Berlin, Deutschland (Weltexpress). Hardy Krüger, 1928 in Berlin geboren, gilt schon jetzt als Legende. Bereits in jungen Jahren wurde er als Schauspieler bekannt. Der Film „Einer kam durch“ verhalf ihm zu Weltruhm. Aber auch als Schriftsteller machte er sich in den letzten Jahren einen Namen. Hardy Krüger ist auf allen Kontinenten zu Hause und hat mit seinen Büchern die klassische Reiseerzählung neu belebt. Als „Weltenbummler“ produzierte er darüber hinaus mehrere Fernsehfilme und Bücher. Am 19. Januar 2022 starb er in Palm Springs, Kalifornien, seiner dritten Heimat.
Dr. Peer Schmidt-Walther hat den Oscar-Preisträger (und seine Frau Anita) 2006 in der Südsee getroffen und vor seiner Buchlesung interviewt – an Bord des Transocean-Kreuzfahrtschiffes MS „Astor“ zwischen Tonga und Neuseeland.
Peer Schmidt-Walther: Sie sind nach wie vor ein viel gefragter Mann. Können Sie sich trotzdem die Zeit für eine Seereise nehmen?
Hardy Krüger: Zunächst einmal: Von dem Begriff „Zeit“ habe ich eine ganz andere Vorstellung als die meisten Menschen. In meinen siebzehn Jahren Afrika habe ich gelernt, mit Zeit anders umzugehen.
Dort gleicht die Zeit wirklich der Landschaft. Beides streckt sich vor einem aus, soweit das Auge reicht. Genau wie auf See. Und wenn man diesen Begriff von Zeit für sich verarbeitet hat, dann fällt es einem leicht, an Bord zu sein und die Zeit, die ja still zu stehen scheint auf eine gewisse Weise, zu genießen. Deshalb kann ich mir so eine Seereise auch sehr gut leisten.
Peer Schmidt-Walther: Eine Seereise zu unternehmen, bedeutet für Sie sicher nicht nur ein Stück Zeitbewältigung – auf Ihre ganz persönliche Art und Weise – , sondern auch Ruhe zu haben vor der Hektik des Alltags. Aber Sie sind ja nicht nur als Urlauber hier auf der „Astor“, sondern Sie lesen auch aus Ihren Werken. Ist das nicht etwas stressig?
Hardy Krüger: Ich kenne das deutsche Wort „Stress“ überhaupt nicht. Ich muss immer lachen, wenn Leute das benutzen. Was ich tue, das mache ich gern oder gar nicht. Schreiben und den Menschen meine Geschichten vorlesen, das macht mir Spaß. Das ist das Gegenteil von Stress. Ob das nun an Land geschieht oder an Bord eines Schiffes.
Die Menschen, die zu einer solchen Lesung kommen, möchten das Gleiche. Sie möchten natürlich erst mal was Gutes hören. Sie kommen hin – und das begeistert mich immer sehr – und sitzen da mit Augen wie Kinder unterm Weihnachtsbaum, wenn Daddy eine Geschichte erzählt.
Peer Schmidt-Walther: Wir werden es heute Abend erleben und sind gespannt auf Ihre zweistündige Stunden Lesung. Ist das eine Premiere?
Hardy Krüger: Ja, aber nicht meine erste Seereise – allerdings das erste Mal, dass ich an Bord eines Schiffes lese.
Peer Schmidt-Walther: Sind Sie früher schon mal auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs gewesen?
Hardy Krüger: Ja, oh ja! Mit unserem Team haben meine Frau Anita und ich auf der „World Discoverer“ und der „Bremen“ in der Antarktis gedreht für die „Weltenbummler“-Fernsehreihe. Mit der „Explorer“ waren wir in Indonesien. Meine Geschichten und Anitas Fotos haben auch ihren Niederschlag gefunden in unseren drei „Weltenbummler“-Büchern.
Dann sind wir auf Einladung, ohne dass wir da gearbeitet haben, einmal von der Osterinsel bis nach Moorea gefahren. Zu Kreuzfahrten habe ich im übrigen meine eigene Einstellung.
Peer Schmidt-Walther: Und die wäre?
Hardy Krüger: Also, im Moment – ich muss Ihnen da an der einen Stelle widersprechen – bin nicht zum Arbeiten hierher gekommen, sondern zum Ferien machen. Neben Brückenbesuchen lesen wir viel in unserem mitgebrachten Material über die Gegenden, die wir besuchen werden. Ich bin eigentlich kein Freund vom Faulenzen, so in dem Sinne, mich braun brennen lassen. Wir genießen es aber, Zeit zu haben.
Gut, hier werde ich oft angesprochen, das ist klar, denn die Menschen haben ein Bedürfnis, mit mir zu reden.
Viele sagen mir: Ach, wir haben uns ja so auf Sie gefreut, dass Sie lesen an Bord und jetzt hat meine Frau gesagt, der kommt gar nicht. Das glaube ich erst, wenn ich ihn sehe. Viele haben auch gesagt, wir haben diese Strecke gebucht, weil wir uns mal mit Ihnen unterhalten wollten und weil wir Ihre Lesungen erleben wollen.
