Die Ungarn haben bereits versprochen, ganz Europa auf den Gulasch-Geschmack zu bringen und für Csardas und zu Ferenc Liszt zu werben. Im kommenden Jahr wird das 200-jährige Jubiläum des großen Komponisten begangen, den die Ungarn für ihren Landsmann halten, der aber kaum Ungarisch konnte.
Die Franzosen haben nichts versprochen. Frankreich und Nicolas Sarkozy sind überzeugt, dass die ganze Welt ohnehin glücklich sein sollte, französischen Käse zu essen, französische Weine zu trinken, französisches Parfüm und französische Mode zu genießen. Eigentlich haben sie Recht.
„Innovative Finanzierung“ Sarkozys
Sarkozy hat bereits zu verstehen gegeben, was die G20 von ihm erwartet und was er selbst von ihnen erwartet. Der hyperaktive französische Staatschef plädiert für eine Reform des internationalen Devisensystems, für die maximal koordinierte Kontrolle über die grenzüberschreitenden Kapitalbewegungen, für scharfe Regeln der Wirtschafts- und Währungspolitik, für Maßnahmen zur Stabilisierung der Preise für Agrarprodukte, um Schwankungen bei den Lebensmittelpreisen zu vermeiden.
Nach seiner Auffassung ist ein System der „innovativen Finanzierung“ erforderlich – internationale Steuern für große Finanztransaktionen (eine Art globale Steuer für den Bedarf der armen Länder, für die Entwicklung des Bildungs- und Gesundheitswesens, für die Seuchenvorbeugung in der Welt usw.). Schließlich will er die G20 in ein ständiges Gremium verwandeln, das sein eigenes Sekretariat hat.
Außerdem ist Sarkozy an einer Intensivierung der Kooperation zwischen der G20 und der UNO interessiert. In diesem Kontext wurde einmal sogar das Format „G192“ erwähnt (192 Länder gehören der UNO an). Davon können die Gallier, objektiv gesehen, weiter träumen.
Die von den Franzosen initiierte Tagesordnung der G20 ist dermaßen global und anspruchsvoll und könnte umfassende Folgen haben (eigentlich wie alle Initiativen Sarkozys), dass der G20-Gipfel in Nizza auch dann als erfolgreich gelten dürfte, wenn wenigstens zehn Prozent der Pläne in Erfüllung gehen sollten.
So etwas passiert aber nur selten. Selbst wenn man bedenkt, dass G20-Treffen nur „fakultative Beratungen“ sind, deren Entscheidungen nicht verbindlich sind. In der G20 stützt sich alles auf das Freiwilligkeitsprinzip. Deshalb scheuen sich viele Mitgliedsstaaten nicht, einfach zu „vergessen“, was sie da alles gebilligt haben. Außerdem lassen sich die dabei gefassten Beschlüsse ziemlich unterschiedlich deuten.
So hatten sich die USA bei früheren Gipfeln versprochen, Maßnahmen zur Stabilisierung der Währungskurse zu ergreifen und ihre Ausgaben zu mäßigen (um den Dollar-Wechselkurs nicht künstlich zu senken). Dennoch machten sie genau Gegenteil und lösten dadurch große Empörung in den EU-Ländern aus.
In Washington schaltet man bisweilen die Gelddruckmaschine ein. Der Dollar wird billiger und der europäische Export wird teurer, was sich negativ auf die europäischen Wirtschaften auswirkt.
Möglicherweise wird Sarkozys Idee, ein ständiges G20-Sekretariat zu errichten, tatsächlich Realität. Sarkozy hält regelmäßige Gipfeltreffen dieser Vereinigung für sein Verdienst (Frankreich hatte nach der Wirtschaftskrise in Asien 1999 für Beratungen der G20-Finanzminister plädiert). Deshalb sollte das Sekretariat in Paris sitzen. Viele Experte bezweifeln allerdings, dass eine solche große Vereinigung, an der unterschiedliche Länder beteiligt sind, überhaupt lebensfähig ist.
Es ist also fraglich, dass alle G20-Mitglieder dieser Initiative zustimmen. Böse Zungen behaupten sogar, dass Sarkozy das alles nur für seine Beteiligung an der Präsidentenwahl 2012 braucht. Weil er keine besonderen außenpolitischen Erfolge für sich habe verbuchen können, will er die Institutionalisierung der G20 sich gutschreiben.
Außer 2008 in Washington fanden die G20-Gipfel bisher zweimal im Jahr statt: 2009 in London und Pittsburgh, 2010 in Toronto und Seoul. Ab 2011 (in Nizza) werden sie wieder nur einmal im Jahr abgehalten.
Über die Zweckmäßigkeit dieser Treffen wird man sowohl angesichts der Qualität der dabei getroffenen Vereinbarungen als auch angesichts deren Umsetzung entscheiden können. Mit den beiden Aspekten gibt es aber Probleme. Die ständig wachsende Gemeinschaft der Wirtschaftsexperten neigt zur Meinung, dass Europa (EU), die USA und die Wachstumswirtschaften derzeit eher voneinander wegbewegen statt sich anzunähern.
Dieser Trend ist sowohl durch die Unterschiede zwischen den Potenzialen verschiedener Länder als auch durch ihre unterschiedlichen Ansichten zur Lösung der globalen Probleme sowie ihren nationalen Wirtschaftsegoismus bedingt. Europa (Deutschland und Frankreich) tendieren zu scharfen Maßnahmen und zu strenger Haushaltsdisziplin. Amerika will die von ihm ausgelöste Finanzkrise nicht allein regeln, während die Entwicklungswirtschaften nicht begreifen, warum sie diese beiden Punkte als ihr eigenes Vorgehensmodell akzeptieren sollten – und haben dabei Recht.
Erwähnenswert ist auch die Skepsis mancher Experten in Bezug auf die Zugehörigkeit Russlands zur BRIC-Gruppe (Brasilien, Russland, Indien, China – eben diese Länder gelten als Entwicklungswirtschaften). Sie bezweifeln, dass sich die russische Wirtschaft objektiv intensiv entwickelt.
Wie die britische Zeitschrift „The Economist“ formulierte, gehört Russland dieser Gruppe vor allem dank „der Zufälligkeit seiner geografischen Geburt“, sprich wegen seinen kolossalen Öl- und Gasvorräten, an. Dabei kann es aber kein Tempo des Wirtschaftswachstums wie Indien, China und sogar Brasilien vorweisen. Das ist zwar keine positive, aber doch richtige Einschätzung.
Was Ungarns bevorstehenden EU-Vorsitz angeht, so hat das Land der Gulaschkanonen in dieser Funktion kaum noch Gewicht, nachdem der Lissabonner Vertrag, das neue europäische Grundgesetz, Anfang dieses Jahres in Kraft getreten ist. Der EU-Vorsitzende ist jetzt so etwas wie ein Betriebsrat, der im Beisein des Direktors und der Unternehmensbesitzer arbeitet.
Csardas jedenfalls ist dem EU-Hauptquartier in Brüssel sicher.
RIA Novosti