Was wird nach Franziskus kommen

Papst Franziskus 2015 in Argentinien. Foto: Casa Rosada, Argentina Presidency of the Nation, Quelle: Wikipedia, gemeinfrei, CC BY-SA 2.0

Berlin, Deutschland (Weltexpress). In Vatikan wachsen die Befürchtungen über eine Rückkehr des erzreaktionären Kurses seiner Vorgänger, des Polen Karol Wojtyla und des Deutschen Joseph Ratzinger.

In Rom häufen sich Nachrichten, dass es um den Gesundheitszustand Papst Franziskus nicht zum Besten steht. Der frühere Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Maria Bergoglio, wurde am 13. März 2013 angesichts der tiefen Krise die seine Vorgänger, die erzreaktionären Päpste , der Pole Karol Wojtyla alias Johannes Paul der II. (1978-2005) und nach ihm der deutsche Ratzingerpapst als Benedikt XVI. (bis zu seinem Tod) die Kirche gestürzt hatten, ins Amt gebracht. Sein Ziel, die schlimmsten Auswirkungen seiner reaktionären Vorgänger zu begrenzen, stieß von Anfang an auf Widerstand der Anhänger von deren Vorgängern. Zwar hat Franziskus mit Ernennungen neuer Kardinäle versucht, die Wahl eines Nachfolgers, der seinen Kurs fortsetzt, abzusichern, aber ob das ausreicht, ist nicht sicher. Und so wachsen Befürchtungen, diese könnten nach Franziskus wieder einen ihnen genehmen Nachfolger durchsetzen. Es werden Erinnerungen an die so genannte USA-Vatikan Connection wach, die den Polen 1978 auf den Papstthron hievte. Werfen wir, davon ausgehend, einen Blick darauf, wie die reaktionärsten Kreise der USA und der NATO die Kurie in die damals herrschende Ost-West-Blockkonfrontation einspannten, was einschloss dazu einen ihrer Politik verpflichteten Kardinal zum Papst zu wählen. Daran hat sich auch nach dem Untergang des Ostblocks nichts geändert. Heute geht es darum, die Kurie fest hinter die Linie der USA, Nato und von EU-Staaten des Krieges gegen Russland, um es als Weltmacht auszuschalten, aufzustellen.

Damals wurde Karol Wojtyla, der ein Widersacher der von Johannes XXIII. (1958-1963) eingeschlagenen Liberalisierung der Kirche, der Versöhnung mit den Juden, des Dialogs mit dem Osten, der Aufgeschlossenheit gegenüber der Dritten Welt, einer Lockerung der Blockkonfrontation sowie der Friedenssicherung war, als der geeignete Kandidat gesehen. Paul VI. (1963-1978) hatte zwar als Kardinal Giovanni Batista Montini mit den US-Geheimdiensten zusammengearbeitet und sich an der Organisation der Fluchthilfe für NS-Kriegsverbrecher auf der sogenannten Rattenlinie beteiligt, war aber nicht entschieden genug gegen die Ergebnisse des II. Vatikanischen Konzils von Johannes XXIII. Vorgegangen.
Trotz der umfangreichen Kampagne zur Wahl Wojtylas wählte das Kardinalskollegium wider Erwarten am 26. August 1978 den als Sohn eines Arbeiters geborenen Albino Luciano zum Papst Johannes Paul XXIII. Wie später bekannt wurde, hatte Paul VI. das eingefädelt, um der USA-Vatikan-Connection ihre Unzufriedenheit mit ihm heimzuzahlen. Als Luciano nach nur 33 Tagen verstarb, wurde frühzeitig angenommen, er sei ermordet worden. [1] Jedenfalls war damit der Weg frei für Wojtyla. Dieser nahm dann nach seiner Wahl am 16. Oktober den Namen Johannes Paul II. an.
Mit Wojtyla wurde ein erbitterter Gegner der kommunistischen Regierungen in Warschau wie des sozialistischen Blocks insgesamt Pontifex. Er unterhielt enge Beziehungen zum US-amerikanischen Klerus und folgte der Linie der USA-Vatikan-Connection.

