Berlin, Deutschland (Weltexpress). Die Fußball-WM in Russland läuft seit ein paar Wochen und das Fanvolk goutiert sie mehr oder weniger entspannt. Im Zeitalter des Populismus und der Widerkehr von Säbelrasslern, ist sie natürlich auch eine politische Angelegenheit. Putin und Co. nutzen die großen Bühnen, um ihr jweweiligen Systeme als die einzig richtigen zu präsentieren. Weil es heute nicht mehr um Weltanschauung, sondern nur noch um Machtspähren geht, mutet es seltsam an, wenn zwei imperiale Großmächte dem Gegner den schwarzen Peter zuschanzen wollen. Putin und Trump könnten Geschwister sein, ihre Kulturferne vereint sie, neben vielen weiteren ungemütlichen Gemeinsamkeiten.
Im verdienten Fußball-Verlag Die Werkstatt erschien Ende Februar Russkij Futbol: Ein Lesebuch. Es vereint sechzehn Texte, die aus verschiedenen Positionen ein Auge auf den russischen Fußball werfen.
Ob die berühmten Leningrader Blockadespiele in der Zeit des 2. Weltkriegs, das erste Freundschaftsspiel der UDSSR gegen die BRD im Jahr 1955 oder die schlimme Stadionkatastrophe mit ein paar Dutzend Toten im Luschniki im Oktober 1982, das Buch bietet informativen Lesestoff für Debütanten der Historie. Einigen der Beiträge fehlt ein wenig der Drive, auch möchte der mündige Leser nicht immer wieder die Schlechtigkeit des Systems Putin auf die Nase gerieben bekommen. Gern hätte ich des Weiteren ein paar Zeitgenossen des russischen Fußballs/der Fankultur im Interview näher vorgestellt bekommen.
Garniert mit einigen wunderbaren, nein großartigen farbigen Portrait-Zeichnungen wichtiger sowjetisch-russischer Fußballlegenden im Mittelteil und einmaligen Fotos, die teils aus den 30er Jahren stammen, ist das Buch aber wirklich ein kompaktes Schmuckstück, das jedem WM-Reisenden zu empfehlen ist.
Bibliographische Angaben
Stephan Felsberg, Tim Köhler und Martin Brand (Herausgeber), Russkij Futbol, Ein Lesebuch, 224 Seiten, Format: 13,5 x 21,5 cm Paperback Abbildungen, Verlag: Die Werkstatt, 1. Auflage, Göttingen 2018, ISBN: 3-7307-0395-3, Preis: 16,90 Euro