Verehrt von Männern und angebetet von Frauen, die Locken seines Haares wie Reliquien aufbewahrten – Giuseppe Garibaldi, General der Revolution 1848/49 in Italien, der die nationale Einheit erkämpfte

Eines von vielen Garibaldi-Denkmälern in Italien. Quelle: Pixabay, Foto: Dimitris Vetsikas

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Wenn der Revolutionen 1848/49 gedacht wird, ist an die Rolle Giuseppe Garibaldi zu erinnern, dem Kämpfer für die Einheit Italiens 1861/1870. In allen Schlachten handelte er nach den Worten des großen französischen Revolutionärs Danton: „de l’audace, de l’audace, encor de l’audace!“ (Kühnheit, Kühnheit und nochmals Kühnheit). In Nizza als Sohn eines Kapitäns der Handelsmarine geboren, fuhr Garibaldi selbst zur See und erwarb ein Kapitänspatent. Bereits in jungen Jahren kam er mit den Saint Simonisten in Berührung und trat 1833 dem von Giuseppe Mazzini gegründeten Geheimbund Giovine Italia (Junges Italien) bei. Er ging zur Piemontesischen Kriegsmarine, um Gleichgesinnte für einen Aufstand zu werben. Als dieser 1834 ausbrach, nahm er daran in Genua teil. Nach dem Scheitern floh er nach Frankreich und wurde in Abwesenheit zum Tode verurteilt.

Legendärer Freiheitsheld Südamerikas

1835 ging er nach Südamerika, wo er von nun an 13 Jahre an der Spitze von Freischärlern für die Unabhängigkeit der Republik Rio Grande do Sul und später Santa Catarina und Uruguay kämpfte. Bereits in diesen Jahren drang sein Ruf als selbstloser, unerschrockener, oft auch tollkühner Freiheitskämpfer über Länder- und Kontinent-Grenzen. 1843 formierte er die italienische Legion, die an der Verteidigung Montevideos gegen die argentinische Intervention teilnahm. Ihre Mitglieder trugen rote Hemden, die später auch in Italien zum symbolischen Kleidungsstück der Garibaldiner wurden. [1]

Bei Liberalen wenig willkommen

Nach Erhalt der Nachrichten über den Ausbruch der Revolution in Italien im Januar 1848 kehrte Garibaldi mit etwa 60 Kampfgefährten seiner italienischen Legion von Montevideo aus mit dem Schiff „Speranza“ nach Italien zurück. Nach der Ankunft in Genua begab er sich nach Turin und bot der piemontesischen Regierung seine Dienste an. Er war wenig willkommen. Die Liberalen fürchteten, er würde nur die Fraktion der revolutionären Demokraten stärken. Immerhin kam das Kriegsministerium in Turin nicht umhin, ihm zu erlauben, Freiwillige anzuwerben. Ihre Ausrüstung und ihren Unterhalt musste er jedoch selbst bestreiten. Sein Freiwilligenkorps, das bald 2.000 Mann erreichte, nahm an verschiedenen Gefechten in den Alpen teil. Garibaldi verstand es, rasch auch überlegene Kräfte anzugreifen und sich schnell wieder vom Gegner zu lösen. Der legendäre Freiheitsheld Südamerikas stand schon bald im Ruf eines Guerillaführers von ungewöhnlichem Format.

General der Befreiungskriege

Zusammen mit Giuseppe Mazzini wurde er Führer des revolutionär-demokratischen Flügels der nationalen Bewegung und General der Befreiungskriege. Er prägte von nun an entscheidend die revolutionären Erhebungen des Risorgimento und wurde der unumstrittene Volks- und Nationalheld dieser Epoche, eine herausragende Persönlichkeit, wie sie kaum eine andere Revolution des 19. Jahrhunderts hervorgebrachte. Zeitgenossen schilderten ihn als eine faszinierende Gestalt, mit den Zügen eines Messias, von unbeugsamen Stolz und voller Leidenschaft für die revolutionäre Sache seiner Zeit, als einen Mann, der sein Leben lang durch Beispiel und Überzeugung begeistern konnte, der verehrt wurde von Männern und angebetet von Frauen, die Locken seines Haares wie Reliquien aufbewahrten. Benedetto Groce schrieb über ihn und Mazzini: Sie „entflammten die Herzen und zeigten den unterdrückten Nationen die Wege“. [2]