Der US-Klerus hatte Wojtyla in Übereinstimmung mit der CIA schon frühzeitig als Nachfolger Paul VI. systematisch aufgebaut. 1958 wurde er Weihbischof von Krakau, 1963 Erzbischof und 1967 mit 47 Jahren jüngster Kardinal der Kurie. Trotz des sozialistischen Regimes besaß die katholische Kirche in Polen nahezu unbeschränkte Handlungsfreiheit. Sie stand in der Zahl der Katholiken hinter Italien, Frankreich und Spanien an vierter Stelle in Europa, besaß die größte Zahl an Kirchen und weihte die meisten Priester.

Regisseur Zbigniew Brzezinski

1976 reiste der Schirmherr des Malteserordens, Kardinal Terence Cooke, nach Polen und lud Wojtyla in die USA ein, wo er u.a. einen Vortrag an der Harvard University hielt. „The Harvard Crimson Newspaper“ lancierte ihn danach am 30. Juli 1976 erstmals als Papabili (Papstkandidaten) in die Öffentlichkeit. Von da an sicherten einflussreiche Leute seine Wahl ab. Zuletzt reiste der führende Theoretiker des Rollback des Sozialismus, der 1928 in Warschau geborene Zbigniew Brzezinski, zur Teilnahme an der Beisetzung Johannes Paul I. als Vertreter des US-Präsidenten nach Rom. Dort hielt er sich während des ganzen Konklaves auf, dass Wojtyla zum Papst wählte.
In der USA-Vatikan-Lobby spielte der elitäre Malteser-Orden mit seinem Masseneinfluss eine gewichtige Rolle. Zu seinen führenden Persönlichkeiten gehörten die Kardinäle Joseph Ratzinger und Joseph Höffner (BRD), Franz König (Österreich), Vernon Walters (USA/CIA) und NATO-General Alexander Haig (USA). Die Malteser waren von fast 100 Staaten diplomatisch anerkannt und betätigten sich in 120 Ländern mit 28.000 aktiven und 830.000 Fördermitgliedern auch karitativ. In der Bundesrepublik gründete der Orden 1991 eine deutsche Assoziation, die heute etwa 550 Mitglieder zählt. Von Alexander Haig liefen wichtige Verbindungen zum Center of Strategic and International Studies an der Georgetown University, dem er angehörte. Weitere prominente Mitglieder waren Ronald Reagan und Henry Kissinger. Das Institut spielte eine wichtige Rolle beim Putsch gegen Salvatore Allende in Chile. In Rom war es federführend an der Ermordung des christdemokratischen Parteiführers Aldo Moro, der mit den Kommunisten zusammenarbeitete, beteiligt. Eine weitere maßgebliche Rolle bei der Wegbereitung Wojtylas auf den Papstthron spielte das klerikal-faschistische Werk Gottes Opus Dei.
Johannes Paul II. förderte mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Opposition in Polen. Bereits im November 1978 sei er dazu erstmals mit der CIA zusammengetroffen. Im Februar 1992 berichtete die „Times“, dass Wojtyla und Präsident Reagan am 7. Juni 1982 im Vatikan eine „Heilige Allianz“ gegen den Kommunismus schmiedeten. Für Hubertus Mynarek, den ehemaligen Dekan der katholisch-theologischen Fakultät der Wiener Universität, der 1972 aus der katholischen Kirche austrat, war diese Zusammenarbeit der „entscheidende Faktor“ für den „Zusammenbruch des sowjetischen Regimes“. [2]
Die Vatikan-Experten Carl Bernstein und Marco Politi berichteten, dass Wojtyla dazu auch eine enge Zusammenarbeit mit Malteserritter General Vernon Walters, einem der ranghöchsten US-amerikanischen Agentenführer, pflegte. [3] Walters war eine Schlüsselfigur der Defense Intelligence Agency (Militärische Aufklärung), avancierte unter Präsident Nixon zum stellvertretenden CIA-Direktor und war an der Ausarbeitung des Szenariums für den Putsch gegen Allende (Centauroplan) beteiligt. Die US-Intervention in Vietnam, bei der drei Millionen Menschen umgebracht wurden, feierte er in seinen Memoiren Silent Missions (Esslingen 1990) als einen „der nobelsten und selbstlosesten Kriege“ der USA. In Bonn
übernahm er 1990/91 als Botschafter das Kommando, um, wie er es formulierte, „die letzte Ölung zu geben, bevor der Patient (die DDR) stirbt“, oder anderes ausgedrückt, „dem sowjetischen Sicherheitssystem das Herz herauszureißen“. [4]
In Polen gewann der Heilige Stuhl mit Lech Walesa einen Volksverführer par excellence, der es mit jedem Ablasshändler des Mittelalters aufnehmen konnte. Ob die heutigen Anschuldigungen gegen ihn, er habe insgeheim auch mit den Geheimdiensten der Volksrepublik zusammengearbeitet und Spitzeldienste geleistet, zutreffen, lässt sich kaum beurteilen. Auch ob die Vorwürfe des Historikers Pawel Zyzak, der Solidarnosc-Gründer, vorgebliche Arbeiterführer und spätere Staatspräsident sei ein Dorfraufbold gewesen und hätte auch vor antireligiösen Ausfällen nicht zurückgeschreckt, zutreffen, sei dahingestellt, ebenso, ob sie dem Vatikan über seinen stets bestens informierten Geheimdienst Pro Deo bekannt waren. Von einer Zusammenarbeit hätten sie den polnischen Papst kaum abgehalten, hat sich dieser doch auch sonst mit wahren, das Tageslicht scheuenden Gestalten zusammengetan, wenn es denn um den Kampf gegen den Kommunismus ging. [5]
Gelder der USA für die Solidarnosc liefen über den Chef der Vatikanbank IOR, Erzbischof Marcinkus. Wojtyla soll als Staatsoberhaupt bei Reisen nach Polen Gelder in seinem Diplomatengepäck befördert haben. Wie E. R. Carmin schrieb, werde die finanzielle Hilfe, die Wojtyla selbst der Solidarnosc zukommen ließ, auf weit über 100 Millionen Dollar geschätzt. In deren Finanzierung war auch das Mitglied der faschistischen Putschloge P2, Roberto Calvi, Präsident der italienischen Ambrosianobank (BA) und außerdem Finanzmanager des Vatikans, weshalb er auch der „Bankier Gottes“ genannt wurde, einbezogen. Laut Calvi sollen die Gelder mehr als eine Mrd. Dollar betragen haben. [6] Der nach Aufdeckung der P2 nach London geflohene Calvi hatte gedroht, die Verwicklung des Papstes persönlich zur Sprache zu bringen, wenn die Ermittlungen gegen ihn nicht eingestellt würden. Danach wurde er per Selbstmord umgebracht. [7]

