Frankfurt am Main, Deutschland (Weltexpress). Bernd Paschel sprach mit Ariane Schurmann und Edwin Wittwer, die bei Arezzo in der Toscana „AsvaNara Experience“ gegründet haben, wo ein neuer Weg praktiziert wird, Pferde in ihrer Natürlichkeit zu erleben.
„Ich war schon immer Pionierin“, sagt Ariane Schurmann über sich. Sie ist eine Pionierin des natürlichen Lebens; vor fast 20 Jahren brachte sie „Natural Horsemanship“ (NHS) nach Italien und danach auch die Journey.
Zuvor hat sie zwölf Jahre in den Hochalpen zurückgezogen auf 1900 m gelebt und einen biologisch-dynamischen Bauernhof aufgebaut und geleitet. Ariane hat tausende von Menschen dazu inspiriert, dauerhafte und tiefe Verwandlung von normal zu natürlich und in Richtung Wohlbefinden zuzulassen, ein Ziel, das „hier und jetzt“ weiter besteht.
Ariane ist Mutter von drei freien und glücklichen Kindern und hat es gleichzeitig geschafft, zertifizierte Gesundheitsberaterin, Journey Practitioner und Präsentatorin, Seminar- und Retreatleiterin und Autorin von mehreren Bücher zu werden.
Edwin Wittwer erklärt, dass „das Problem in der Pferde-Mensch-Beziehung … die Emotionen“ seien. Wittwers Interesse an Pferden und fürs Reiten wurde in seinen frühen Jahren geweckt, doch nach einigen Unfällen und mehreren schlechten Erfahrungen war er kurz davor, alles wieder aufzugeben und nicht mehr seiner Leidenschaft zu folgen.
Erst als er einen natürlichen Horseman traf und NHS entdeckte, wurde alles anders. Von diesem Moment an veränderte sich sein Leben mit Pferden dramatisch.
Von 1998-2001 war er Lehrling von Pat Parelli und von 1998-2007 Instruktor.
Er begann, Pferde zu verstehen, lernte wie sie auf ihre Weise denken und warum sie tun, was sie tun. So entwickelte er Sicherheit, Selbstbewusstsein und einzigartige Kompetenz im Umgang mit ihnen. Dank seinem Mentor und Lehrer wurde Edwin selbst zu einem natürlichen Horseman und das, was früher schwierig und gefährlich war, wurde einfach und mühelos … einfach natürlich.
10 Jahre reiste Edwin durch ganz Europa, unterrichtete NHS und verhalf dadurch Tausenden von Menschen zu einer besseren und natürlichen Beziehung mit ihren Pferden.
Zusammen mit seiner Frau Ariane gründete er 2004 die Akademie AsvaNara in der Toskana, in der er sein Wissen und seine Erfahrung mit Pferden weitergibt und das Programm von AsvaNara weiterentwickelt.
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Paschel: Ihr lebt auf dem Landgut der Goldenen Eichen, AsvaNara genannt. Der Ort liegt zu Füssen des Berges La Verna, wo der heilige Franz von Assisi die letzten Jahre seines Lebens in Einheit mit der Natur verbrachte. Da ist es doch erfreulich, dass der Heilige Vater Papst Franziskus, uns seine Unterstützung gewährt?
Schurmann: Francesco (von Assisi) musste sich ja von Rom anerkennen lassen, sonst wäre er sicher als Häretiker verbrannt worden damals, und dass Papst Franziskus uns seine Unterstützung zukommen lassen würde, dazu müssten wir vielleicht auch erst eine Nacht im Schweinestall schlafen (lacht).
