Berlin, Deutschland (Weltexpress). Eintritt nehmen dürfen Sie alle nicht, denn die Herrenfußball-Europameisterschaft wird im teuer erkauften ARD und ZDF übertragen. Also geht man dahin, wo’s gemütlich ist und man gelegentlich Gleichgesinnte findet. Mehr als ein Dutzend Orte im Zentrum Berlins, vor allem am Kurfürstendamm, haben wir für Sie besucht und erkundet. Zu den Favoriten gehört das Kino „Cinestar Original“ unter dem Imax im Keller des Sony-Centers am Potsdamer Platz. Riesenleinwand, Profisound, regensicher.
Lichtvolle Deko, super Sound, große Leinwand: Fußball im Kino im Sony-Center. © Foto: Andreas Hagemoser, 2016
Am Kurfürstendamm beginnen wir ganz oben in Halensee. Fußball vom Großbild-Flachbildschirm gab es im Fischrestaurant „Nordwind“ Kronprinzendamm Ecke Bornimer Straße – sonntags geschlossen, auch während der EM. Deshalb gab es hier das erste Deutschland-Gruppenspiel gegen die Ukraine genauso wenig zu sehen wie das Finale. Schade, denn Bedienung und Essen treten hervor. Abgehakt.
Aus einem anderen Grunde fällt das Public Viewing in der DIM-Arena an der Oranienstraße 26 aus. Der Veranstalter hatte den Hof der historischen „Städtischen“ Blindenanstalt gemietet, um abseits des Straßenlärms einen Mikrokosmos mit Bar, Grill und großer Leinwand zu schaffen. Das Bezirksamt Kreuzberg-Friedrichshain machte dem wegen hofseitiger Lärmbelästigung ein Ende: Schon beim Halbfinalspiel Deutschland/ Frankreich standen zwischen acht und neun Uhr abends ratlos Gäste vor verschlossener Türe in der Abendsonne und mussten sich ganz schnell noch etwas anderes suchen.
Diagonal am anderen Ende des Häuserblockes der abknickenden Bornimer Straße liegt Ecke Nedlitzer Straße in der Nummer 4 das Steakhaus „Bodega“, bis vor ein paar Jahren nutzte die „Madrid-Bar“ die Räume. Vorzüge sind die traumhafte Prinzessinnen-Ecke (ohne TV), die Terrasse mit mittelgroßer Leinwand und regensichere Fußballplätze am hoch angebrachten Flachbildfernseher im Gastraum. Trinken wie essen ist möglich, die Küche ist flexibel und die Inhaber auch: bei den letzten Gruppenspielen, die gleichzeitig standfanden, zeigte man sowohl Ukraine-Polen als auch Deutschland-Nordirland beziehungsweise gleichzeitig Schweden-Belgien und Italien-Irland. Welches Spiel drinnen und welches im Freien gezeigt wurde, entschieden die Gäste demokratisch. Ein bisschen störend die Raucher, die die Terrasse auch im Sitzen nutzen dürfen. Die Atmosphäre ganz gut, aber eben Zuschauen im mittelkleinen Kreis. Angesichts des begrenzten Platzes empfiehlt sich eine telefonische Reservierung. Der Ort ist vom Ku’damm einsehbar und kaum eine Minute von der Haltestelle Rathenauplatz entfernt; das ist der Abschlussplatz des Ku’damms mit Wolf Vostells Betoncadillacs.
Direkt am Henriettenplatz und neben dem S-Bahnhof Halensee liegt das Restaurant „Dos Pescados“ mit großer Terrasse am Künstler-Brunnen mit Pferd. Bildschirme drinnen wie draußen, doch zu klein der Bildschirm für die große Zahl der Terrassenplätze. Die Bedienung bei Deutschlandspielen in Stoßzeiten etwas überfordert. Das übergroße Vordach und große Sonnenschirme ermöglichen trockenes Gucken, doch wegen der Geräuschkulisse und des kleinen Fernsehers gibt es bessere Alternativen.
