Vielleicht kommen wir auf diese Idee auch deshalb, weil zwei Kollegen des Weltexpress gerade über die Jubiläumsveranstaltung der Eintracht Frankfurt zum Europapokalspiel 1960 berichtet hatten und in der Redaktion erzählten, wie schlagfertig, selbstbewußt, aber auch realistisch die Frauen der damaligen Spieler über ihr Leben berichtet hatten, zu einer Zeit, als ein Fußballer 120 DM verdiente, zusätzlich zu seinem normalen Lohn, denn Profifußball kannte Deutschland noch nicht. Diese Frauen wußten, was ihnen die Prominenz ihrer Spielerehemänner – denn auch ohne Geld waren diese Spieler gesellschaftlich hochgehandelte Idole – persönlich einbrachte: als Frau ihren Mann zu stehen, alle Alltagsdinge, die sonst Männer machen, selbst in die Hand zu nehmen, die Kinder weitgehend alleine zu erziehen, den Freundeskreis – unabhängig von Fußballkollegen – aufrecht zu erhalten, die Eltern beider Eheleute, wenn nötig, zu betreuen, für persönliche Entfaltung, wie es so schön heißt, war da kein Raum mehr. Allerdings waren diese Spielerfrauen eingebunden in ein lokales Leben, denn wer einmal erfolgreicher Spieler der Frankfurter Eintracht war, blieb in der Regel beim Verein.
Und da fangen die Unterschiede zu heutigen Spielerfrauen schon an, weshalb die Filmemacher Dollhopf und Goldbrunner vielleicht die Bezeichnung „WAGs“ vorzogen, die dennoch falsche Assoziationen weckt. Denn ein Bundesligaspieler zu sein und potentiell von Bayern München abgeworben zu werden, ist zwar schon höherklassig, aber damit noch nicht automatisch in der Riege der Oberen Zehntausend der Weltfußballer angekommen. Es handelt sich also im Film um eine Zwischenschicht, um Frauen, deren Existenz vom Beruf des Ehemannes einerseits abhängig ist, weil er – ohne sie zu fragen, wie es der Film vorgibt – den Verein und damit den Wohnort wechselt, was eine eigene vernünftige berufliche Tätigkeit fast ausschließt, Frauen, die andererseits aber nicht so prominent sind, daß sie beim Einkaufen erkannt würden oder Werbeverträge erhielten oder eine eigene öffentlich Rolle spielten, wie es die Victoria Beckhams dieser Welt tun.
Wir, die wir uns Fußballspiele anschauen, haben den Film mit Interesse angesehen und den Pulk der Spielerfrauen, die völlig auf ihre fußballspielenden Männer fixiert sind, verwundert betrachtet. Höchste Zeit, einmal zu eruieren, wie das in anderen Vereinen ist, ob da auch gemeinsam in der Vereinsloge gezittert, geweint oder gejubelt wird. Der Film nimmt das nur als Hintergrund, vor dem sich zwei Spielerfrauen abheben: die mondän auftretende, schon lange dabeiseiende dunkelhaarige Dina (Vesela Kazakova), Ehefrau des bulgarischen Topspielers bei Hertha BSC Berlin und die blonde Judith (Sonja Gerhardt), blutjung und gerade aus der Provinz ihrem Freund Ronny zum Berliner Spitzenverein folgend. Was wir in den 39 Minuten des Films nun miterleben, ist das Bewußtwerden der WAGs-Situation beider. Denn Dina erkennt sich in dem jungen Mädchen wieder, das unbedarft und ohne eigene Perspektive, nun anfängt, eine große Wohnung mit dem Geld des Spitzenspielers einzurichten, wobei das einzig Heimatliche die mitgebrachte Katze ist – eine besonders schöne!, aber eigentlich sind alle Katzen schön. Diese Judith wirkt auf Dina wie ein Brennglas, durch das sie ihre eigene Existenz gnadenlos erkennen muß: sinnlos Geld ausgeben, ohne innere Befriedigung, weil sie selber in Berlin nichts anderes macht, als Spielerfrau zu sein.