Wittwer: Als wir einen Ort gesucht haben um die AsvaNara Akademie zu gründen, haben wir in über zwei Jahren Suche genau 89 verschiedene Objekte besichtigt. Das Landgut der Goldenen Eichen war Ort n°88 und nachdem wir 10 Minuten auf dem Land gestanden haben, wussten wir, dass dies der Ort ist, den wir so lange gesucht haben. Es ist eine etwas „vergessene Ecke“ der Toskana und die Natur ist noch sehr ursprünglich und teilweise auch wild. Ab und zu sehen wir hier auch Adler und freie Wölfe. Erst nachdem wir den Ort gekauft hatten, haben wir „La Verna“ und das Kloster des heiligen Franziskus entdeckt und uns mehr mit seiner Botschaft der Liebe und der Verbundenheit zu der Natur beschäftigt. Einen passenderen Ort gab es einfach nicht.
Schurmann: Franceso als Heiliger der Natur und der Tiere, als Mensch, der die Natur liebte und mit den Tieren kommunizierte, ist hier schon sehr gegenwärtig. Das war und ist für uns etwas Unerwartetes und auch sehr Passendes. Wir kommunizieren mit Pferden auf ganz praktische Weise und sind selbst nicht besonders religiös, haben eher die Einstellung- alle Religionen enthalten den Kern der Wahrheit, sind dann aber leider häufig zu Kontrollinstitutionen degeneriert… also akzeptieren wir sie alle und leben die Religion des Lebens in Freiheit und im Einklang mit der Natur.
Paschel: Sehe ich das richtig, dass Eure Tochter schon bei Rai Tre im Fernsehen war?
Schurmann: Ja, unser Tochter Nell war schon häufig ein Film und Show Star. Sie ist mit uns und den Pferden aufgewachsen und durch die Welt gereist mit der Mission, das Bewusstsein der Pferde- Mensch Beziehung zu erleben. So hat sie z.B. in ihrem ersten Lebensjahr schon 12 verschiedene Länder bereist und ist quasi natürlich in die Pferde- und Medienwelt hineingewachsen, wobei sie in vielen Zeitschriften, Büchern, Artikeln und dann auch im italienischen Fernsehen erschien. Ihr ist sogar eine ganze Fernsehserie gewidmet worden mit dem Titel „Nell’s Welt“. Auch dort ging es um die natürliche Pferde Mensch Beziehung. Nell kann nicht verstehen, warum Menschen Pferde mit Einschüchterung und Gewalt behandeln. Bei uns hat sie das nie erlebt. Natürlich ist die Zukunft der Reiterei – es wird allerdings noch ein paar Jahre dauern. Daran arbeitet auch Nell mit in ihrem zweiten Film bei Rai Tre
Paschel: Eure Pferde leben in der Herde und artgerecht. Könnt Ihr in kurzen Stichworten Euer Haltungsmanagement beschreiben?
Wittwer: Wir haben das Glück, etwa 40 Hektar Land für unsere Pferde zur Verfügung zu haben. Dies sind nicht fette, grüne Wiesen, sondern teilweise auch karge, steinige Hügel und Wald mit viel Gebüsch und Sträuchern. Unsere Herde besteht durchschnittlich aus 20 Pferden und ab Mitte April bis etwa Mitte November können sie ohne Heuzufütterung genug Gras auf ihren Weiden finden. Sie leben ganzjährig im Freien und haben zum Schutz von starkem Wetter die Bäume im Wald, wo sie sich im Winter gerne unterstellen. Alle Pferde sind natürlich barfuß und wir sind immer wieder erstaunt, wie schnell sich neue Pferde an dieses natürliche Leben gewöhnen und sich in der Herde wohl fühlen. Die Herde ist ein zentrales Element von AsvaNara, denn nur im Herdenverband können Pferde mental und emotional ausgeglichen sein. Wenn ein Problempferd zu uns kommt, beginne ich nicht sofort mit dem Training, sondern stelle es erst mal 1-2 Monate in die Herde, damit es das natürliche Verhalten von den anderen Pferden erlernen kann. Dies macht meine Arbeit danach viel einfacher. Beim Baden haben die Pferde viel Spaß!
