Glücksfall Golden Retriever
„Ein Golden Retriever war unser großes Glück“, sagt Klaus King, Direktor des Wellness-Refugiums „Das Kranzbach“. Das „Herz aus Fell“ war der treue Freund von Dr. Jakob Edinger, dem heutigen Hotelbetreiber. Als dieser eine Übernachtung auf Schloss Elmau buchen wollte, wurde sie ihm mit dem Hinweis auf seinen „vierbeinigen Begleiter“ verwehrt. „Für ihn war das ein No-Go!“, erzählt King, der selbst einen Schäferhund hat. Der Unternehmer sah sich nach einem anderen Quartier in der Nähe um und fand so Schloss Kranzbach im Arts and Crafts-Stil auf 1.030 Metern Seehöhe im Elmauer Tal. 2003 kaufte er den ehemaligen Landsitz von der Evangelischen Kirche Dortmund. Aktuell umgeben das historische Hauptgebäude, das die englische Aristokratin Mary Portman vor über 100 Jahren errichten ließ, ein moderner Gartenflügel und ein Badehaus mit „Nature SPA“, neun Saunen und Dampfbädern sowie fünf Innen- und Außen-Pools. Umrahmt wird das Ensemble nicht nur von Wäldern und Almen, sondern auch von der Zugspitze und dem Karwendel – und Wettersteingebirge. Spaß machen hier Gassi gehen und Ankommen zu jeder Jahreszeit: Schmutzspuren können dank einem Hundewaschplatz an der Tiefgarageneinfahrt sowie Handtüchern, die in einer Holzbox am Eingang bereitliegen, unproblematisch beseitigt werden. In den insgesamt 20 Zimmern für Gäste mit Hund stehen Kuschelkissen genauso bereit wie Futter- und Wassernäpfe. Highlight ist der direkte Zugang ins Freie, Willkommenspackages mit Leckerli, Türschild und Sackerl inklusive. Wer seinen Liebling während des Essens oder beim Entspannen nicht länger allein im Zimmer lassen möchte, kann einen Gassi- und Betreuungsservice buchen. Auf Wunsch sind auch Einzeltrainerstunden durch zertifizierte Mitarbeiter einer renommierten Hundeschule möglich.
Gemeinsames Lernen von Hund und Gast ist jedoch das Ziel von Workshops, die „Das Kranzbach“ neuerdings unter Leitung von Sylvia Neumaier (www.werdenfelser-hundeschule.de) anbietet. Ein erstes Kennenlernen aller Teilnehmer findet im gemütlichen Kaminzimmer im Hotel statt. So stellt man sehr schnell fest, dass es anderen Hundebesitzern genauso geht wie einem selbst. Trainiert wird dann auf einer eingezäunten Wiese direkt hinter dem Hotel, im fortgeschrittenen Stadium auch im freien Gelände. Während Sonja, Louise, Svenja, Beate und Catharina ihre Hunde Kira, Kuno, Lotte, Lennox, Mika und Hunter miteinander spielen lassen, hört man aus der Ferne schon die Stimme von Frauchen Cornelia: „Brunello! Brunello! Nicht so schnell!“ Der Jack Russel Terrier rast voraus und schleift Frauchen Cornelia an der Leine hinter sich her. Entrückt hält er abrupt an und versinkt in der Duftnachricht eines seiner Artgenossen, Frauchen wartet brav. „Brunello, bist du bald fertig?“ säuselt sie. Nein, ist er noch lange nicht. „Brunello, komm doch jetzt bitte weiter.“ Frauchen wird unruhig. Brunello lässt sich überhaupt nicht stören. Brav, aber leicht genervt wartet Frauchen Cornelia daher, bis Brunello fertig geschnüffelt, die Nachricht auf drei Beinen ausgiebig „überschrieben“ hat und endlich weitergeht. Natürlich vorneweg, die Leine immer schön gespannt”¦
Damit sich ein Hund wohl, geborgen und sicher fühlt, ist es wichtig, ihm Hilfestellung in Form von Orientierung an seinem Besitzer zu bieten. „Egal, ob man einen Freigeist, ein Seelchen, eine Rakete oder eine Couch-Potato hat, das A und O ist ein souveräner, für den Hund verständlicher Umgang“, sagt Neumaier. Hunde brauchen erkennbare Regeln, einen für sie berechenbaren Alltag, klare Signale sowie Verständnis für ihre Bedürfnisse. Kein Hund hört, nur weil man das Futter, die Tierarztkosten und die Hundesteuern bezahlt. Auch mit Leckerli lässt sich das nicht erkaufen. Es setzt Wissen, Verlässlichkeit und Liebe voraus.
Klare Ansagen vom Teamchef!