In Italien hatte sich die P2 unter Calvin und Marcinkus mit dem Vatikan als einer im Herzen Roms existierenden, aber von den italienischen Gesetzen unabhängigen staatlichen Großmacht mit dem Papst als Oberhaupt an der Spitze zusammengeschlossen. Vor allem aber war sie mit einer Finanzmacht (allein ein Aktienbesitz von fünf Mrd. Dollar) liiert, deren Instrumentarium von Börsenspekulationen über Kapitaltransfer bis zur Geldwäsche schwer durchschaubare Möglichkeiten bot. Unter die schmutzigen Geschäfte der Kurie fiel der Versuch, den italienischen Staat um 2,2 Mrd. Dollar Mineralölsteuer zu betrügen. Als der Banco Ambrosiano mit einem Verlust von über drei Mrd. Dollar 1982 Bankrott machte, erhoben 120 Gläubigerbanken Forderungen gegen ihn. Unter anderem waren 700 Millionen. Dollar spurlos verschwunden, die Calvi mittels „Patronage“-Briefen (Bürgschaften der Vatikanbank) von ausländischen Banken als Kredite erhalten hatte. Sie lagerten, wie vermutet wurde, auf Nummernkonten der P2 in der Schweiz. Gelli wurde später in der Eidgenossenschaft verhaftet, als er von einem solchen Konto abheben wollte. Während der Ermittlungen kamen zwangsläufig die Verwicklungen des Vatikans in ungeheuerliche Betrugsaffären ans Licht. In einem Fall hatte das IOR vom Ferruzzi-Konzern 75 Millionen DM Schmiergelder entgegengenommen und auf Konten in Luxemburg transferiert, wo sie italienischen Politikern zur Verfügung standen. Die Summe war als Staatsanleihe deklariert worden. Der Kirchenstaat war über das IOR, das in Wirklichkeit als eine Bank des Papstes gilt, als Mehrheitsaktionär am BA beteiligt. Er musste offiziell Verluste von 160 Millionen Dollar hinnehmen und darüber hinaus für seine Beteiligung an Briefkastenfirmen Calvis 250 Millionen Dollar Entschädigung zahlen.[8]