Paschel: Der Begriff „AsvaNara“ kommt aus dem Sanskrit und bedeutet wörtlich „PferdeMensch“. Habt Ihr auch Wurzeln in Poona?
Wittwer: Nicht direkt, aber auf unserem Weg der Entwicklung haben wir Inspiration von Osho’s Arbeit erhalten. Wie Du schon in der Vorstellung geschrieben hast „das Problem in der Pferde/Mensch Beziehung sind die Emotionen“ und dieses Problem lösen wir nicht mit mehr Technik, sondern mit Persönlichkeitsentwicklung. An sich selber zu arbeiten ist für viele Pferdebesitzer undenkbar oder zumindest unangenehm. In AsvaNara haben wir jedoch einen Teil unserer Arbeit auch dem Menschen gewidmet. Das bedeutet nicht, dass wir spirituell oder esoterisch sind, ich würde jedoch sagen „bewusst“ … und um Bewusstheit zu erlangen, müssen Menschen sich mit sich selber und ihrem wahren Sein beschäftigen, auch Reiter.
Paschel: Zitat „AsvaNara ist ein Weg für alle Menschen, die Pferde lieben; eine Methode, die zu Erfolg ohne Gewalt, zu Mitarbeit ohne Einschüchterung, zu Harmonie ohne Zwang führt.“
Ist das eine Wunschvorstellung oder Realität, Pferde untereinander und manchmal auch im Kontakt zum Menschen sind doch letztlich in Ihrer Natur wilde Tiere?
Wittwer: Ja genau, und das vergessen viele Pferdebesitzer, die ihre Pferde zwar lieben, aber sie verwöhnen und vermenschlichen. Es funktioniert jedoch auch nicht, Pferde mit Kraft und Gewalt einzuschüchtern, um sie zu dominieren, sondern der Mittelweg zwischen Liebe, Vertrauen und Respekt ist der Weg der Pferde. Denn genau so ist auch die Sozialstruktur in der Herde aufgebaut; sie leben als Einheit und sind immer zusammen, untereinander gibt es enge Freundschaften – aber nicht nur … die natürliche Dominanz wird durchaus mit Bissen und Tritten durchgesetzt. Wenn wir unser Verhalten mit Pferden dem Ihrigen anpassen, können auch wir diese natürliche Beziehung aufbauen. Dabei geht es nicht darum, Respekt mit Peitsche und Sporen zu erlangen, sondern durch Bewegung zum Alpha Tier zu werden … „wer bewegt wen“ ist die grundlegende Frage in dieser Hinsicht … kann ich die Bewegung meines Pferdes vom Boden aus kontrollieren, auch in Freiheit? Dann habe ich auf natürliche Weise sein Vertrauen und Respekt verdient.
Paschel: Zur Aussage „zu Problemen beim Reiten und/oder im Umgang mit dem Pferd wird meistens dem Pferd die Schuld gegeben“: Das erlebe ich auch oft, warum fällt es den Reitern so schwer, die Fehler bei sich zu suchen?
Wittwer: Ego … es ist einfacher die Probleme beim Pferd zu sehen, als sich selber in Frage zu stellen. Ich erlebe so häufig, dass Pferde gewechselt werden, weil sie nicht mehr „funktionieren“. Es ist einfacher, ein Pferd zu verkaufen, mit der Ausrede, dass es für diese oder jene Leistungsklasse nicht mehr gut genug ist, als an sich selber zu arbeiten. Häufig treten dann dieselben oder ähnliche Probleme auch beim neuen Pferd wieder auf, denn sie sind ja nur Spiegel von uns selbst. Wenn ich das nicht mag, was ich im Spiegel sehe, dann muss ich bei mir suchen und nicht den Spiegel auswechseln. Wie schon gesagt, viele Reiter arbeiten nur an Technik, aber nicht an sich selber und bei einigen ist das Ego halt riesengroß. Pferde verstärken Ego, sie geben das Gefühl von Kraft und Macht. Wenn dann Probleme auftreten, passiert genau das Gegenteil, der Reiter fühlt sich hilflos und ohnmächtig und möchte so schnell wie möglich diese Gefühle wieder loswerden. Dazu hat er drei Möglichkeiten: erstens er gibt dem Pferd die Schuld, bringt es zu einem Trainer oder verkauft es, zweitens er hört mit dem Reiten ganz auf und drittens er schaut zu, dass er mehr von und über Pferde lernt und die Beziehung zu seinem Pferd wieder gerade biegt. Ähnlich ist es doch auch in menschlichen Beziehungen …
Wittwer: Da kann ich zustimmen als Pädagoge und als Sportler kann ich allgemein feststellen, das der Sport das ist, was die Gesellschaft aus ihm macht.
