Rechter Staatsstreich am Dnepr – SA marschiert in Kiew, EU goutiert die Herrschenden in der Ukraine

Gefangene ukrainische Sicherheitskräfte in den Händen einer Sturmabteilung auf dem Maidan in Kiew (Screenshot von Espresso.TV, 2014-02-21, 21:35 Uhr). © WELTEXPRESS

SA marschiert

Statt Braun tragen die bewaffneten Banden Schwarz, teils Militaria-Bekleidung. Die kämpfenden Kameraden mit Knüppeln und Kalaschnikows sowie Helmen aller Art und Farben des "Euromaidan" dienen wie einst die SA während der Weimarer Republik als stumpfe Stiefel-Nazis. Im Gleichschritt marschieren diese Rechten durch die ukrainische Hauptstadt. Verkehrsknotenpunkte, Brücken, Banken und Bahnhöfe werden bewacht und selbst den Flughafen haben die Sturmabteilungen unter ihre Kontrolle gebracht. Die Polizei verweigert sich. Polizisten lassen sich nicht blicken.

Die wenigsten dieser SA kennen sich aus in Kiew, denn die meisten von ihnen wurden im Westen der Ukraine rekrutiert. Einzelne Faschisten bewachen Politiker des rechten Lagers (Personenschutz) oder Gebäude (Objektschutz). Die Rechten organisieren die totale Überwachung und Strafen ad hoc, wenn`s sein muß. Rechts herrscht, nicht das Recht.

Nach dem Rechtsruck in Kiew, nach dem Staatsstreich kleinbürgerlicher und faschistischer Kräfte, sind letztere der Hegemon des Maidan. Symbolisch dafür darf das Schauspiel gelten, das Julia Timoschenko als Frontfrau des politische Arms namens „Vaterlandspartei“ (Batkiwschtschina) der einen Kapitalclique der Ukraine in Gestalt der politisch Auferstandenen bot. Die einstige frühere Regierungschefin der Ukraine und frisch aus dem Gefangene befreite rechtskräftig Verurteilte hielt im Rollstuhl sitzend bei einer Kundgebung auf dem Maidan eine robuste Rede aber erhielt weit weniger Beifall als der faschistische Führer Dmitri Jarosch vom "Rechten Sektor", der nicht weniger kämpferisch redete, aber radikaler forderte. Timoschenko erntete zudem lautstark Buh-Rufe und Pfiffe.

Die Sturmabteilungen der Rechten marschieren nicht nur, sie zündeln wie die Nazis in der Pogromnacht vom 9. November 1938. In der Ukraine sind es nicht Synagogen, die brennen, noch nicht, es sind die Büros der Partei der Regionen, es sind die Büros der Kommunistischen Partei. Dutzende Büros gingen in den vergangenen Tagen in Flammen auf. Die Strukturen der politischen Organisation der anderen Kapitalclique um den politischen Frontmann Wiktor Janukowitsch werden zerschlagen, die Organisationen der politischen Partei der kommunistischen (nicht der sozialdemokratischen) Arbeiterbewegung werden zerschlagen wie auch ihre Symbole. Dutzende Lenin-Denkmale wurden zerstört.

Das und nichts anderes ist das entscheidende Wesensmerkmal des Faschismus im Europa der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: die Zerschlagung der politischen Organisationen der Arbeiter – am Anfang mit Kampfbünden – und nicht das Führen von Angriffskriegen oder das Vernichten von Juden. Kriege führen und Juden totschlagen, das können andere auch.

EU goutiert

 
Die Europäische Union (EU) hat die Entscheidung des ukrainischen Parlaments (Rada),Präsident Viktor Janukowitsch des Amtes zu entheben, anerkannt. Das Parlament aber ist die Reste-Rada, wobei mehrere der einst Janukowitsch-Treuen „umgepolt“ wurden mit Zuckerbrot und Peitsche. Mit Taschen voller Geld oder einem Messer im Rücken, wer würde nicht den Arm heben oder den Knopf drücken (in der Rada werden bei Abstimmungen Knöpfe gedrückt), wenn er muss.

