Berlin, Deutschland (Weltexpress). In der Opposition hatte die derzeitige faschistische Ministerpräsidentin Italiens, Georgia Meloni, im Grunde genommen einen Kurs der Ablehnung des in Brüssel verfolgten Kurses verfolgt. Davon ist 21 Monate nach ihrem Regierungsantritt nicht mehr viel übrig. Im Gegenteil mischt sie inzwischen nicht nur die Karten mit, sondern gilt, wie das Südtiroler „Stolit“ auf seinem Onlineportal schrieb, vor der EU-Wahl am 9. Juni als „Königsmacherin“, die die Fäden des politischen Spiels bei der Bildung der nächsten EU-Kommission zieht. „Sie entpuppte sich als effiziente Staatsfrau, die sogar die Sympathie der größten Skeptiker in Brüssel gewinnen konnte und wird In Brüssel inzwischen geradezu umworben. Mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen pflegt sie eine sehr freundschaftliche Beziehung. Dank des anhaltenden Erfolgs ihrer Partei Brüder Italiens (FdI) könnte Meloni zur Schlüsselfigur im Machtpoker in Brüssel werden“. Insider rechnen darüber hinaus, dass ihre FdI, bekanntermaßen von ihr 2012 als Nachfolger der in Alleanza Nazionale (AN) umgetauften vorherigen Movimento Sociale Italiano (MSI), die ein Nachfolger der verbotenen faschistischen Partei des von 1922 bis zu seiner Hinrichtung durch Partisanen im April 1945 herrschenden Diktators Mussolini war, künftig eine der größten Delegationen im EU-Parlament stellen. Es ist bereits die Rede von „einer anderen Regierungsmehrheit“ aus der Europäischen Volkspartei (EVP) und europaskeptischen rechtsextremen Kräften, so „Stolit“.
Um ihre Wiederwahl zu sichern, wirbt die aus der EVP kommende von der Leyen um Melonis Unterstützung. Diese tritt zwar selbst als Spitzenkandidatin ihrer Brüderpartei um die EU-Präsidentschaft an, würde aber in Falle eines Sieges das Amt kaum antreten, worauf von der Leyen bei einer Niederlage aufrücken könnte.
Inzwischen schlägt Frankreichs Marine Le Pen vom rechtsextremen Rassemblement National Meloni, die Vorsitzende der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), der zweiten rechtsextremen Fraktion im EU-Parlament ist, der unter anderen auch die polnische PiS, die spanische Vox und die Schwedendemokraten angehören, Meloni vor, sich mit ihr zu vereinen, um zweite Fraktion im EU-Parlament zu werden. Meloni reagiert zwar nicht, erklärt aber zu ihrem Ziel, wie in Italien, auch in der EU eine rechte Mehrheit zu erreichen und die Linke in die Opposition zu schicken.
Alle Maskeraden, kosmetische Tünche und Beteuerungen „nie mit dem Faschismus sympathisiert“ zu haben, konnten zwei Wochen nach ihrem Amtsantritt am 21. Oktober 2022, nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Führerin der faschistischen Brüder Italiens, wie die Direktorin der linken Zeitung „Manifesto“ schrieb, eine Regierung „reueloser Faschisten“ gebildet hatte. Schon die Vereidigung hatte das Bild einer Schmierenkomödie übelster Heuchelei gezeigt. Während Meloni und ihre Minister den Eid auf die Verfassung ablegten, startete sie drei Tage später in ihrer Regierungserklärung mit der Ankündigung, ein Präsidialregime zu errichten, den Angriff auf deren Beseitigung.
Das hielt die Vertreter der EU und auch der NATO nicht davon ab, Melonis Team Musolini-treuer Faschisten in Tönen höchsten Lobes zu feiern. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war erfreut, dass Meloni als erste Frau in das Amt kam und gab sich sicher, »Wir werden zusammenarbeiten, um die entscheidenden Herausforderungen unserer Zeit anzugehen, von der Ukraine bis zur Energieversorgung«. Der sozialdemokratische Bundeskanzler Olaf Scholz freute sich
ebenfalls, mit Meloni in »EU, NATO und G7« zusammenzuarbeiten. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg schrieb auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: »Ich freue mich darauf, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.«
Brüssel seit Jahrzehnten offen für rechtsextreme Entwicklungen
Die Offenheit der EU für rechtsextreme Entwicklungen hat eine jahrzehntelange Tradition und wurde vor allem seitens der BRD schon unter Altkanzler Helmut Kohl befördert. So als er im Mai 1994 die erste Regierung Berlusconis mit den MSI/AN-Faschisten wärmstens feierte und – als er ihn im Juni zum Staatsbesuch, bezeichnenderweise dem ersten, den der faschistische italienische Regierungschef absolvieren konnte – empfing, als Freund begrüßte und damit salonfähig machte. Während Vize-Premier Gianfranco Fini vom MSI in Rom Mussolini als »größten Staatsmann des Jahrhunderts« würdigte, seine »guten Taten« pries und seine Rehabilitierung forderte, feierte Kohl mit Berlusconi die Aufnahme der Faschisten in die Regierung als einen »historischen Augenblick«, nahm wohlwollend die Beteuerungen des Italieners entgegen, dass seine Regierungspartner keine Faschisten seien und eine »saubere Weste« hätten. Kohl lag damit ganz auf der von der »FAZ« am 23. April vorgegebenen Linie, dass ein »Tabu der Vergangenheit gebrochen«, der Faschismus »rehabilitiert« sei und das Auswirkungen im »ganzen ›westlichen‹ Europa« haben werde, womit das Blatt, wie die heutige Lage beweist, recht behalten sollte.