Ist es überhaupt noch vertretbar in unserer Gesellschaft, Tiere für sportliche Zwecke zu benutzen?
Wittwer: Tja, wenn ich hinter die Kulissen schaue, wenn ich die Schmerzmittel sehe, die den Pferden verabreicht werden, die kurze Lebensdauer ihrer Karriere und die fraglichen Trainingsmethoden, dann würde ich sagen nein. Das Problem ist auch hier wieder das menschliche Ego; wann ist genug? Bis zu welchem Punkt mache ich mit? Wie viel mute ich mir und dem Pferd zu? Wenn ich das Ziel über die Beziehung stelle und alles tue, um es zu erreichen, ohne Rücksicht auf Verluste, dann ist es sicher nicht richtig, ein anderes Lebewesen dazu zu benutzen. Vor allem Pferde, die keinen Laut für Schmerzen kennen und sich nur in anderer Form über ihr Unwohlsein ausdrücken können … was jedoch von einem Großteil der Reiter und vor allem auch der Zuschauer übersehen wird. Ich bin allerdings nicht grundsätzlich gegen Sport mit Tieren, wenn Bewusstsein dabei ist, kann es richtig schön sein.
Paschel: Wenn der Wettkampf nicht dabei wäre, könnte ich dem zustimmen.
Welche Jahreszeit ist in der Toscana am schönsten für einen Reiturlaub mit Selbsterfahrung, bzw. Selbstfindung?
Wittwer: Anfang Mai bis Ende September. Wir haben absichtlich diesen Zeitraum gewählt, da wir unseren Kursteilnehmern auch einen Aufenthalt in der Natur ermöglichen wollen. Dazu haben wir ein Indianer Tipi Dorf gebaut und unsere Aktivitäten sind fast ausschließlich im Freien. Ein Besuch in der AsvaNara Akademie würde ich auch nicht als Reiturlaub bezeichnen, es ist eher ein „intensives Erlebnis, ein sich mit dem Pferd und seiner Natur beschäftigen“. Die Kurse sind Wochenprogramme in verschiedenen Klassen und sind vollgepackt mit Information und Praxis. Eines unserer Versprechen ist seit Jahren, dass das Leben nach einem Kurs in AsvaNara nie mehr so sein wird wie früher und viele Teilnehmer gehen mit neuem Mut und Zuversicht, aber auch mit dem Willen und Werkzeugen nach Hause, etwas zu verändern,. Ich mache auch fast keine Kurse mehr außerhalb der Akademie wie früher aus dem einfachen Grund, da die Resultate für die Teilnehmer um ein Vielfaches größer sind, wenn sie eine Woche in der Natur mit den Pferden erleben.
Paschel: Na dann – Arrivederci in der Toscana.
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Weitere Informationen zum Projekt „AsvaNara Experience“:http://www.ocean-of-life.it/home.html
Eine Rarität – Kurs von AsvaNara 2017 in Deutschland http://mailchi.mp/ocean-of-life/asvanara-und-donna-divina-kommen-wiedernach-deutschland?e=f687e058bd
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