Berlin, Deutschland (Weltexpress). Wenn Kritik an der Unterstützung des Stellvertreterkriegs gegen Russland aus Sicht vermeintlicher „Linker“ politisch „rechts“ sein soll, wirft das Fragen nach deren geistiger Verfassung auf. Tatsächlich geht es heute bei den Begriffen „links“ und „rechts“ drunter und drüber. Und das ist Absicht.
Klaus Hartmann, der langjährige Bundesvorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes, hatte letzten Monat in der Edelsteinstadt Idar-Oberstein zu diesem politisch hochbrisanten Thema einen spannenden und profunden Vortrag gehalten.
Hartmann ist es in den letzten drei Jahrzehnten gelungen, den Deutschen Freidenker-Verband weitgehend intakt durch die gefährlichen Klippen und politischen Untiefen der „neuen Normalität“ zu steuern, angefangen mit den Versuchen zur politischen Delegitimierung der DDR, über die unprovozierte völkerrechtswidrige NATO-Aggression gegen Jugoslawien, über die nachfolgenden „humanitären“ Kriege gegen Afghanistan, den Irak, Libyen und Syrien bis hin zur Klima-Hysterie, COVID-Panikmache, Ukraine-Krieg und Anti-Russen-Hetze. Viele einst linke Organisationen, wie zum Beispiel die Antifa oder große Teile der Partei „Die Linke“, sind an diesen Klippen zerschellt. Zwar musste auch der Freidenker-Verband in den „großen Verwirrungen“ einige Federn lassen, aber letztlich ist er gestärkt aus diesen Krisen hervorgegangen.
Trotz zunehmender Versuche, mit juristischen Zwangsmaßnahmen auch in unserem Land den politisch erlaubten Meinungskorridor auf die Regierungslinie einzuengen, haben Hartmann und der Freidenker-Verband die Verbeugung vor dem Gesslerhut, den die Herrschenden für uns aufgestellt haben, stets verweigert.
(Die Rede von Hartmann kann hier nur gekürzt wiedergegeben werden und soll ein Appetitanreger für die Lektüre des ganzen Vortrags auf der Internetseite des Freidenker-Verbandes sein, der unter diesem Link aufgerufen werden kann.)
„In den letzten Jahren ist es zunehmend üblich geworden, Menschen und Proteste als ‚rechts‘ zu etikettieren, wenn sie sich gegen den ‚Mainstream‘ oder den Kurs der Regierung wenden. Wer zur Zuwanderung, den ‚Corona-Maßnahmen‘, zum ‚Klima‘ oder dem Heizungsgesetz, zu den Kriegen in der Ukraine oder in Palästina eine eigene Meinung vertritt, die nicht den Vorgaben der Herrschenden huldigt, sieht sich schnell ausgegrenzt, geächtet, in seiner beruflichen und sozialen Existenz bedroht, gar strafrechtlicher Verfolgung wegen ‚Meinungsdelikten‘ ausgesetzt.
Regelmäßig und immer wieder wird das Publikum mit der Frage traktiert, was denn eigentlich rechts und was links sei. Ist das eine aktuelle Frage, oder geht es dabei um abgehobene Debatten, die mit uns und dem praktischen Leben nichts zu tun haben, geht es um ‚intellektuelle‘ Fingerübungen ohne Belang?
Aber es muss Gründe haben, es müssen Interessen dahinterstehen, wenn ständig zum ‚Kampf gegen rechts‘ geblasen wird, wenn der vermeintliche ‚Verfassungsschutz‘, also der Inlandsgeheimdienst, immer wieder vor ‚Linksextremisten‘ und vor ‚Rechtsextremisten‘ warnt. Offenbar geht es um die (weitere) Spaltung der Bevölkerung, aber das ist kein Selbstzweck. Die Bereitschaft, sich für die eigenen Interessen einzusetzen, dem Kurs der Regierung, der EU, der NATO sowie ihrer Mainstreammedien zu widersprechen, soll ausgehebelt werden. Dazu sind die Mittel der Wahl die Denunziation und die Begriffsverwirrung.
Zwei Beispiele aus jüngster Zeit: Als am 23. Oktober 2023 auf einer Bundespressekonferenz das ‚Bündnis Sahra Wagenknecht‘ seine Vereinsgründung bekannt gab, sah am selben Tag der Linken-Vorsitzende Martin Schirdewan Sahra Wagenknechts künftige neue Partei ‚deutlich rechts‘. Welcher politische Kompass hat ihn zu diesem Befund geleitet?
Zur Landratswahl im Landkreis Dahme-Spreewald am 12. November 2023 lautete eine Schlagzeile: ‚Rechter Russland-Freund will BER-Landrat werden‘. Im Sündenregister des angegriffenen Steffen Kotré stehen seine Aussage im ‚russischen Propaganda-TV‘, dass ein großer Teil der Bevölkerung in Deutschland gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine sei, und dann habe er noch ‚Syriens Mörder-Regime‘ als ‚legitime Regierung‘ bezeichnet. Das ist zwar völkerrechtlich korrekt, aber in NATO-Deutschland ein Meinungsverbrechen.
Im Kreuzfeuer vermeintlich ‚linker‘ Kritik steht auch der Schweizer Friedensforscher Dr. Daniele Ganser, vor dessen meist ausverkauften Veranstaltungen inzwischen regelmäßig Gegendemonstrationen von VVN [Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten], Omas gegen ‚rechts‘ und anderen stattfinden, die offenbar noch nie eine seiner Reden gehört, kein Video angeschaut und kein Buch von ihm gelesen haben, aber Transparente vor sich hertragen mit Parolen wie: ‚Kein Platz für Nazipropaganda‘.
