„Die Natur schenkt dem Menschen Gesundheit und Schönheit zum Nulltarif“, sagt Bernd Schneider (46), gelernter Landwirt und passionierter Hobbyförster. Er führt Gäste vom Lindner Hotel Wiesensee an den Weiden vorbei Richtung Wald. Dabei bleibt er immer wieder stehen und weist auf verschiedene Pflanzen am Wegesrand hin: „Der Weissdorn ist das reinste Bienenjuwel und stärkt das Herz. Aronstab ist ein altes Heilmittel gegen Depressionen.“ So entschleunigt er gleichzeitig seine Begleiter. „Stehen, schauen und sich besinnen – wer das regelmäßig macht, hat auch kein Burn-Out.“
Konzentrierte Birken-Power
Von allen Bäumen schätzt Schneider die Birke am meisten. Schon bei den Germanen war sie als Symbol für Jugend, Anmut und erwachendes Leben der Göttin Freya geweiht. Denn der besonders winterharte Baum sorgt für das erste zarte Grün im Frühling. So entwickelte sich der Brauch, am ersten Mai seiner Geliebten einen geschmückten Birkenbaum zu stellen. Alternativ können Junggesellen auch einen Birkenzweig am Haus oder am Fenster ihrer Auserwählten befestigen. „Das Lied „Der Winter ist vergangen, ich seh des Maien Schein“ nimmt darauf Bezug“, erklärt Schneider. Für die Wellness-Anwendungen des Birken-Arrangements macht Annerose Wiederstein-Kexel, ausgebildete Drogistin und Leiterin des Lindner-Hotel Spas, einen Sud aus frischen Birkenblättern. Diese enthalten konzentrierte Wirkstoffe wie Betulin und Kalium, die den Körper entgiften und so das Gewebe straffen. Zudem kräftigen Gerbstoffe und Vitamin C die Kollagenfasern und sorgen für eine glatte Haut. Deshalb werden Birkenextrakte auch erfolgreich gegen Cellulite eingesetzt. Den Sud vermischt Wiederstein-Kexel mit Mandelöl und Tonerde und reibt damit den Körper ein. Bei der Rückenmassage werden Stoffstempel, gefüllt mit Reis und Birkenblättern im Wasserbad erhitzt und ergänzend eingesetzt. Unter leichtem Druck geben sie wohlige Wärme ab und fördern den Entspannungsprozess.
„Um die entschlackende Wirkung der Birken-Wellness-Anwendungen zu unterstützen, sollte man möglichst Kalium reiche Gemüsesorten wie Kartoffeln, Paprika und Spargel essen“, empfiehlt Lindner-Koch Roland Friedirch. Seine Gerichte würzt er zudem mit verdauungsanregenden Kräutern wie Bärlauch und Petersilie. Tipp: Junge Birkenblätter kann man auch in Butter ausbacken und mit einer Prise Salz oder Zucker als gesunden Snack zu sich nehmen.
Holunder – vielseitig einsetzbar
Besonders malerisch ist der Aufenthalt im Lindner Hotel & Sporting Club Wiesensee im Frühsommer wenn die Waldränder des Westerwaldes schneeweiß leuchten: Zahlreiche Holunderbäume sind dann von prächtigen und duftenden Blüten übersät. Eine Göttin gab dem Holunder seinen Namen. Frau Holle nämlich wohnte als beschützender Hausgeist im Holunder. Die Germanen pflanzten und verehrten Holunderbäume deshalb in der Nähe ihrer Häuser, sie zu fällen war eine Sünde. Die Christianisierung verbot die Bräuche um den Holunder und Frau Holle ist heute nur noch als Märchenfigur bekannt. Schon seit der Antike gehört der Holunder zu den populärsten Heilpflanzen. Denn seine Pflanzenteile enthalten viele verschiedene Wirkstoffe. Die ätherischen Öle der Blüten etwa haben eine antibakterielle und beruhigende Wirkung. Hinzu sind Holunderbeeren als Saft ideal, um das Immunsystem zu stärken. Gäste im Lindner Hotel Wiesensee können die Wellness-Wirkungen des weißblühenden Baumes in einem Holunderblüten-Bad im hoteleigenen Spa ausprobieren. Dabei regen die ätherischen Öle der Blüten den Stoffwechsel an. Die anschließende Holunderblüten-Cremepackung mit Ziegenbutter nährt die Haut mit reichlich Vitamin A. So kann zum Beispiel Sonnenbrand effektiv vorgebeugt werden.
Zur kulinarischen Abrundung empfiehlt sich abends im Restaurant ein bunter Blattsalat mit Spargelspitzen und Holunderblütenessig-Marinade, gefolgt von einem erfrischenden Holunderbuttermilchsüppchen. Als Hauptgang wird ein zartes Kalbssteak mit Tagliatelle und Frühlingsgemüse verfeinert mit Holunderblüten serviert. Ein Holunder-Mango-Himbeer-Sorbet rundet das Menü ab. Tipp: Holunderblütensirup passt am besten in Mineralwasser oder Sekt. Außerdem lässt sich aus Holunderblüten, Zucker, Zitronensaft und Prosecco ein erfrischendes Sorbet zubereiten. Zudem sind ausgebackene Holunderblütendolden eine beliebte Süßspeise im Sommer. Und aus den Beeren kann man neben Saft oder Marmelade einen mild-süßen Essig herstellen.
