„Viele Kämpfe, eine Schlacht“ – Stalin garniert den Gerechtigkeitskongress der Grünen Jugend

Junge Sonnenblumen in Reih und Glied stehend sowie eindeutig ausgerichtet. Quelle: Pixabay, Foto: József Kincse

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Vom 22. bis zum 25. April sollten auf dem Frühjahrskongress der Grünen Jugend unter dem Motto „Many Struggles, One Fight“ dem Gerechtigkeitsbegriff „neues Leben eingehaucht und gemeinsam politische Visionen entwickelt werden.“ Auf der Einladung der Dortmunder Gruppe hieß es: „Gerechtigkeit … klingt wie ein Wort aus einer vergangenen Zeit.“ (1)

In Meyers Konversations-Lexikon von 1894 ist zu lesen: „Gerechtigkeit, im allgemeinen Sinne diejenige Eigenschaft eines Menschen oder eines Volkes, zufolge welcher dessen Handeln mit dem Rechten (dem als Norm oder Gesetz allgemein anerkannten oder Anzuerkennenden) übereinstimmt. So bedeutet in der christlichen Ethik G. (Rechtschaffenheit) die vollkommene Befolgung göttlicher Gebote; bei Platon ist die G. als die der idealen Bestimmung des Menschen entsprechende Verfassung der Seele der Inbegriff aller Tugend überhaupt. Im engeren Sinne ist G. diejenige Verhaltensweise, welche durch die Rücksicht auf die Rechte anderer bestimmt wird und dieselben weder selbst verletzt (passive G.) noch auch deren Verletzung duldet (aktive G.)“ (2)

In der Kampfrhetorik der jungen Grünen ist von der Rücksicht auf andere keine Rede, und so heißt es bei der Dortmunder Gruppe weiter: „Unabhängig davon, ob wir gerade mit dem Homeschooling kämpfen, durch die Pandemie den Nebenjob verloren haben und jetzt irgendwie über die Runden kommen müssen oder mitansehen, wie unsere Zukunft ungeachtet der Klimakrise buchstäblich verfeuert wird. Gerechtigkeit betrifft uns alle und verbindet uns in unserem Kampf für eine bessere Zukunft.“ (3) Nun, unter einer „besseren Zukunft“ wird man sich vieles vorstellen können – ein Kampf aber richtet sich immer gegen Andere.

Für die Einladung zu ihren Gerechtigkeitskongress nutzte die grüne Jugend Propaganda-Plakate der kommunistischen Jugendorganisation Komsomol aus den 1930er Jahren (4).

Für das Einladungsposter wurden zwei Originalplakate (Links unten und rechts oben) modifiziert – die Hemden wurden grün und der russische Mann wurde durch einen dunkelhäutigen ersetzt.

Das ist sicherlich politisch korrekt – doch warum bedient sich die Grüne Jugend bei den Werbeplakaten für ihren „Gerechtigkeitskongress“ ausgerechnet bei Stalins Sowjetunion? Immerhin wurden unter seiner Diktatur Millionen vermeintlicher Staatsfeinde verschleppt, in Gulags gezielt durch Arbeit vernichtet und zu Hunderttausenden exekutiert.

Das Motto des Kongresses „Viele Kämpfe, eine Schlacht“ weckt unangenehme Assoziationen. Die Geschichte hat schmerzlich gezeigt, wie schnell sich Diktaturen – entsprechend ideologisch oder religiös verbrämt – über eine Gesellschaft legen. An der Sprache und der äußeren Form sind solche Entwicklungen schon frühzeitig auszumachen.

Natürlich muss der entfesselte Kapitalismus mit seiner Gier nach exponentiellem Wachstum zum Schutz des Planeten in Strukturen überführt werden, die der Gerechtigkeitsdefinition von 1894 entsprechen, das ist doch keine Frage.

Schon Lenin hatte sich Gedanken über mehr Gerechtigkeit gemacht und präsentierte eine einfache Lösung: „Es würde genügen, 50 bis 100 Bankmagnaten zu verhaften, die größten Meister im Plündern der Staatskasse und in dunklen Bankgeschäften. Es würde genügen, sie auf einige Wochen festzusetzen, um ihre Machenschaften aufzudecken, um allen Ausgebeuteten zu zeigen, „wer den Krieg braucht“. Sind die Machenschaften der Bankkönige aufgedeckt, so könnte man sie freilassen, nachdem man die Banken und Syndikate der Kapitalisten und alle Unternehmer, die für den Staat „arbeiten“, unter die Kontrolle der Arbeiter gestellt hat.“ (5)

Für den deutschen Philosophen Max Weber (1864-1920), einen Zeitgenossen Lenins, war die Lösung nicht ganz so einfach. Für ihn musste die Transformation des Kapitalismus notwendigerweise da enden, wo die Umstände des Menschseins und die Natur des Menschen verletzt werden. Dafür hat er 3 Kriterien abgeleitet:

„1. Jede Alternative zum Kapitalismus muß sich in einem Rahmen bewegen, in dem die Wirtschaftsrechnung möglich ist. Folglich muß sie auf Marktbeziehungen basieren.

