Berlinale auf der Zielgeraden – Applaus für letzten deutschen Wettbewerbsbeitrag

Dann muß am Samstag die Jury um ihren schrägen Präsident Mike Leigh die Preise vergeben. Zuvor jedoch ist noch einmal Kreischalarm angesagt, wenn am Freitag "Twilight"-Darsteller Robert Pattinson seinen Kostümfilm "Bel Ami" im Wettbewerb außer Konkurrenz vorstellt. Vielleicht fließen Tränen, vielleicht fließt Pipi. Wir wissen es nicht, noch nicht. Aber wir werden berichten. Begleitet wird der 25-Jährige Schauspieler von US-Kollegin Christina Ricci. Uma Thurman hat hingegen ihren Besuch abgesagt. Das bedauern wir.

Glasners 131-minütiges Melodram setzt sich mit einem in Norwegen lebenden deutschen Ehepaar auseinander, das einen Unfall verarbeiten muss. Herausragend, wie Jürgen Vogel und Birgit , wie Jürgen Vogel und Birgit Minichmayr ein Paar spielen, das in einer Extremsituation wieder zusammenfindet, herausragend die grandiosen Landschaftsaufnahmen. Man könnte auch schreiben: So sind sie, der Jürgen und die Birgit. Und man könnte schreiben: Gut und günstig eingekauft, die beiden. Doch sowas schreibt keiner und wir lassen das auch. Schließlich mögen wir den Vogel, weil er so ist, wie er ist. Und die Minichmayr auch.

Ein Paar beschließt, zusammen mit seinem pubertierenden Sohn Markus (Henry Stange), einen Neuanfang in Hammerfest wagen zu wollen. Dort hat Niels (Vogel) einen neuen Job bekommen, Maria (Minichmayr) arbeitet in einem Sterbehospiz. Eines Abends überfährt sie auf einer Heimfahrt jemanden oder etwas, rast aber dann davon. Dann stellt sich heraus, dass es sich um ein 16-jähriges Mädchen aus dem Ort handelte, das bei dem Unfall getötet wurde.

Gestellt werden existenzielle Fragen: Kann man ohne Gnade und Vergebung leben? Ist es manchmal für alle besser, die Wahrheit zu verschweigen? Was überhaupt ist die Wahrheit? 2009 hatte Minichmayr einen Silbernen Bären als beste Darstellerin für ihre Rolle in "Alle anderen" gewonnen. Glasner und Vogel waren 2006 mit dem umstrittenen Drama um einen Vergewaltiger, "Der freie Wille", im Berlinale-Wettbewerb. Vor Glasner waren bereits die deutschen Beiträge "Barbara" von Christian Petzold und "Was bleibt" von Hans Christian Schmid gezeigt worden. Kurzum: Aus Deutschland kommt weder Krieg noch Klamauk. Das muß nichts Schlechtes bedeuten.

Ein ernstes Thema behandelt auch der ungarische Wettbewerbsfilm "Just The Wind" von Regisseur Bence Fliegauf. Geschildert wird die Ermordung einer Roma-Familie in einem ungarischen Dorf. Eine andere Roma-Familie, die in der Nähe des Tatorts lebt und den rassistischen Terror immer wieder zu spüren bekommt, sieht sich in ihrer Angst bekräftigt. Die latente Bedrohung ist in dem bedrückenden Film die ganze Zeit spürbar.

Der ungarisch-deutsch-französischen Ko-Produktion liegt eine reale Mordserie in Ungarn zugrunde. Regisseur Fliegauf betonte jedoch bei der Vorstellung, es handele sich nicht um einen Dokumentarfilm. Es sei seine Reflektion der Attentatsserie in seinem Land. Hauptdarstellerin Katalin Toldi berichtete, dass sie bei der Arbeitssuche selbst schon wegen ihrer Herkunft abgelehnt wurde. Sie spielt zum ersten Mal in einem Film mit.

Dritter Wettbewerbsfilm am Donnerstag war "Die Königin und der Leibarzt" des dänischen Filmemachers Nikolaj Arcel. Mads Mikkelsen ("Casino Royale") spielt in dem unterhaltsamen Film den Arzt, der mehr und mehr die Staatsgeschäfte vom psychisch labilen dänischen König Christian VII. übernimmt.

Darüber hinaus wurde Ray Dolby, der den Raumklang im Kino revolutionierte, mit einer Berlinale-Kamera geehrt. Mit dieser Auszeichnung ehren die Festspiele Persönlichkeiten, mit denen sie sich besonders verbunden fühlen.

Mit Material von Berlinale, dapd

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