Als ‚rechts‘ werden beispielsweise Gansers Standpunkte zum Krieg in der Ukraine diffamiert. Hier einige Beispiele:
- Der Krieg in der Ukraine wurde nicht am 24. Februar 2022 von Russland, sondern bereits 2014 nach dem Maidan-Putsch durch die USA und die ASOW-Nazis begonnen. Der kollektive Westen hat mit der Aufnahme Polens und weiterer elf Staaten in die NATO sein Nichterweiterungsversprechen gebrochen.
- Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien sind möglich, wie die Ergebnisse bei den März-Verhandlungen 2022 in Istanbul bewiesen, wobei die USA und GB [Großbritannien] deren Abbruch anordneten.
- Grenzverschiebungen in Europa hat es bereits 1999 nach dem Jugoslawienkrieg des Westens gegeben und nicht nur durch die RF [Russische Föderation].
Verkehrte Welt
Wenn dies aus Sicht vermeintlicher ‚Linker‘ ‚rechts‘ sein soll, wirft das Fragen nach ihrer geistigen Verfassung auf. Es geht also ‚drunter und drüber‘, und manche schließen daraus, dass es den Unterschied nicht mehr gibt oder eine Unterscheidung ohne Belang ist. Viele, besonders Jugendliche, können mit dem Schema ‚rechts und links‘ nichts anfangen und lehnen es ab. Die Sinnentleerung der Begriffe folgt dem realen Sinnverlust dessen, was heute inhaltlich unter rechts und links verstanden werden kann.
Wer nach dem historischen Ursprung der Unterscheidung fragt, wird auf die Sitzordnung des französischen Parlaments stoßen. Als dort nach der Französischen Revolution eine Nationalversammlung gebildet wurde, nahmen (orientiert am britischen Unterhaus) die Anhänger der Monarchie und des Feudalsystems sowie die Vertreter des Klerus auf der rechten Seite des Sprechers Platz, während die Anhänger der Revolution, die Patrioten und Fortschrittlichen auf der linken Seite saßen.
Damals hatte diese Unterscheidung erkennbar einen Sinn. Aus Tradition oder Gewohnheit werden SPD und Grüne heute noch als ‚links‘ eingeordnet, unverdienterweise. Die SPD/Grüne-Regierung hat 1999 die erste Beteiligung Deutschlands an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg nach 1945, die NATO-Aggression gegen Jugoslawien zu verantworten. Wer für die Schleifung des Sozialstaats, den fortgesetzten Abbau demokratischer Rechte, eine wahnsinnige Aufrüstung und die Unterstützung des NATO-Kriegs gegen Russland steht, ist mitnichten links, sondern so was von rechts, dass er schwerlich übertroffen werden kann.
‚Gegen rechts‘ – ein Fake
Wer denkt, mit diesem Kampfruf ginge es gegen echte Nazis, hat sich geirrt. Begründet wird meist nicht, was mit ‚gegen rechts‘ gemeint sein soll. Im Umkehrschluss nehmen die Kämpfer für sich in Anspruch, ‚links‘ zu sein, ebenfalls unbegründet. Selbst, wer das Naziregime in der Ukraine unterstützt, kann sich heute als ‚Linker fühlen‘. Bei Parteien und Organisationen ist in der Regel eben nicht mehr das ‚drin, was draufsteht‘.
Inzwischen gerät jeder in Gefahr, verrissen zu werden, wer nicht exakt die Regierungslinie nachbetet oder grünen Polit-Vorgaben folgt. Die ‚Fälle‘ der Ulrike Guérot von der Uni Bonn, des Michael Meyen von der Ludwig-Maximilians-Universität München oder des Patrik Baab von der Christian-Albrechts-Universität in Kiel stehen stellvertretend für eine Vielzahl, die wegen ihrer abweichenden Meinungen geschasst wurden. Die Medien meinen, Abweichler pauschal als ‚rechts‘ verunglimpfen zu können. Aber nicht nur sie.
Auch sich ‚links‘ und ‚antifaschistisch‘ Dünkende stellten ihre Staatsgläubigkeit und den besonderen Gehorsam gegenüber den verrücktesten Corona-Anordnungen zur Schau, wenn sie Demonstranten gegen die ‚Maßnahme‘ Rufe entgegenschleudern wie: ‚Nazis raus! ‚oder ‚Wir impfen Euch alle!‘ In diesen Kreisen gelten ‚Querdenker‘ als indiskutabel und natürlich als ‚rechts‘. Dabei ist es gar nicht lange her, dass Querdenker als Kompliment und Auszeichnung verstanden wurde und zahlreiche Institutionen ‚Querdenker-Ehrenpreise‘ verliehen.“
Mehr dazu und zu den Themen:
- Diffamierungsgrundlage „Totalitarismus“-Doktrin
- Was heißt hier „Querfront“?
- „Nicht rechts, nicht links“? (Der irrsinnige Kampf um die Positionierung in der „Mitte“)
gibt es im Original auf der Freidenker-Webseite, wo sich Hartmann mit den geschichtlichen Hintergründen und der Entwicklung dieser Kampfbegriffe beschäftigt. Siehe hier.
In Teil II geht es weiter mit der „Rolle und Politik der AfD“ und was sich aus dieser Analyse praktisch ergibt, zum Beispiel die notwendige Neueinordnung der im Bundestag vertretenen Parteien im „links-rechts“ Parteienspektrum. Zu guter Letzt gibt Hartmann eine überzeugende Antwort auf die Frage: „Ist Putin links oder rechts?“
Anmerkung:
Vorstehender Beitrag von Rainer Rupp wurde am 8.10.2023 in „RT DE“ erstveröffentlicht.