CIA/Pro Deo-Agent bei Solidarnosc

Bei der Solidarnosc setzten CIA und Pro Deo einen ihrer erfahrensten Agenten, Corrado Simioni, ein. Im Mordkomplott gegen Moro hatte er als Anstifter (Einflussagent) der Terroranschläge der Brigate Rosse eine entscheidende Rolle gespielt. Durch Berichte des „Corriere della Sera“ und des “Espresso“ wurde 1993 bekannt, dass Johannes Paul II. den Agenten fünf Monate vorher in Privataudienz empfangen hatte, begleitet von dem führenden Pro-Deo-Mann Abbé Pierre
Johannes Paul II. hat „die Restauration von Moral und Lehre der katholischen Kirche ins Werk gesetzt, um den Gefahren einer zunehmenden Verweltlichung der ‚Herde‘ zu begegnen, und hat alle von der offiziellen oder offiziösen Linie des Vatikans abweichenden Stimmen unterdrückt“. [9] Als er am 2. April 2005 starb, hatte er in seiner 26 Jahre und fünf Monate währenden Amtszeit den Aufbruch des Zweiten Vatikanischen Konzils unter Johannes XXIII. gestoppt und eine regelrechte Gegenreformation eingeleitet. Seine reaktionäre Wende wurde in Fragen wie Zölibat, Scheidung, Frauenpriestertum, Sexualmoral und vielen anderen sichtbar. Dieser Kurs rief nicht nur in Italien Widerstand und Protest hervor. Seit Mitte der 80er Jahre häuften sich in Europa die Kirchenaustritte. Mit seiner dritten Enzyklika „Centesimus annus“, die anlässlich des 100. Jahrestages von „Rerum Novarum“ 1991 erschien, knüpfte Wojtyla an der Verurteilung des „Sozialismus als Pest“ durch Leo XIII. (1878-1903) an und bekräftigte nach dem Untergang der Ost-Blockstaaten die „Absage an jede Form des Sozialismus“. [10]
Wojtyla erteilte auch der von Johannes XXIII. verfolgten Politik der Entspannung und Friedenssicherung („Pacem in terris“) eine Absage. Zu seinem nach dem ersten Irakkrieg 1991 erlassenen, sehr allgemein gehaltenen Friedensappell stellte er ausdrücklich klar: „Wir sind keine Pazifisten, wir wollen keinen Frieden um jeden Preis.“ Das war eine Parteinahme zugunsten der USA, die einen grausamen Feldzug geführt hatten. Der Vatikan beteiligte sich auch an der Entfesselung des Bürgerkrieges auf dem Balkan und der Zerschlagung Jugoslawiens, indem er zeitgleich mit der BRD und noch vor der EU den katholisch dominierten Separatstaat Kroatien diplomatisch anerkannte.
Wojtyla verfolgte die Befreiungstheologen in Lateinamerika, strafte aber auch unorthodoxe Meinungen weltweit ab. Er verstärkte die absolutistische Leitung der Weltkirche, verkündete den Gläubigen im Weltkatechismus von 1992 ein mittelalterliches Strafregister für ihre „Sünden“, in dem selbst die Drohung mit dem „ewigen Tod in der Hölle“ nicht fehlte. Neben dem Ruf als Reisepapst erwarb er den des Selig- und Heiligsprechers. Wie die Turiner „La
Stampa“ am 5. Mai 2002 berichtete, soll sogar Konrad Adenauer auf der „Warteliste“ gestanden haben bzw. stehen. Wojtyla erhob 1.338 Persönlichkeiten „zur Ehre der Altäre“ und sprach 428 heilig. Alle Päpste der letzten 400 Jahre erreichten zusammen nur etwa die Hälfte, die Wojtyla in rund einem Vierteljahrhundert vornahm. Höhepunkte dieser in vielen Fällen skandalösen Akte war 1992 die Seligsprechung des Begründers und langjährigen Generalpräsidenten des klerikalfaschistischen Opus Dei, José Maria Escrivá de Balaguer y Albás, und 1998 mitten in der Vorbereitung des NATO-Überfalls auf Jugoslawien die des früheren Erzbischofs von Zagreb, Kardinal Alojzije Stepinac. Balaguer verehrte Hitler und Franco, war „geistiger Berater“ des Würgers der Spanischen Republik und verharmloste den Holocaust. Mitglieder des Gotteswerkes waren am faschistischen Militärputsch Pinochets 1973 beteiligt und saßen anschließend in dessen Regierung. Nach der Aufdeckung der italienischen Staatsstreichloge P2 brachte Opus Dei polizeilich gesuchte Putschisten aus dem Gotteswerk in Sicherheit.