Für Judith hingegen ist diese erfahrene, weltgewandte Dina deshalb so undurchsichtig, weil sie die Motive der Bemühung um sie – „Was willst Du eigentlich von mir?“ – nicht einordnen kann und erst einmal hin- und hergeworfen wird zwischen Ablehnung und Interesse für diese Dina. Letzteres setzt sich durch und diese Passagen in der Annäherung der beiden gefielen uns gut. Endlich einmal albern sein zu dürfen, durchaus ebensolche sinnlosen Einkaufaktionen zum Verkleiden zu nutzen und dadurch auch das eigene Sein einmal spielerisch zu variieren, als immer mit dem Vorschlaghammer der sich richtig verhaltenden Spielerfrau zu leben, das ist zumindest ein Ausbruch aus dem Regelleben, das Spielerfrauen oktroyiert ist, was eine richtige These der Regisseure ist. Diese sind nämlich für Vereine und Fans faktisch nur dazu da, daß die empfindlichen Rasenstars ausgeglichen und motiviert ihre Spiele bestreiten. Wir vermuten aufgrund eigener Kenntnis, daß Spielerfrauen wohl oft auch für ihre Männer alleine diese Funktion haben: zum Erfolg des Fußballspielers beizutragen.
Diesen Aspekt spart der Film völlig aus, was uns fehlt. Denn sicher ist die Existenz einer WAG auch sehr vom Verhältnis zum Ehemann/Freund abhängig, also davon, ob dieser in ihr noch etwas anderes als ein funktionierendes Rädchen sieht. Andererseits wäre dann der Film überfrachtet gewesen, der ja nur eines will: aufzeigen, daß solche Leben wie dieser WAGS inhaltleer und deshalb traurig sind, die für andere aber als anstrebenswert gelten. Ein bißchen mit dem Holzhammer dann der Entschluß von Dina, zurückzugehen in die Heimat und selbst etwas zu machen und damit selbst etwas zu sein. Aber folgerichtig. Und auch die Zukunft von Judith, die immer noch ohne Wohnungseinrichtung, diese gleich wieder auflösen muß und dem Spielerfreund nach München folgt, die läßt zumindest auf eine Judith hoffen, die nicht mehr naiv dem Nichtsein ausgeliefert ist, sondern in der Situation – ob verheiratet, mit oder ohne Kind – etwas Eigenes versuchen wird.
Insofern hat auch die Briefeschreiberin recht, daß unserer Autorin ein unrichtiges Zitat unterkam. Diese Judith spricht an einer Stelle nicht davon, daß sie kein eigenes Leben haben wolle, sondern sogar umgekehrt, als ihre Schwangerschaft feststeht, davon, daß sie mit Ronny eine eigene Familie haben will, ein eigenes Leben haben will, aber kein eigenes Leben hat. So etwas wie ein eigenes Leben in einer ansonsten fremdbestimmten Existenz sich aufzubauen, ist also die Perspektive, mit der wir Judith und damit den Film verlassen. Damit reiht sich Judith noch immer nicht in die Liga der richtigen WAGs ein, ist aber vervielfachbar mit all den Frauen, die an der Seite berühmter und reicher Männer – seien sie Stararchitekten, Weltdirigenten, gehobene Filmschauspieler, Groß-Manager, Politiker, Sportler – versuchen, ein eigenes Leben zu konstituieren oder dies lassen und sich mit dem Anhängselsein zufrieden geben. Was diese Klientel allerdings von Fußballprofis und deren Frauen unterscheidet, ist in der Regel die soziale Herkunft, in der beide, die Männer und die Frauen, durch Bildung und Erziehung ihre Situation von Einsamkeit und Ersatzleben zu kompensieren versuchen. Aber das wäre ein neuer Film.
Titel: WAGs
Land/ Jahr: Deutschland 2009
Genre: Drama
Regie und Drehbuch: Evi Goldbrunner, Joachim Dollhopf
Darsteller: Vesela Kazakova, Sonja Gerhardt, Gordon Schmidt, Alen Hebilovic, Nora Hütz
Laufzeit: 39 Minuten
DVD: DCP/HD, 1.89:1, Dolby Digital, HFF/rbb 2009
Internet: www.wags-film.com