Kunst zu machen, war nicht sein Ziel und auch die Kultur- und Naturgeschichte wollte er mit seinem Erdglobus nicht bereichern, auch wenn er es tat. Er wollte durch die Erwähnung von Edelsteinen, Perlen, edlen Hölzern und Gewürzen auf der Weltkugel die Betrachter motivieren, sich auch wirtschaftlich auf den Weg zu machen und die Naturschätze auf einer Schiffsfahrt über den Atlantik für sich und für den Handel in Europa zu sichern. Heute nun steht dieser Globus – arg nachgedunkelt – auf einem Dreifuß zierlich da und es ist eine Freude, die klitzekleinen Menschlein zu sichten, die er ab und zu hineinmalte, damit wir wissen, wie unterschiedlich sie aussehen und angezogen sind, die Völker der Erde, von der damals niemand als global sprechen konnte und sie als extrem verschiedenartig empfand.
Das ist ein schöner Auftakt für eine Schausammlung, die bis zum 18. Jahrhundert drei Säkula umfaßt, weil dieser Behaim-Globus geradezu ideal das Neue mit dem Alten vereint. Das Neue, das waren die Seefahrten, die die Welt und das Weltbild veränderten, die von anderen Menschen, anderen Dingen, anderen Religionen sprachen, die der Wissenschaft einen ungeheuren Auftrieb gaben. Das Alte, das waren die Erkenntnisse aus der Antike, die mit neuem Schub auf Griechisch aus Byzanz in den Westen gebracht wurden und von Aldo Manutius in Venedig verlegt und gedruckt wurden. Das Neue an der neuen Welt bedeutete also im gleichen Maße, diese Welt mit neuen technischen Verfahren überall bekannt zu machen, was an anderer Stelle der Ausstellung, verbunden mit dem Erstarken des Protestantismus, eine Rolle spielt. Dort werden die Bücher der Druckerstadt Nürnberg und die Verschriftlichung der Welt dokumentiert.
Und dieses Prinzip des Gleichzeitigen an unterschiedlichen Orten und des Ungleichzeitigen in ein und derselben Zeit, ist es tatsächlich, was diese Ausstellung auch räumlich vermittelt. Sie hat zwei Seitentrakte, die thematisch auf der einen Seite mit dem Globus beginnen, dann die Pilgerfahrten und deren Prestige beleuchten, und die Öffentliche Repräsentation zeigen, das Bildnis im 16. Jahrhundert vorstellen und in insgesamt 12 Kabinetten auch die anderen Jahrhunderte zu Bild kommen lassen. Auf der anderen Seite beginnen die Kabinette mit dem Vorbild Dürer, den vorreformatorischen Bildern, der Reformation, repräsentiert durch Martin Luther in Werk und Person, den Kunst- und Wunderkammern, der nun eintretenden Spezialisierung in Gattungen, wie Historienbild, Genres, aber auch „Natur und Sinnbild“. Dorthin gehören auch das Sammeln als neue menschliche Leidenschaft und Eigenschaft und ebenso die ausgewählten Wohnbeispiele. Das natürliche Licht kommt dabei jeweils von der Seite, gemischt mit Kunstlicht.
In dem mittleren Trakt dagegen, wo Oberlicht herrscht, wird in neun Sälen den großen Bildern Raum gegeben. Das sind die eigentlichen Repräsentanzen des Germanischen Nationalmuseums und gut geeignet, auf einem Kurztrip für Touristen die größten Schätze im Eilschritt zu durchschreiten. Denn es sind tatsächlich Höhepunkte der Malerei der Zeit. Das muß man bei aller Begeisterung für die klug zusammengestellte kulturhistorische Schau zu den außergewöhnlichen Exponaten doch noch einmal sagen. Wir dagegen sind langsam und fangen mit Dürer und der Nürnberger Kunst der Neuzeit an und schauen uns Bild für Bild, Skulptur für Skulptur an. Das stehen sie, die großen Kaiserbilder und können nicht anders. So repräsentativ und gewaltig, daß sie für das Historische Museum in Berlin für die Dauerausstellung deutscher Geschichte kopiert werden mußten, weil die Originale Nürnberg besitzt, wo sie einfach auch hingehören in die alte Kaiserstadt, die von 1424 bis 1796 die Reichskleinodien beherbergte, die heute wieder in Wien ruhen, – wo das Heilige Römische Reich deutscher Nation beendet wurde – und die Stadt nicht mehr verlassen dürfen, nachdem Hitler sie 1938 „heim ins Reich“ gebracht hatte.