Nazi-Kriegsverbrecher selig gesprochen

Den Kroaten Stepinac hatte ein jugoslawisches Gericht 1946 wegen Kollaboration mit dem faschistischen Ustascha-Regime zu 16 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, die später in Hausarrest umgewandelt wurde. Im allerkatholischsten Ustascha-Kroatien wurden „zwischen 1941 und 1945 über eine Million Serben, Männer, Frauen und Kinder auf grausamste Weise umgebracht. Die Ustascha-Horden zerstörten 292 orthodoxe Kirchen, die besten davon eignete sich die katholische Kirche an.“ Weitere Opfer waren Juden und Zigeuner. [11] Halten wir fest, das alles geschah unter Papst Pius XII. (1939-1958), dessen Seligsprechung die Kurie derzeit betreibt.
Die Seligsprechung des letzten österreichischen Kaisers Karl I. im Oktober 2004 rief den Unwillen besonders vieler Italiener hervor. Nicht nur, weil es sich um den letzten Repräsentanten der einstigen Habsburger Fremdherrschaft über Italien handelte, sondern auch, weil dieser im Ersten Weltkrieg die schreckliche Schlacht am Isonzo befehligt und dabei Giftgas eingesetzt hatte.
In die Selig- und Heiligsprechungen wurden Frauen und Männer der katholischen Kirche eingereiht, die entgegen den Weisungen der Kirchenleitung Widerstand gegen das faschistische Regime geleistet hatten, wie beispielsweise der in Auschwitz ermordete Pater Maximilian Kolbe. Damit sollte die wahre Haltung der Kurie gegenüber dem Faschismus verschleiert werden. Mit der in Auschwitz ermordeten deutschen Jüdin Edith Stein, einer Philosophin, die zur Ordensfrau Teresa Benedicta a Cruce, die vom Kreuz Gesegnete, wurde, wollte Wojtyla ein besonderes Beispiel seiner „Ausgewogenheit“ demonstrieren, als er sie im Oktober 1998 heilig sprach. Damit schlug er jedoch, wie Uta Ranke-Heinemann sagte, den Juden ins Gesicht, da „Edith Stein, die persönlich jeden Respekt und jedes Mitgefühl verdient, (…) ein verirrtes und verwirrtes Opfer zwei Jahrtausende alter katholischer antijudaistischer Demagogie war. Über die Reichspogromnacht von 1938 sagte sie: ‚Das ist die Erfüllung des Fluches, den mein Volk auf sich herabgerufen hat‘. Ihren eigenen Tod sah sie gemäß der gleichen Judendiffamierung als ‚Sühne für den Unglauben‘ ihres Volkes an.“ [12]

„Erbauungsstunden“

Joseph Ratzinger alias Benedikt XVI. setzte seinen Vorgänger sofort auf die Liste der auf den Altar zu Erhebenden. Eine eingestimmte Menge, die ihn nach seiner Wahl auf dem Petersplatz feierte, skandierte „Santo subito (Heilig sofort), was natürlich ein Verfahren, wenn auch ein Schnellverfahren, voraussetze. 2011 war es dann soweit. Eine alte Freundin Wojtylas hatte allerdings Probleme bereitet. Wanda Póltawska veröffentlichte ein Buch „Beskidzkie rekolekcje“ (Erbauungsstunden in den Beskiden), das einen Teil ihrer über 50 Jahre geführten Privatkorrespondenz mit „Lolek“ (Karol Wojtyla), der sie „Dusia“ nannte, enthielt. Die streng konservative katholische Aktivistin und Professorin der Jagiellonen-Universität von Krakau bekleidete unter Johannes Paul II. wichtige Funktionen in päpstlichen Institutionen. Sie habe, schrieb sie, ihren Freund auf Bergtouren und im Urlaub nach Castel Gandolfo begleiten und mit ihm „innigste Gedanken austauschen können“. Von ihr habe der Papst auch Informationen über die polnischen Bischöfe erhalten, die ihm auf dem vatikanischen Dienstweg vorenthalten worden seien. Kardinal Jóse Saraiva Martins forderte daraufhin, die gesamte Korrespondenz müsse
von Theologen daraufhin analysiert werden, ob sich das vertrauliche Verhältnis zwischen dem Pfarrer, Erzbischof, Kardinal und Papst Johannes Paul II. zu seiner Schwester „Dusia“ in den Grenzen der christlichen Nächstenliebe gehalten habe. [13] Neu war das alles nicht. So schrieb Hubertus Mynarek, den jungen Wojtyla und eine Freundin habe man als Liebespaar gesehen. Eine langjährige Freundschaft habe Wojtyla in seiner Kardinalszeit auch mit der aus Polen stammenden, in den USA lebenden Philosophieprofessorin Anna Teresa Tymieniecka verbunden. Die „Enthüllungen“ ordneten sich in bereits bekannte ein und hielten den Seligsprechungsprozess nicht auf.