Linde lindert Verspannung
Sie trägt tausende herzförmige Blätter, ihr weiches Holz eignet sich besonders gut für Liebesschwüre und sie ist der Lieblingsbaum der Liebesgöttin Aphrodite – und damit auch der Baum der Liebe. Bei den Germanen war der Laubbaum, der bis zu 40 Meter hoch und bis zu 1.000 Jahre alt werden kann, heilig. Bis heute noch stehen im Zentrum vieler Dörfer Jahrhunderte alte Linden. Deshalb sorgt ein blumiges Lindenblüten-Bad im Lindner Hotel & Sporting Club Wiesensee für tiefe Entspannung. Lindenblütenextrakte beruhigen und pflegen zugleich die Haut. Anschließend folgt eine Massage mit warmen Stoffstempeln, die mit Lindenblüten gefüllt sind. Sanfte Druckbewegungen lockern Verspannungen am ganzen Körper, gleichzeitig wirken die ätherischen Blütenöle wohltuend auf die Atemwege und beugen so Husten und Halsschmerzen vor. „Kulinarisch passt dazu eine auf Lindenholz geräucherte Forelle und Meerrettichtoast und eine leichte Kräuterschaumsuppe verfeinert mit Lindenblütenöl“, so Friedrich. Abgerundet wird das Menü durch einen Lindenblütenhonig-Wein und frischem Obst mit Lindenblütenhonig-Schaum. Tipp: Von der Linde sind nur die Blüten in der Küche einsetzbar. Sie liefern beispielsweise einen würzig-aromatischen Honig. Zusammen mit Kandiszucker, Birnenbranntwein, Quittenschalen und Vanille können sie zudem zu einem Likör verarbeitet werden.
Buche – Jungbrunnen für die Haut
Höhepunkt der Wanderung ist die ein Kilometer lange Holzbachschlucht mit ihren riesigen Basaltblöcken und tosendem Wildbach. Sie ist bis zu 30 Meter tief und steht unter Naturschutz. Dort sieht es aus wie im Märchen – romantisch und verwunschen. Wer Glück hat, kann hier Eisvögel und Schwarzstörche beobachten. Schneider erzählt von einer 50 Jahre alten Buche, die eine noch ältere Eiche umklammert. Die Wurzeln beider Bäume haben sich so ineinander verhakt, dass das ganze Ensemble einem Mammutbaum gleicht. „Jeder soll jetzt mal den Baum umarmen“, fordert Schneider die verdutzte Gruppe auf. „Dabei die Augen schließen, dann wieder auf und nach oben in den Himmel schauen – Bäume sind ein Teil unseres Lebens!“ Der Buche verdanken wir auch die „Buchstaben“ und damit die heutigen Bücher: Die Germanen ritzten Botschaften in die glatte Buchenrinde. Später schnitzte Johannes Gutenberg ein Schriftzeichen aus Buchenholz, wickelte dieses in Papier ein. Der Abdruck, den das Holz – der Buchstabe – hinterließ, inspirierte ihn zum heutigen Buchdruck. Vor wenigen Jahren entdeckten französische Forscher, dass im Buchenholz ein Jungbrunnen für die Haut steckt: Der Zuckerstoff Xylose. Verarbeitet zu Pro-Xylane regt er die Bildung von neuen Kollagenfasern an, so verschwinden kleine Fältchen. Die Haut bildet zudem wieder stärker Gylkosaminoglykane. Diese füllen wie kleine Wasserkissen die Lücken zwischen den Kollagenfasern und lassen die Haut straffer und jünger erscheinen. Frische, zarte Buchenblätter kann man als Salat oder blanchiert wie Spinat essen. Gehackt verfeinern sie zudem Kräuterquark. Bucheckern sind mit Butter und Zucker geröstet eine leckere Nascherei. Räuchern mit Buchenholz verleiht Fleisch und Fisch einen besonders würzigen Geschmack und macht es haltbar.
Erle – die Geheimnisvolle
Schneider weist auch extra auf die Erlen hin, die an den Bachrändern in der Holzbachschlucht stehen. „Im Mittelalter war den Menschen die Erle unheimlich. Denn sie besiedelt am liebsten feuchte Gebiete, die als bedrohlich und von bösen Geistern bewohnt galten.“ Zudem läuft Erlenholz beim Fällen an der Schnittstelle blutrot an. Daher stammt die Sage, dass Bäume beim Fällen bluten. Früher fand Erlenholz reichlich Verwendung. Holzschuhe, Schusterleisten und sogar Geschirr wurde aus ihm gefertigt. Die Rinde diente zum Gerben und Färben von Leder, aus Erlen-Zapfen stellte man schwarze Tinte her. Schmerzlindernd und fiebersenkend sind die Heilkräfte der Erle. Früher wurde mit einem Sud aus Erlenblättern und – rinde bei Hals- und Zahnfleischentzündungen gegurgelt. Schließlich kommt Schneider mit seiner Gruppe dem Ziel näher – dem Hofcafé Dapprich, das sich auf einem der ältesten Güter im Westerwald befindet. Dort wartet man schon mit Sauerrahmtorte, Eier-Käse und einem Mix aus Weißwein und Waldmeister, inklusive Möhrenschnaps auf die Wanderer. Das Volkslied „O du schöner Westerwald“ klingt jetzt für alle ganz besonders schön.
Infos zum Hotel: www.lindner.de
Buchtipps:
Adelheid Lingg: Heilkräuter aus dem Zauberkessel der Fülle, Franckh-Kosmos Verlag, 19,95 Euro
Susanne Fischer-Rizzi: Blätter von Bäumen – Heilkraft und Mythos einheimischer Bäume, AT Verlag, 24,90 Euro