„Jetzt mach doch mal schön sitz! Das kannst du doch.“ „Mika“ steht ratlos vor ihrem Frauchen Beate. Fragend schaut der Mischling sie an. Was erwartet Frauchen bloß von ihr? Mika versteht nur Bahnhof, da Frauchen das eigentliche Signal „Sitz“ in einer Wortschlange versteckt hat. Selbst wenn der Vierbeiner bestimmte Kommandos gut drauf hat, kann er sie aus Satzgebilden nur schwer heraushören und folglich auch nicht darauf reagieren. Er wird mangels klarer Information früher oder später seine Ohren auf Durchzug schalten, was fälschlicherweise oft als Ungehorsam gedeutet wird. Dabei will Mika uns keinesfalls ärgern. „Hunde können den Inhalt von ganzen Sätzen unserer Sprache nicht verstehen, sondern sich „nur“ am Klang und der Stimmlage eines ganzen Satzes orientieren“, so Neumaier. „Deshalb sollte der Hund zunächst nur einzelne Worte mit einer Handlung durch Training verknüpfen lernen, bevor sie durch uns abrufbar und auf Kommando hin für den Hund ausführbar sind. Dabei sollten nicht mehr als drei Wörter aneinanderhängen, damit unser Hund unsere verbalen Signale versteht und erkennen kann.“
„Hunter“ kommt auf den Ruf von Frauchen Svenja gemächlich heran, da ihn unterwegs interessanter Mäusegeruch ablenkt. Frauchen ist „not amused“ und geht mit einem strengen „Hier“ forsch und nach vorn gebeugt auf „Hunter“ zu. Der braune Labrador bleibt verunsichert stehen. Aber wollte Frauchen denn nicht, dass er schneller kommt? „Schon, doch Frauchens Körpersprache wirkt auf „Hunter“ bedrohlich, und daher zögert er und bleibt auf Distanz“, meint Neumaier. „Die eigene Körpersprache und Mimik (nonverbale Informationen) sollte bewusst eingesetzt werden, damit die Botschaft beim Hund so ankommt, wie man sie verstanden haben möchte“, erklärt uns die Trainerin. Das wird im Workshop nach ein wenig Theorie ausgiebig mit dem eigenen Hund geübt. Großartig, wenn man sehen kann, dass der Hund in kürzester Zeit eine ganz andere Reaktion zeigt wie zuvor. Erfolg beflügelt nicht nur Mensch, sondern auch Tier!
Ein weiteres gutes Beispiel liefern Louisa und ihr Schäferhund „Lennox“. Dieser kommt zwar auf Zuruf, aber nur so weit, dass er gerade noch seinen Belohnungshappen erwischt. Anschließend springt er um Louise herum, und sein Blick sagt deutlich: „Ätsch, du erwischst mich nicht, solange ich das nicht will.“ Lösung: „Greifen Sie nicht, wenn Ihr Vierbeiner kommt, gleich nach seinem Halsband oder Geschirr, auch nicht hektisch und von oben. Das wird von Hunden als bedrohlich empfunden, er weicht aus und bleibt auf Distanz“, so Neumaier. Damit es für den Hund selbstverständlich wird, nach dem Kommen zu bleiben und sich auch anleinen zu lassen, wird dies in kleinen Schritten zunächst an einer langen Leine geübt. „Die Hand sollte von der Seite in Richtung Halsband kommen, wenn man den Hund nach einem Rückruf anleinen möchte“, erklärt uns Neumaier. „Belohnung ist eine hohe Motivation, über die sich auch Ihr Hund freut. Seien Sie kreativ und gestalten Sie die Belohnungsformen abwechslungsreich. Das können zum Beispiel Lächeln, nette Worte, ein Spiel, das Entfernen der Leine oder das Ende einer Übung sein“, sagt Neumaier.
Catharina dreht mit „Lotte“ eine Runde. Plötzlich verschwindet der Australian Shepherd in der Wiese und schluckt rasch etwas runter. So eine Matz – und Frauchen hat wieder mal zu spät geschaltet! Egal, was es war, es ist jedenfalls schon gefressen und zu spät für eine Rüge. „Viele Hunde fressen alles Mögliche, was so auf dem Wegesrand zu finden ist, leider auch für uns sehr unappetitliche Dinge. Trainieren Sie deshalb bereits zu Hause, dass Ihr Hund Dinge abgibt, die er bereits im Maul hat. Bieten Sie ihm im ersten Stepp ein Tauschgeschäft an. Nach vielen Übungen, in denen Ihr Hund seine „Beute“ an Sie abgibt, verlagern Sie diese nach Draußen und sichern sie diese mit der Leine ab. Im weiteren Verlauf können Sie Fressbares auslegen, um die Verlässlichkeit Ihres Hundes zu überprüfen. Das hat den großen Vorteil, dass Sie vor Ihrem Hund wissen, wo die „gut riechenden Sachen“ zu finden sind und Sie entsprechend reagieren können.“ In Fällen von krankhafter Fresslust hilft allerdings nur ein Maulkorb um schwere Gesundheitsschäden zu vermeiden.