Wir hatten Sie schon mal in Stralsund, da haben wir Sie lesen gehört und das war so schön, das möchten wir jetzt an Bord noch mal haben.
Die freundliche Ansprache der Menschen, das gebe ich unumwunden zu, tut mir gut und stört und belästigt mich überhaupt nicht.
Peer Schmidt-Walther: Andere hingegen wollen sich an Bord von der Kopfarbeit an Land erholen. Aber irgendwie hat doch jeder Mensch das Bedürfnis, mal völlig abzuschalten, nicht zu arbeiten, niemanden zu sehen…
Hardy Krüger: Ja, natürlich, auch das. Wir haben zum Beispiel in der Karibik mal eine „Grand Banks“ ohne Besatzung gechartert, das ist so eine Art Trawler. Dafür besitze ich ein Küsten-Patent. Anita wurde von mir zum Matrosen ausgebildet und dann haben wir beide ganz alleine die Inseln abgeklappert, herrlich!
Peer Schmidt-Walther: Verspürte schon der Berliner Steppke Eberhard Krüger hin und wieder mal einen Drang in die Ferne?
Hardy Krüger: Meine Schwester und ich sind von unseren Eltern sehr geliebt worden. Es war so schön bei uns in Biesdorf, dass wir gar nicht weg wollten.
Dann hat sich das ein wenig verändert, weil ich ja in der Nazizeit groß geworden bin und von zu Hause fort musste in die Nazi-Ordensburg Sonthofen. Anschließend, mit 16 Jahren, musste ich Soldat werden.
Aber um Ihre Frage zu beantworten: Für mich bestand damals die Sehnsucht nicht darin, in die Welt hinaus zu gehen, sondern ich habe gar nicht gedacht, dass ich mal aus Berlin herauskomme. Ich wollte damals eigentlich immer nur wieder nach Hause zurück. An der Front hatte ich nur einen Gedanken: zu überleben – und das ist mir gelungen.
Meine Wissbegierde, etwas zu sehen, was hinter meinem Horizont liegt – darauf geht wohl Ihre Frage hinaus – , das ist bei mir erst mit 17 Jahren entstanden, als ich ein freier Mensch war. Eine ganz merkwürdige Sache ist da passiert, die ich nicht erklären kann. Als ich nach der Währungsreform die erste Gage – 1500 Mark – für einen Film bekam, kaufte ich mir neben einem Anzug, was glauben Sie, einen Koffer – und wusste gar nicht, was ich damit sollte
Peer Schmidt-Walther: Der war anscheinend ein erster Fingerzeig des Schicksals für den zukünftigen Weltenbummler…
Hardy Krüger: Wahrscheinlich. Hätte mich jemand gefragt: Was willst Du denn mit dem Koffer, hätte ich gar nicht gewusst, was ich antworten sollte. Es war ein Spontankauf, wie aus einer Eingebung heraus.
Peer Schmidt-Walther: Seitdem haben Sie die Welt auf Ihre Weise entdeckt. Gibt es noch „weiße Flecken“ für Sie, Regionen, die Ihnen noch fehlen in Ihrer Sammlung?
Hardy Krüger: Ja, noch eine ganze Menge – in Südamerika zum Beispiel. Das hat seine Gründe: Ich spreche weder Spanisch noch Portugiesisch und kann mich daher auch nicht mit den Leuten unterhalten, was ich immer sehr gern mache. Gut, wir waren auf dem Weg in die Antarktis ausgiebig in Chile und schon vorher mal bei den Indios am Rio Sinu in Brasilien, aber sonst fehlt mir viel von Südamerika.
Lücken habe ich auch an der afrikanischen Westküste. Meiner Meinung nach stimmt der Satz nicht, dass die Welt zu klein geworden sei – für mich ist die Welt unglaublich groß. Wir bräuchten mindestens zwei Menschenleben, nicht nur, um da gewesen zu sein, sondern auch um Näheres zu erfahren. Ich würde gern zwei Menschenleben vor mir haben, dann könnte ich unsere weißen Flecken auf der Weltkarte noch rot anmalen.
Peer Schmidt-Walther: Aber auch das „erste Leben“ hält sicher noch viele Perspektiven für Sie bereit. So agil, aktiv, mobil, geistig und körperlich fit, wie Sie sind, tragen Sie doch sicherlich noch manche Überraschung im Koffer, oder?
Hardy Krüger: Es wird sich nicht viel ändern. Dies ist ein wunderschönes Leben, das wir jetzt führen, und das vorher war genau so. Wenn ein guter Film kommt, dann würde ich wahnsinnig gern mitmachen – aber es muss was Anspruchsvolles sein. Das, was bisher angeboten wurde in den letzten fünf, sechs, sieben Jahren, hat mir überhaupt nicht gefallen. Ich bin aber auch nicht traurig, wenn keine guten Filmstoffe kommen, dann mache ich genau das weiter, was ich jetzt tue: schreiben, wahrscheinlich auch Theater spielen und reisen.
Darunter sind auch Seereisen. Wie Sie sehen: ein wunderbares Leben, und es geht weiter so.
Peer Schmidt-Walther: Ein treffendes Schlusswort. Vielen Dank für das Gespräch!
PSW sehr einfühlsam, einen passenderen Nachruf finde ich nicht, Danke SP