Opus Dei -Machtzentrum im Vatikan

Stärker als vorher mischte das bereits erwähnte Opus Dei bei der Wahl des deutschen Ratzingerpapstes die Karten. Zum Dank konnte das Gotteswerk unter seinem Pontifikat zu einem regelrechten Machtzentrum im Vatikan aufsteigen. Opus Dei-Mitglieder gelangten in hohe Regierungs- und öffentliche Ämter, erklommen die Chefsessel in Banken und Konzernen, kamen an die Schalthebel von Massenmedien und in einflussreiche Kirchenämter, erreichten Führungsposten in Lehre und Forschung. So soll das Gotteswerk seine Leute an 479 Universitäten in leitenden Positionen untergebracht haben, die unter dem in Ausbildung befindlichen Nachwuchs Mitglieder gewinnen und auf deren Platzierung nach Erwerb der Diplome und Doktorhüte Einfluss nehmen. Unter Ratzinger konnten seine Mitglieder sich selbst in der Hierarchie des Vatikans und in seinem engsten Mitarbeiterkreis postieren. Für eine Mitgliedschaft Benedikt XVI. liegen keine Beweise vor, was nichts besagen will, denn die Mitglieder, vor allem in hohen Funktionen, sind gehalten, ihre Zugehörigkeit zu verbergen. Fest steht, dass Opus Dei nachdem Joseph Ratzinger Erzbischof von München geworden war, dort offiziell eine Niederlassung eröffnen konnte. Bereits als Chef der Glaubenskongregation brachte er drei Opus Dei-Leute in seinem Leitungsgremium unter: Fernando Ocariz, der als Nummer Zwei der Organisation gilt, Angel Luno und Antonio Jesus, alle drei von der Universität Santa Croce des Gotteswerkes in Rom. Zu den Mitgliedern wurde der langjährige Chef der Vatikanbank IOR, Erzbischof Marcinkus gerechnet. Ob und in welcher Höhe er dem Werk Gottes finanzielle Zuwendungen zukommen ließ, ist nicht bekannt, wohl aber wird eingeschätzt, dass es die finanzstärkste Organisation der katholischen Kirche ist. [14]
Bleibt hinzuzufügen, dass Joseph Ratzinger als Papst Benedikt XVI. den erzreaktionären Kurs Wojtylas noch vertiefte. Davon zeugten die Seligsprechung von 498 der Kreuzritter Francos, seine Ausfälle gegen Protestanten und Moslems bis zur Rehabilitierung der faschistoiden Piusbrüder mit ihrer Leugnung des Holocaust. Das vertiefte die von Wojtyla eingeleitete Krise der katholischen Kirche weltweit weiter und zwang ihn im März 2013 zum Rücktritt.

Sexualverbrechen der katholischen Kirche gefördert

Nicht unerwähnt bleibe sollte, dass unter Ratzinger in der katholischen Kirche weltweit massenweise Sexualverbrechen geschahen, gegen die er nicht nur nichts unternahm, sondern sie im Gegenteil mit seiner auf bedingungslose Unterwürfigkeit ausgerichteten Erziehungslehre förderte. 1977 erlaubte er dem erzkonservativen „Neokatechumenalen Weg“, sich in seinem Bistum in München zu etablieren. Die Gemeinschaft fordert ein Leben „in Demut“ und „absoluten Gehorsam gegenüber jedem Priester“. Wie sollten derart instruierte Kinder und Jugendliche sich jedwedem Ansinnen eines Priesters da widersetzen. Diesem Geist der Unterwürfigkeit diente Ratzinger als Papst weiter durch seine Förderung des Opus Dei, von dessen Universität er die Ehrendoktorwürde annahm. 2002 stellte Ratzinger persönlich eine Propagandaschrift des „Opus Dei „ vor, die von den Gläubigen verlangte: „Demütige dich“, du bist „ein Eimer für Abfälle“, „schmutziger, herabgefallener Staub“. Mit solcherart „Glaubensmaxime“ bereitete auch das von Benedikt als Papst im Vatikan zu einem Machtzentrum etablierte Gotteswerk den Weg, dass sich Zöglinge dem Missbrauch, den Priester mit ihnen trieben, unterwarfen.