2. Jede Bürokratisierung – privatwirtschaftliche oder staatliche – trifft auf ihre Grenze, wenn sie solche individualistischen Bewegungsfreiheiten unterdrückt, ohne die wir nicht leben können.

3. Die Forderungen der Beherrschten müssen sich auf Werte beziehen, die institutionalisierbar sind, so daß ihre Verwirklichung nicht die Möglichkeit formaler Rationalität zerstört.“ (6)

Nach dem II. Weltkrieg hat Karl Popper (1902-1994) die Theorie von Max Weber auf seine Weise ausgedrückt: „..denn ich versuchte, die weitverzweigten Zusammenhänge zu erfassen, die zwischen der historizistischen und und der utopischen Einstellung bestehen – nicht vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt der Produktivität aus, sondern vom logischen Gesichtspunkt ihrer Durchführbarkeit, und vom Gesichtspunkt der menschlichen Folgen des Versuchs, das Unmögliche möglich zu machen… Die Hybris, die uns versuchen läßt, das Himmelreich auf Erden zu verwirklichen, verführt uns dazu, unsere gute Erde in eine Hölle zu verwandeln – eine Hölle, wie sie nur Menschen für ihre Mitmenschen verwirklichen können.“ (7)

Diese Dynamik ist ja nun gerade im Stalinismus besonders anschaulich geworden.

Um eine menschlichere Welt zu bekommen, könnte es hilfreich sein, über alle drei Vorschläge einen ergebnisoffenen Diskurs zu führen – Kampfparolen können dagegen nur in eine Sackgasse führen.

Dieser Diskurs wird aber nicht zustandekommen, da nur Wenige über die Masse der Vermögen auf dieser Welt verfügen – Geld regiert die Welt.“

Und so ist es geradezu irrwitzig, dass diejenigen Gruppierungen mit sozialistischen Anwandlungen – da sind die Grünen, die Antifa und auch die BLM zu nennen – von der Gruppe der geldmächtigen alten weißen Männer für ihre Interessen manipuliert werden. Wie beim Rattenfänger von Hameln läuft die Jugend hinter ihnen her und hilft ihnen, die Welt in ein neues sozialistisches Abenteuer zu stürzen. Natürlich sind dabei auch geopolitische Interessen im Spiel, die sich auch gegen Russland richten.

Damit das „am Öl- und Gastropf und vielleicht bald auch noch an der Sputnik-Fixe“ hängende Europa nicht länger „Putins außenpolitische Geisel“ bleibt, rüstet sich in der Mitte Europas eine neue Kraft, die „dem russischen Cäsar noch Widerstand entgegenzusetzen wagt, es sind – Sie ahnen es dunkel – die GRÜNEN.“ (8) Nach ihrer Wahl zur Kanzlerin könnte Annalena Baerbock als eine Art neue Jeanne d’Arc den Kreuzzug gegen Russland anführen. Ihr Mentor Joseph Fischer kennt sich damit aus – er hat 1999 Deutschland in einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Rest-Jugoslawien gelogen.

Anmerkungen:

  1. https://gjdo.de/gerechtigkeitskongress-der-gruenen-jugend/
  2. Meyers Konversations-Lexikon, Fünfte Auflage, Siebenter Band Leipzig/ Wien 1894, S. 381
  3. https://gjdo.de/gerechtigkeitskongress-der-gruenen-jugend/
  4. https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/kommunismus-als-vorbild-gruene-jugend-warb-mit-lenin-propaganda-76346568.bild.html
  5. W. I. Lenin: „Über die Volksfeinde“, LW  Bd. 25, Berlin 1972, S. 45
  6. Franz J. Hinkelammert: Von Marx zu Nietzsche… und darüber hinaus Manuskript Noviembre 2018 S. 52
  7. Popper, Karl: Das Elend des Historizismus. Tübingen l974, Vorwort, p.VIII
  8. Leo Ensel: Frieden mit Russland um jeden Preis? Was Alan Posener den Linken empfiehlt vom 14.5.21 unter https://ostexperte.de/frieden-mit-russland-schluss-mit-der-moralischen-pflicht/
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