Und wenn US-Präsident Biden sich diesem Jubelchor anschloss, hatte er auch Vorbilder, so in William (Bill) Clinton, der 1994 nach Rom eilte, um auf einem Empfang, den US-Botschafter Reginald Bartholomew für die Regierung Berlusconi gab, dieser internationale Anerkennung zu verschaffen. Und dass er Vizepremier Gianfranco Fini die Hand schüttelte, konnte dieser, der gerade Mussolini als den größten Staatsmann des Jahrhunderts“ gefeiert hatte, das als Anerkennung der italienischen Faschisten, die immer die Speerspitze des antikommunistischen Kampfes von State Department, Pentagon und CIA gebildet hatten, werten (nachzulesen in: „Duce addio. La Biographia di Gianfranco Fini, Mailand 1964, S. 149ff).
Hatte sich Brüssel zur ersten faschistischen Regierung unter Berlusconi 1994 unter Kommissionspräsident Jean Delores zusammen mit dem griechischen Ministerpräsidenten Giorges Papandreou oder dem Präsidenten der europäischen Juden, Jean Kahn, noch kritisch geäußert, war davon bei dessen zweiten Amtsantritt 2011 nichts mehr zu spüren. Darauf wirkten wiederum die CDU/CSU der Bundesrepublik ein, die Berlusconis Partei Forza Italia – FI (die heute noch besteht und der Regierung Melonis angehört) und der Lega Nord (auch sie heute in Melonis Regierung) „demokratische Legitimität“ bescheinigten und hoffen, mit dem Wahlsieg der Koalition Berlusconis möge die Ablösung der sozialdemokratisch geführten Regierungen in der EU beginnen („FAZ“, 15. Mai 2001). Der damalige CSU-Vorsitzender und Ministerpräsident Bayerns, Edmund Stoiber, übermittelte Berlusconi unmittelbar nach dessen Amtsantritt eine Einladung zum Staatsbesuch nach München. Eine weitere folgte demonstrativ nach den blutigen faschistischen Ausschreitungen während des G7-Gipfels im Juli 2001 in Genua (ein Toter, 300 zum Teil Schwerverletzte, 600 Verhaftungen), zum CSU-Parteitag in Nürnberg im Oktober 2001. Nach entschiedenen Protesten mussten die Einladungen zurückgestellt werden.
Die Folterungen in der Bolsanero-Kaserne der Carabinieri in Genua während des G7-Gipfels hatte Berlusconis Vize-Premier Gianfranco Fini persönlich geleitet. Für Brüssel war das danach im Herbst 2001 dennoch kein Grund, dessen Nominierung durch Berlusconi als Vertreter Italiens für den EU-Konvent, der den Entwurf einer Verfassung für die Union ausarbeiten sollte, abzulehnen. Die brutale Repression in Genua, mit der sich der Europäische Gerichtshof in Den Haag befassen musste, war für den EU-Rat ebenso kein Anlass, die halbjährige Anwartschaft Berlusconis auf den Vorsitz in diesem hohen Gremium im Sommer 2003 abzulehnen. Der EU-Abgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion der SPD in der Union, Martin Schulz, fand mit seiner Kritik an dem kriminellen Regierungschef und der von diesem erlassenen Lex Berlusconi (der Gesetze, die seine Strafverfolgung während seiner Amtszeit untersagten), die er eine Manipulierung der Justiz nannte, kein Gehör. Auch als Berlusconi nach dieser Kritik Schulz mit den Worten, er solle in den Dreharbeiten zu einem laufenden italienischen Film über Konzentrationslager die Rolle des „Kapo“ spielen, diesen mit diesem Nazivergleich in unverschämter Weise diffamierte, sah man in Brüssel keinen Anlass, den faschistischen Regierungschef zu suspendieren. Da half es auch nicht, dass selbst die Turiner „La Stampa“ schrieb, Berlusconi sei „nicht berechtigt, Europa zu repräsentieren“.
„Duce”-Enkel und Urenkel zogen ins EU-Parlament ein
Dass Vertreter selbst der AN-Faschisten und andere offene Bekenner zu dem verbrecherischen Regime Mussolinis ungehindert für das Parlament in Strassbourg kandidieren konnten, wurde zu einer weiteren „Normalität“, die dem faschistischen Vormarsch, der 2022 im Wahlsieg und Regierungsantritt der Führerin der aus der AN hervorgegangenen Brüder Italiens Meloni und ihrem Regierungsantritt gipfelte, Auftrieb verlieh. Einige Beispiele aus der langen Liste. 2004 konnte die Enkelin Mussolinis Alessandra auf der Liste der Forzapartei Berlusconis für einen Sitz im EU-Parlament kandidieren und in Strassbourg einziehen. Im selben Jahr bewarb sich der Gründer der Lega Nord, Umberto Bossi, der einen scharfen Rassismus vertrat und unter dem die Partei Sinti und Roma „ausrotten“ wollte, einen Sitz belegen („Süddeutsche Zeitung“,16. 4. 2008). Ebenso Matteo Salvini, der 2013 sein Nachfolger wurde, 2004 und nochmals 2009. 2019 konnte der von Giorgia Meloni aufgestellte Urenkel des »Duce«, Caio Giulio Cesare Mussolini, kandidieren. Es störte in Strassbourg niemanden, dass er erklärte, er sei »stolz« auf seinen Urgroßvater und Meloni seine Kandidatur als eine »Bereicherung« ihrer Wahlliste bezeichnete.
Anmerkung:
Gerhard Feldbauer ist Autor mehrerer Bücher zum Thema in Italien, darunter „Mussolini und kein Ende. Die Saat ist fruchtbar noch“, Papyrossa Köln 2020, und zuletzt mit „Georgia Meloni und der italienische Faschismus“ Ebd. 2023.
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