Nach der Annexion der DDR durch die BRD betrieb Opus Dei seine Osterweiterung, darunter bei Berlin die Errichtung eines Jungengymnasiums. Die Leitung hatte Cervose Navarro, langjähriger Vizepräsident der Westberliner FU und damals Institutsdirektor für Neuropathologie. Sein Wirken in der klerikalfaschistischen Organisation hinderte den damaligen Bundespräsidenten, Roman Herzog, nicht, ihn mit dem Bundesverdienstkreuz zu dekorieren. Den Vorschlag hatte FU-Präsident Johann Gerlach unterbreitet und mit „sozialem und beruflichem Engagement“ begründet. [15]

Als sein Nachfolger wurde am 13. April der frühere Erzbischof von Buenos Aires und Kardinal Jorge Mario Bergoglio gewählt, der den Namen Franziskus annahm.

Der Auftrag des durchweg konservativ beherrschten Konklaves an ihn lautete eindeutig, den drohenden Verfall der katholischen Kirche aufzuhalten. Franziskus nahm seitdem Kurskorrekturen vor, ohne die Dogmen der katholischen Kirche in Frage zu stellen.

Anmerkungen:

[1] Der britische Autor David Yallop hat die These in seinem Buch „Im Namen Gottes“ (München 1984) mit handfesten politischen Fakten belegt. Danach sei der Papst dem Geflecht des Vatikans mit der P2, Geheimdiensten und Mafiakreisen auf der Spur gewesen.
[2] Mynarek: Der polnische Papst, Freiburg 2005, S. 35. Der Autor schrieb annähernd 30 Bücher zu Themen der katholischen Kirche.
[3] Bernstein/Politi: Seine Heiligkeit – Johannes Paul II. und die Geheimdiplomatie des Vatikans, München 1996.
[4] Klaus Eichner/Ernst Langrock: Der Drahtzieher. Vernon Walters. Ein Geheimdienstgeneral des Kalten Krieges, Berlin 2005.
[5] „ND“, 31. März 2009. Zum Gesamtkomplex auch Massimo Franco: Imperi parallele. Vatikan e Stati Uniti. Due Secoli di Allianza e Conflitto 1788-2005, Mailand 2005; ferner mit ebenfalls zustimmender Wertung Joachim Jauer: Urbi et Orbi. Christen als Wegbereiter der Wende. Freiburg 2009.
[6] „Tagespiegel“, 16. März 2009.
[7] E. R. Carmin: Das schwarze Reich, München 2000.
[8]  Gorgio Galli: Staatsgeschäfte. Affären. Skandale. Verschwörungen. Hamburg 1994 passim.
[9] „La Controdizione“ (unabhängige marxistische Zeitschrift): Der weißgetünchte Fürst. Taten und Mißetaten eines umstrittenen Pontifikats. Nr. 108, Rom, Juni 2005.
[10] Arnold Schölzel: Die Soziallehre des Papstes und das Jahr 1989. „ND“, 10/11. Aug. 1991.
[11] „La Controdizione“.
[12] Ranke-Heinemann: Der Papst und die anderen, „jW“, 6. Dez. 20075
[13] Julian Bartosz: Vertrauliches von Lolek und Dusia. „ND“, 8. Juni 2009.
[14] Mynarek: Die neue Inquisition, Marktheidenfeld 1999, S. 324 ff.

[15] Sebastian Wessel: Opus Dei im Berliner Umland auf Fischfang. „jW“ 5. Februar 2007.

Gerhard Feldbauer schrieb zum Thema u. a. das Buch „Der Heilige Vater. Benedikt XVI. – Ein Papst und seine Tradition“. PapyRossa Köln 2O10.

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