Etwas bergab Ecke Joachim-Friedrich-Straße am Ku’damm 100 „Das Haus der Hundert Biere“, mehrere Flachbildschirme größeren Formats zeigen zum Boulevard, so dass auch der Passant den Spielstand verfolgen kann. Hier ist immer etwas los. Nebenan, schon an der nächsten Straßenecke, das „Zeitlos“, zu Fußballzeiten meist etwas weniger gut besucht. Beide Lokale mit vielen Terrassenplätzen unter Markise. Innen neben dem Fenster eine recht große Leinwand mit Beamer – gut zum ungestörteren Gucken, wenn man sich auf das Spiel konzentrieren will und nicht ausgehen, nur um auf einem öffentlich-rechtlichen Sender etwas anzuschauen, was man zuhause vielleicht auf einem größeren Gerät in besserer Qualität – womöglich auf der IFA ausgesucht – genießen könnte.
Hundert Schritte weiter „Ach, Niko, ach!“, sehr gutes Essen, sehr gute Bedienung, Schankveranda, Terrassenplätze unter der Markise, mittelgroße Leinwand. Der Hauptstadtboulevard ist zu hören, aber wir sind nicht an einem Badesee.
So kann man sich den ganzen Kudamm hinaufarbeiten, in den 30er Nummern hinter der Bleibtreustraße das Hotel California. Hier sind die zugegeben großen Flachbildschirme auf der Terrasse der Straße abgewandt.
Auf der Südseite der Straße links neben der Astor-Filmlounge eine gut besuchte (Touristen-)Gaststätte. Schwer, in den großen Räumen mit vielen Terrrassenplätzen die Bildschirme zu zählen. Unter anderem drei mittelgroße Leinwände. Geschmackssache.
Vergleichbar vielleicht mit dem Irish Pub unten im Europacenter an der Gedächtniskirche, nur das dort das irische TV-Programm über die Bildschirme flimmert. Bei Irlandspielen – wer englisch kann – ein Muss. Air condition. Zweisprachige Bedienung. Übrigens reichen Englischkenntnisse allein nicht unbedingt, um dem Kommentar zu folgen, zu stark der Dialekt.
Gefälliger und mit großer Leinwand dann schon der Biergarten links neben dem Theater des Westens am Delphi-Kino. Große Terrasse, Liegestühle, Bedienung an den bestuhlten Tischen, Selbstbedienung an den Sitzbänken, große Leinwand unter den alten Bäumen an der Fasanenstraße. Wenn einem das Spiel nicht zusagt: nebenan das ehrwürdige Delphi mit seiner repäsentativen Auffahrt, dem großzügigen Foyer und einem hervorragend kuratierten Filmprogramm.
Die ersten Juliwochen sind seit Jahren heiß, aber auch windig bei Schauerneigung. Die Fanmeile auf der Straße des 17. Juni ist also etwas für Kaltduscher und birgt weitere Nachteile: Sogar Fahrradfahrer haben keine Durchfahrt, der Verkehr quält sich über die einspurigen Verkehrswege Tiergartenstraße und John-Foster-Dulles-Allee. Dort übrigens zu WM-Zeiten Public Viewing im großen Saal der Kongreßhalle („Schwanger Auster“) mit besten Bedingungen – sehr großes, sonnenlichtfreies Bild bei bestem Ton im Haus der Kulturen der Welt, leichter Zugang zur Terrasse mit Getränken und Grill. Weltmeisterlich zur Weltmeisterschaft.
Die immer wieder durch die Presse geisternde Fanmeile ist Geschmackssache. Wer kein schlechtes Gewissen hat für den Verkehrsfluss der Stadt und gern seinen Rucksack durchsuchen lässt sowie bei Überfüllung Gefahr laufen möchte, abgewiesen zu werden und dass in eindeutiger Umgebung bei Bier aus dem Plastikbecher & Co – bitteschön.
Wir gehen nicht nur bei Regen lieber ins Cinestar im Sony-Center, dass von der Fanmeile aus im Süden zu sehen ist. Nur bei Platzreservierung Verzehrzwang. Die größte Leinwand der genannten Locations und der beste Klang. Bequeme Kinositze mit Getränkehaltern statt harter Holzsitze in staubigen Vorgärten mit Sand im Schuh. Keine Nebengeräusche von Diesel-Lkw und Benzinmotoren. Das Kino 3 im Cinestar erhält außerdem von uns den Preis für die beste Dekoration (siehe Bild). Einziger Nachteil: Man ist nicht draußen.
Da will man ja manchmal sein, und sei es auch nur, um Deutschland Gesellschaft zu leisten.