Daß wir an den folgenden Malereien und Skulpturen aus Augsburg und Schwaben unsere Freude haben, hat schon Martin Schaffner im ersten Artikel gezeigt, von dem weitere Bilder folgen. Wir freuen uns einfach, daß die schönen altdeutschen Meister nicht nur in der Nationalgalerie in London hängen. Hans Burgkmairs „Maria mit dem Kinde“, 1509 im Großformat entstanden, ist ein Bild, das man lange anschauen muß, bis sich die Besonderheiten erschließen: wie hier noch Martin Schongauer zu ahnen ist, der mit seiner „Maria im Rosenhag“ eine besonders innige Version der Gottesmutter schuf, die Hans Burgkmair in eine Renaissancearchitektur versetzt, die man aus Italien kennt. Das ist aber längst nicht alles. Dies Bild ist ein Paradebeispiel dafür, was Panofsky später zur Bildikonologie führte, nämlich welche Gegenstände auf den Bildern was repräsentieren. Wir sagen allgemein Symbole oder Attribute dazu, die zum Entschlüsseln von Bildinhalten und ihren Geschichten weiterhelfen. Andererseits sind alle diese Gemälde von so hohem ästhetischem Reiz, daß wir oft denken, daß sie auch ohne genaueres Wissen einfach als gemalte Schönheit wirken.
Im nächsten Saal gibt es die Donauschule, doch, das finden wir gut, daß hier zusammenhängt, was zusammengehört, genauso wie der frühe Manierismus, der mit dem Titel „Die Macht der Schönheit“ versehen, aufzeigt, auf was die Maler kamen, als in der realistischen Phase die Meister vorgemacht hatten, wie genau man ein Rasenstück malen kann, auf daß auch im kleinen Bild die Vielfalt der Natur durch ihre Darstellung Wirklichkeit wird. Jetzt wird der Mensch verzerrt und gelängt, was ja auch die Spätgotik auszeichnete, seine Haut wird völlig hell, ja grell gemalt oder ganz dunkel, die Gesichtsmienen wirken gekünstelt, wie das ganze Miteinander, das die Menschen eher trennt, denn verbindet. Man spürt hier gut, daß eine andere Kunstauffassung auch eine veränderte Menschenauffassung zum Ausdruck bringt, ja überhaupt, daß die Kunst den Menschenbildern, den Theorien und Ideologien folgt. Marx hätte hier vom Überbau gesprochen.
Wir geben zu, daß sowohl die spannende Nürnberger Malerei, die herrlichen Bildnisse aus den drei Jahrhunderten, die verraten, wie der Mensch jeweils gesehen werden wollte, die Skulpturen, die Graphiken, die Radierungen und erst recht die folgenden Jahrhunderte in unserer Darstellung viel zu kurz kamen. Aber bei rund 1000 Kunstwerken in besagten 33 Räumen kann man sowieso nur eines weitergeben: Fahren Sie hin und schauen Sie selber. Es lohnt.
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Info für Besucher: Am Sonntag, dem 21. März, können die Besucher erstmalig „Die Galerie im neuen Glanz“ entdecken, es warten ein spannender Reigen von Führungen und eine Kinder-Eltern-Aktion.
Katalog: Renaissance, Barock, Aufklärung. Kunst und Kultur vom 16. bis 18. Jahrhundert, hrsg. von Daniel Hess und Dagmar Hirschfelder, Verlag des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 2010
Katalog: Mittelalter. Kunst und Kultur von der Spätantike bis zum 15. Jahrhundert, Verlag des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 2007
Katalog: Kleiderwechsel, Frauen-, Männer- und Kinderkleidung des 18. Bis zum 20. Jahrhunderts, hrsg. von Jutta Zander-Seidel, Verlag des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 2002
Internet: www.gnm.de