverkauft. Die in Band 3 und 4 enthaltene Novelle „Acht Frühlings- und Sommertage aus dem Leben Mischling’s“ ist das Lieblingsstück des Autors selbst.
Acht Frühlings- und Sommertage führen Mischling, verkleidet als Wandersmann, durch das Herrschaftsgebiet des Fürsten, dabei lernt er entlegene Örtchen und Städte kennen und hört zu. Menschen aller Gesellschaftsschichten öffnen ihm ihr Herz und plaudern höchst komisch von ihrem Leben. Wenn sich der Leser in die original gehaltene Schreibweise eingelesen hat, wird er feststellen, dass sich am betrachteten Gegenstand wenig geändert hat – der Mensch bleibt ein seltsames Wesen. Während Mischling zum Beispiel einer erschreckenden Burleske in Klein-Schilda entfliehen kann, findet ein Unbekannter dort sein tragisches Ende: „Aus Ermangelung eines Passes in das Stadtgefängnis geworfen, und dort auf das Uebleste behandelt, gerieth der wohlgekleidete, und wie es scheint ganz gebildete Mann, über die ihm zugefügte Schmach in eine solches Delirium, daß er sich schon denselben Abend mit seinem seid´nen Taschentuche an dem Thürpfosten erhing. Die Frau des Kerkermeisters, eine ächte Klein-Schilda´sche Tochter, hört das dabei gemachte Geräusch, und tritt nach frischer That in das Gitterfenster des Gefängnisses. Noch verzieht der Aermste in schrecklichen Convulsionen sein Gesicht, ein herzhafter Schnitt könnte ihn jetzt noch retten, aber nein, meint Frau Martha, das schöne seid´ne Tuch kann sie doch nicht so verderben, sie eilt lieber, sich bei ihrem Manne Rhat zu erholen, der eben, nur ein Augenblickchen, zu Schnapse gegangen war…“
Man ahnt, wie die Geschichte endet und argwöhnt kaum ihr erstaunliches Ausmaß. „Eine wahre Geschichte, mit dem Anstrich einer Novelle“ lautet die Drohung in der Unterzeile des Textes. Erica Ruetz, einer Pückler-Kennerin und Sammlerin, gibt die eher als Roman zu bezeichnende Novelle in der Reihe „unbegrenzt haltbar“ des Schweizer Nimbus-Verlages heraus, ein köstliches Verwirrspiel um einen wandelbaren Schelm, welches nach knapp zwei Jahrhunderten seinen Reiz nicht eingebüßt hat!
Bibliographische Angaben
Hermann Graf von Pückler-Muskau, Acht Frühlings- und Sommertage aus dem Leben Mischling’s, Eine wahre Geschichte, mit dem Anstrich einer Novelle, Reihe: unbegrenzt haltbar, Herausgeberin: Erica Ruetz, 248 Seiten, Verlag: Nimbus, 1. Auflage, Wädenswil am Zürichsee, ISBN 978-3-03850-046-9, Preise: 28 EUR (D), 32 sFr