Was hier so runtererzählt wird, besitzt natürlich die Feinheiten im Detail. Eine davon ist das Drehbuchschreiben von dem Schweizer Erfolgsautor Martin Suter. Und tatsächlich sind die Dialoge spitziger und witziger als gemeinhin in deutschsprachigen Komödien. Das auch hier manchmal der Witz ausgeht, hat eher mit dem Thema des Älterwerdens zu tun, das halt nicht auf Dauer lustig ist. Wenn wir die durchschlagende Hauptfigur und ihren Galan erst einmal beiseitelassen, weil sie ja schon im Titel als inexistent angegeben ist, dann entfalten sich im Film Paare zu ihrer wahren Bedeutung. Man kann kaum wählen, wer einem besser gefällt, als Exemplar des Älterwerdens, wie es im Buch steht, oder wie die Runzeln und Falten es aufweisen. Uns gefiel die Anfangspassage mit dem um Liebesvollzug bemühten Paar, das angesichts von Krämpfen nun zum Entkrampfen erst einmal einen Spaziergang durch die Wohnung statt einen Rittberger auf dem Bett machen muß, besonders gut. Sehr realistisch. Oder haben Sie noch nie beim Lieben einen Krampf im Bein bekommen? Dann stimmt bei Ihnen etwas nicht. Denn erotische oder sexuelle Anspannung entlädt sich oft an ungewollter Stelle.
Um das zu wissen, muß man allerdings über Lebens- und Liebeserfahrung verfügen und die hat eben auch etwas mit Alter und Altern zu tun, da sieht man manche Dinge gelassener. Auch Filme. Das verfreudnete Schwulenpärchen ist zwar leicht überzeichnet in ihrer Rollenaufteilung als jüngerer Agressiver und älterer Duldender, aber wer sagt denn, das Überzeichnungen nicht stimmen, wenn sie das Wesentliche herausarbeiten und das gemeinsame Lebenskonstrukt verdeutlichen. Die Dialoge der beiden konnte man auf jeden Fall so manches Mal auch im richtigen Leben laut bei heterosexuellen Paaren hören.
Einen tollen Part hat Sunnyi Melles als wahrheitstönende blonde Sirene Alessia, die zwar nicht eingeladen war, aber die Gelegenheit nutzt, den etwas hinfälligen und wartenden Herrschaften den Marsch zu blasen. Das macht sie einfach wunderbar.
Die Handlung bezieht die Jüngeren als törichte Teenager und verstörte Eltern in den Film mit ein. Denn es ist ein Grundprinzip des Films, eines typischen Episodenfilms, daß nun alle Generationen anläßlich des Fünfzigsten der Giulia vorgeführt werden, die sie als Einzelwesen en passant in ihrer Bahn getroffen hatte. Diese Passagen von Einkaufen, besser: Klauen und den Folgen der beiden pubertierenden Gören, erschienen uns aufgesetzt und irgendwie nicht wirklichkeitsnah, weshalb wir sie hier nicht weiter verfolgen. Ganz anders dagegen – und in ihrer Radikalität mehr als eine Komödie – die Szenen im Altersheim. Die sind so bitter und mit der hier gelebten Altersradikalität auch wahrscheinlich, die eben oft das Pendant zur Altersweisheit ist. Auch hier wird Geburtstag gefeiert, die unwürdige Greisin aber sabotiert ihre eigene Feier zum Achtzigsten und erst recht ihre eingeladenen Gäste. Am meisten die brave und unerträglich besserwisserische Tochter, aber auch die anderen bekommen ihr Fett weg, beziehungsweise die Torte ins Gesicht.
Doch, man lacht viel. Sehr viel. Leider bleibt einem das Lachen kaum im Hals stecken. Das ist also ein Film, der sich anzuschauen lohnt, wenn man sich gerne geschliffene Dialoge anhört und zuschauen möchte, wie Bruno Ganz eigentlich Bruno Ganz spielt – was wir Tage können. Die Titelfigur schien uns schauspielerisch in der Rolle unterfordert. Corinna Harfouch ist nämlich eine exzellente Darstellerin, die endlich wieder richtig gute Rollen verdient. Der Film ist auch gut geeignet für diejenigen, die Konventionen nicht so gerne folgen, sondern sie lieber umgehen möchte. Da allerdings hört der Spaß auf. Denn eigentlich kann nach diesem Film nie wieder jemand öffentlich seinen Geburtstag feiern. Die nichtgesagten Sprüche wie die gesagten sind eben so bei allen Feiern, den familiären und den geselligen. In der Schweiz ist der Film schon angelaufen und wurde mit über 150 000 Besuchern der erfolgreichste Schweizer Film 2009, der zudem den Publikumspreis des Film Festivals von Locarno 2009 gewann! In der Bundesrepublik ist GIULIAS VERSCHWINDEN ab heute zu sehen.
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Titel: Giulias Verschwinden
Land/ Jahr: Deutschland 2009
Genre: Komödie
Kinostart: 4. Februar 2010
Regie: Christoph Schaub
Drehbuch: Martin Suter
Darsteller: Corinna Harfouch, Bruno Ganz, Stefan Kurt, Andre Jung, Sunnyi Melles, Teresa Harder
Laufzeit: 86 Minuten
FSK: Ab 6
Verleih: X Verleih
Internet: www.giuliasverschwinden.x-verleih.de