Von der Kultur des Entschuldigens und ihrer Legitimation – Serie: Internationales Symposium zur Frankfurter Buchmesse 2009 „China und die Welt. Wahrnehmung und Wirklichkeit“ (Teil 1/4)

Stadtoberhaupt Petra Roth begrüßt, daß ein so inhaltsbezogenes Symposium Wochen vor der Buchmesse diese vorbereite. “Sehr verehrte Herr Bei Ling und Dai Qing, ich habe nicht erst seit gestern zugesagt, hier alle zu begrüßen.“ Damit hat die Oberbürgermeisterin eine Ansprache gewählt, in der sie zwei, die Hauptpersonen der Medienberichterstattung des letzen Tages, persönlich ansprach, aber die Offiziellen Chinas mißachtete. „Ich bin eine direkt gewählte Oberbürgermeisterin, das dritte Mal, ich kämpfe für die Demokratie, weiß aber, daß es hier leichter ist, sich mit der Waffe des Wortes zu artikulieren als anderswo.“ Sie verurteilte anschließend die Ausladung durch die Buchmesse und stellte sich demgegenüber als Musterschülerin der Demokratie vor: Sie verwies auf ihr frühzeitiges Engagement für den Dalai Lama, den sie in Frankfurt empfing, obwohl sie einige Tage später nach China fuhr und dort ebenfalls den Dalai Lama ansprach, was aber von den chinesischen Dolmetschern nicht übersetzt wurde. Sie sprach den Einsatz für das offene Wort sehr persönlich mit ihren Erfahrungen als Oberbürgermeisterin der Stadt an, was in der Situation des gerade bereinigten Konflikts der Buchmesse mit den beiden Chinesen einen zusätzlichen Affront gegenüber dem Buchmessenchefs Boos darstellte, der – eh angeschlagen – von ihr noch einmal ausgezählt wurde: „Es ist immer schwierig, Gäste einzuladen. Auf jeden Fall sollte man, wenn man eine Einladung ausspricht, auf dieser bestehen.“

Auch anschließend wurde in Pausengesprächen gerätselt, was die Oberbürgermeisterin geritten hatte, sich wie im Wahlkampf und sehr ichbezogen dazu als die bessere Demokratin gegenüber der Buchmesse darzustellen, was einen tüchtigen Affront gegenüber Juergen Boos und Peter Ripken bedeutete, denen sie unausgesprochen einen Kotau vor den Chinesen unterstellte, was wiederum etwas ausgesprochen Populistisches hatte und nicht nötig gewesen wäre. Ihr Auftritt verwunderte um so mehr, als sie alle Karten auf ihrer Seite hatte. Hätte sie in wenigen Worten von der Verpflichtung gesprochen, die die Paulskirche in Frankfurt wie auch die Frankfurter Buchmesse für die Freiheit des Wortes für Frankfurt bedeute, hätte das Stil, Würde und Überzeugung besessen. Den Mißklang spürte wohl auch das Auditorium, denn es wurde bei diesen Passage nicht geklatscht, nur am Schluß dem gesamten Redebeitrag wie bei allen Beifall gezollt.

Zhao Bin, Gesandter Botschaftsrat von der Botschaft der Volksrepublik China in Deutschland, sprach in seinem Grußwort über die Koinzidenz der Jubiläen und der Jubiläumsfeiern in China und Deutschland, die den Staatsgründungen gelten. Die Zahl 60 sei im Chinesischen eine besonders wichtige und entfalte in diesem Zusammenhang eine überaus positive Erwartung für die weitere Entwicklung und Zusammenarbeit beider Länder.

Weite und Distanz seien zulässige Begriffe, was China angeht. Die Beziehung zwischen den beiden Ländern wurde immer intensiver. Wenn man von außen auf China guckt, ergeben sich einseitige Sichtweisen, die nicht das Land in seiner Vielfalt wiedergeben. Aber China ist vorangekommen und die unterschiedlichen Meinungen, die heute noch über die gegenwärtige Situation bestehen, liegen an der unterschiedlichen Geschichte und der verschiedenartigen Kultur, die sich auch in China in eine Richtung von Offenheit der Gesellschaft entwickele. Es gäbe das Sprichwort: „Einmal sehen, ist mehr als hundertmal hören.“ Dies sei heute möglich, und da es heute leichter ist, den Austausch zu fördern, soll auch dieses Symposium dazu beitragen, diesen Austausch zu konkretisieren: das Gesicht des wirklichen Chinas hier verstehen lernen und auch auf der Buchmesse mit dem Ehrengast China zu vertiefen.

Der Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), Stefan Hormuth, spricht davon, daß es viele Wirklichkeiten gäbe, Sprichwort: „Wer für eine Woche nach China fährt, schreibt ein Buch. Wer für einen Monat nach China fährt, schreibt einen Artikel. Und wer für ein Jahr nach China fährt, schreibt gar nichts mehr.“ Stefan Hormuth ist gespannt, was wir aus dem gemeinsamen Dialog lernen werden. China ist für den seit 1925 bestehenden DAAD ein wichtiges Land. Heute findet ein Dialog auf vielen Ebenen statt. Schon seit 1935 gibt es ein erstes Austauschprogramm mit China. Es war schon damals eine kleine Gruppe mit einem Kooperationsvertrag mit der Tsinghua Universität, die auch heute einen ausgezeichneten Namen hat, ja heute die beste Chinas ist, von der auch Vertreter auf diesem Symposium sprechen. Schon damals ging es um Gegenseitigkeit, denn das sind der Hintergrund und die Bedeutung von Austausch. Aber, wer von China nach Deutschland komme im Austauschprogramm, sei die Entscheidung des DAAD.

Drei Austauschstudenten aus China gab es damals 1935 in Deutschland. Zwei von ihnen haben später wichtige Rollen im akademischen (Professor Ji Xianlin) und politischen (Qiao Guanhua) Raum gespielt. Seit 35 Jahren ist der Austausch wieder in Gang gekommen, 1972 von China initiiert. „So hat der DAAD im letzen Jahr im Austausch mit China insgesamt mehr als 2500 Personen für kürzere oder längere Aufenthalte im jeweils anderen Land gefördert.“ Gegenwärtig sind es rund 25 000 chinesische Studenten, die in Deutschland studieren. Der Präsident weist darauf hin, daß durch das Berliner Künstlerprogramm viele von den Schriftstellern gefördert wurden, die heute in der Welt – auch im Exil – bekannt wurden, bis zum Nobelpreisträger Gao Xingijan aus Paris, der sogar Franzose wurde, damals aber ein weithin unbekannter Chinese aus China war. Gefördert wurde immer die literarische Qualität, niemals die politische Haltung. „Die einfache Unterscheidung in Dissidenten und ’Staatsdichter’ entspricht jedenfalls nicht der Wirklichkeit.“, betonte er. Der DAAD-Präsident freut sich, daß er Kooperationspartner dieser Veranstaltung sein darf: Wandel durch Austausch sei das Motto, auch das der Buchmesse. Wenn man das ernstnimmt, sei auch immer beim Wandel durch Dialog ein potentielles Risiko einbeschlossen.

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