Kaum von der Leine, ist der Kromfohrländer Kuno auch schon unterwegs, um mit tiefer Nase den Boden nach verführerischen Wildspuren abzusuchen. Und sobald er eine Fährte gefunden hat, ist er weg. Oder er scannt beim Auslauf am Waldesrand die Umgebung, um ja kein Reh und keinen Hasen zu verpassen. Das „Hier“ von Frauchen Sonja verhallt ungehört, sobald Kuno auf dem Jagdtrip ist. „Jagen, egal ob Wild, Jogger oder Autos, ist selbstbelohnend – eine Spur aufnehmen, Hinterherjagen bereitet dem Hund Glücksgefühle“, erklärt Neumaier. Und jede Form der Jagd beflügelt ihn – er möchte dies möglichst wiederholen. Hat ein Hund auch noch Erfolg und hetzt, stellt oder reißt zum Beispiel ein wild lebendes Tier oder Weidevieh, verschlimmert sich die Problematik dramatisch. Deshalb sollte man am und im Wald sowie in unübersichtlichem Gelände den Hund nur an einer langen Schleppleine laufen lassen. „Sollte er auf seinem Spaziergang eine „vermeintliche Beute“ entdeckt haben, lassen Sie ihn neben sich absitzen, bis er sich beruhigt hat, bevor Sie weiter gehen. Trainieren Sie mit Ihrem Hund zum Beispiel einen abrufbaren Blickkontakt oder ein Stoppsignal, damit man ihn bereits im Ansatz jagen zu gehen, stoppen kann.“ Grundsätzlich gilt: Solange sich Ihr Hund nicht zuverlässig abrufen oder stoppen lässt, sollten Sie ihn in für den Hund reizvollen Gegenden nicht frei laufen lassen!
Mischling „Kira“ kann „Sitz“, mag aber manchmal nicht Sonjas Anweisungen ausführen. Sonja sagt „Sitz“, Kira schaut sie an und wartet. Jetzt versteht Sonja ihren geliebten Vierbeiner und holt ein „Leckerli“ aus der Tasche. Oh, welch Wunder – Kira setzt sich, ohne zu überlegen, sofort. „Vorsicht! Hier handelt es sich um Erpressung“, mahnt Neumaier. „Hier hat Kira sein Frauchen sehr gut erzogen. Der kleine, aber feine Unterschied: Wird der Hund belohnt, zeigt er zunächst die Leistung ohne zuvor die Belohnung zu kennen; wird er bestochen, zeigt er die Leistung erst, wenn er weiß, welche Gegenleistung er dafür bekommt. Ein Hund sollte für gute Leistungen verlässlich belohnt werden. Die höchste Form der Belohnung ist, wenn man ihm das ermöglichen kann, was er in diesem Moment am liebsten hätte wie zum Beispiel das Entfernen der Leine, ein Spiel mit einem anderen Hund oder seinem Besitzer, ein Leckerli.
Es gibt Reaktionen von Herrchen und Frauchen, die der Hund auf keinen Fall so versteht, wie sich das die Hundebesitzer vorstellen. Dazu gehört beispielsweise, den Hund zur Strafe für den Rest des Spaziergangs anzuleinen, weil er nicht auf Ruf gekommen ist. Oder ihm zur Strafe eine Mahlzeit zu streichen. Falls der Hund sein Geschäft in der Wohnung oder im Haus gemacht hat, ihm mit der Zeitung einen Klaps zu geben, zu schimpfen oder gar seine Nase ins Häufchen oder Pfützchen stecken. „Solche Maßregelungen sind für einen Hund nicht verständlich, er kann keinerlei Verknüpfung zu dem unerwünschten Verhalten herstellen“, klärt Neumaier die Gruppe auf. Wieder etwas Neues gelernt! Der Nachmittag neigt sich dem Ende. Wir unterhalten uns über weitere Themen wie Bindungsaufbau und Stresssymptome von Hunden, während unsere Vierbeiner gemeinsam über die blühende Wiese toben. Jetzt haben wir erkannt, dass ein harmonisches Zusammenleben mit unseren Hund kein Zufall ist. Wissen, Engagement, Training und bewusst eingesetzte Kommunikation machen das Leben mit unserem Hund leicht und erhöht die Freude aneinander ungemein. „Dem Hunde, wenn er gut gezogen, wird selbst ein weiser Mann gewogen“, wusste schon Johann Wolfgang von Goethe.
José Arce: Meine 5 Geheimnisse für eine glückliche Mensch-Hund-Beziehung, Gräfe und Unzer Verlag, 19,99 Euro