Der Präsident ist, keine Frage, von einem Pseudo-Parlament abgesetzt worden. Die Revolutionsrotte der Rada wird von EU-Kommissionssprecher Olivier Bailly „Garant von Demokratie und Gesetzlichkeit“ genannt. Bailly ist entweder äußerst blöde oder besonders gut bezahlt. Jedenfalls sagte er am heutigen Montag: „Wir respektieren die Entscheidungen des ukrainischen Parlaments.“

Die Rechte Rada ernannte ein Übergangskabinett und Tmoschenko-Mann Alexander Turtschinow zum Übergangspräsidenten. Zudem wurde „am Sonntag … ein Sprachgesetz gekippt, das den russischsprachigen Ukrainern gewisse Rechte beim öffentlichen Gebrauch dieser Sprache gewährt hatte. Der ‚Rechte Block‘ erklärte wie zum Hohn, er habe nichts gegen die Russen und Russischsprachigen, solange sie die ukrainische nationale Revolution unterstützen und das Recht der Ukrainer anerkennen, Herren im eigenen Haus zu sein. Im ganzen Land wurden mehrere Dutzend Lenindenkmäler und Denkmäler für den Sieg der Sowjetarmee im Zweiten Weltkrieg gestürzt“, schreibt Reinhard Lauterbach in der Tageszeitung „junge Welt“ (jungewelt.de, 23.02.2014).

Die EU erkennt das Übergangskabinett als legitim an, werde jedoch die Assoziierungs-Gespräche erst wiederaufnehmen, nachdem neue Präsidentschaftswahlen stattgefunden haben und die neue Regierung etabliert sei, notiert RIA Novosti. Die EU sei weiterhin bereit, mit der Ukraine das Abkommen über Assoziierung und freien Handel zu unterzeichnen, wolle jedoch sichergehen, dass die neue Regierung in Kiew die Unterstützung der meisten Ukrainer genieße, sagte Bailly.

Zum Verhältnis von rechten Parlament und rechts-revolutionärer Bewegung hält Arnold Schölzel in der jungen Welt (jungewelt.de, 23.02.2014) fest: „Die Beschlüsse des Kiewer Parlaments am Wochenende werden nur so weit realisiert, wie sie dem Willen der faschistischen Milizen entsprechen. Die Maidan-Bosse verkündeten zudem nach dem Auftritt Julia Timoschenkos am Sonnabend unbeeindruckt, daß sie die »nationale Revolution« fortsetzen werden. Der Nachschub aus dem Westen der Ukraine, wo sie seit vergangener Woche allein regieren, rollt. Finanziell und mit russophoben, vor allem faschismusfreundlichen Kampagnen greifen ihnen EU, USA und deren Medien seit Jahrzehnten unter die Arme – ähnlich wie rechten Kräften in den Baltischen Republiken.“

Beim Anerkennen des rechten Putschregimes in Kiew waren die Polen offensichtlich am Schnellsten, dann folgten die Regierenden in Berlin, Paris und weitere EU-Hauptstädte, auch Washington. Aus Moskau jedoch kommt ein Njet. Russland erkennt das Regime in Kiew vorerst nicht an, denn deren „Legitimation sei zweifelhaft, und die Situation stelle eine Gefahr für russische Interessen sowie Leib und Leben russischer Bürger dar“ (jW).

"Falls sich Leute, die in schwarzen Masken und mit Kalaschnikow-Sturmgewehren durch Kiew schlendern, als Regierung bezeichnen, so wird die Arbeit mit einem solchen Kabinett sehr schwierig sein", so der Regierungschef Dmitrij Medwedew am heutigen Montag in Sotschi zur Agentur Interfax.

Mit Material von Interfax, junge Welt, RIA Novosti

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