Lenin zollte ihm „höchste Achtung“

Lenin hielt zu Garibaldi fest: „Man kann nicht Marxist sein, ohne höchste Achtung vor den großen bürgerlichen Revolutionären zu empfinden, deren weltgeschichtliches Recht es war, im Namen der bürgerlichen ‚Vaterländer‘ zu sprechen, die im Kampf gegen den Feudalismus Millionen und Abermillionen Menschen neuer Nationen zum zivilisierten Dasein erhoben haben“. [3]

Die revolutionären Erhebungen hatten im Januar 1848 mit Volksaufständen in Mailand, auf Sizilien und in Neapel begonnen, wo Ferdinand II. gezwungen wurde, einer Verfassung zuzustimmen. Ähnliche Zugeständnisse erkämpften die Volksmassen in der Toskana und im Königreich Sardinien-Piemont. Der Wiener Märzrevolution folgten Erhebungen in ganz Norditalien. General Radetzky wurde aus Mailand vertrieben, Piemont zum Krieg gegen Österreich gezwungen.

Die „Feigheit des piemontesischen Königtums“

Aus Angst, der sichere Sieg würde die Volksmassen und den radikal-demokratischen Flügel der nationalen Bewegung stärken, die kompromissbereite liberale Bourgeoisie dagegen schwächen, ließ sich König Alberto von Piemont im Krieg gegen Österreich lieber schlagen und schloss einen Waffenstillstand. [4] Der erneute revolutionäre Aufschwung, den die Ausrufung der Römischen Republik im Januar 1849 auslöste, zwang Alberto zu einem nochmaligen Waffengang mit Österreich. Er lehnte es wiederum ab, das Volk zu mobilisieren, nahm am 23. März bei Novara erneut eine Niederlage hin und floh danach ins Ausland. Hätte Piemont „den Mut, zu revolutionären Mitteln zu greifen, es wäre nichts verloren. Aber die italienische Unabhängigkeit geht verloren nicht an der Unbesiegbarkeit der österreichischen Waffen, sondern an der Feigheit des piemontesischen Königtums“, schrieb Friedrich Engels am 1. April 1849 in der „Neuen Rheinischen Zeitung“.

„zum Dolch des Marcus Brutus gegriffen“

Als in Rom im November 1848 Nachrichten über einen reaktionären Staatsstreich kursierten, wurde der reaktionäre Innenminister des Papstes, Pellegrino Rossi, am 15. November Opfer eines im Stile eines Tyrannenmordes durchgeführten Anschlages. In der Vorhalle seines Amtssitzes im Palazzo della Cancelleria umringten ihn mehrere junge Leute in Uniformen des päpstlichen Korps, das am Befreiungskrieg gegen Österreich teilgenommen hatte, und brachten ihm mit Dolchen die tödlichen Stiche bei. Garibaldi schrieb später, „ein junger Römer hat zum Dolch des Marcus Brutus gegriffen.“ [5]

Der Anschlag gab das Signal zum Aufstand. Eine große Menschenmenge begab sich am 16. November zum Quirinalspalast [6], verlangte, eine provisorische Regierung zu bilden und eine Verfassungsgebende Versammlung einzuberufen. Pius IX. lehnte ab und ließ seine Truppen gegen die Menge vorgehen. Die Demonstranten vertrieben die päpstlichen Einheiten. In der Nacht zum 24. November floh Pius IX. mit seinen Kardinälen nach der neapolitanischen Festung Gaeta. Am 30. Januar 1849 traf der in Florenz gestürzte Großherzog Leopold II. bei ihm ein. Zu ihnen gesellte sich Ferdinand II. Gaeta wurde zum Zentrum der Konterrevolution gegen die Römische Republik.

Die Römische Republik

Mit der Wahl einer Verfassungsgebenden Nationalversammlung am 21. Januar 1849 in Rom, die am 8. Februar die Republik ausrief und die weltliche Herrschaft des Papstes aufhob, erreichte die italienische Revolution ihren vorläufigen Höhepunkt. Das Parlament, in dem neben den revolutionären Demokraten mit Mazzini und Garibaldi an der Spitze die Handels- und Industriebourgeoisie starken Einfluss hatte, nationalisierte den Kirchenbesitz und übergab ihn gegen rückzahlbare Staatsanleihen an landlose und landarme Bauern in Erbpacht, beseitigte die kirchliche Gerichtsbarkeit, erklärte die Unabhängigkeit der Schule von bischöflicher Intervention und dekretierte die progressive Besteuerung.

Alle Hoffnungen ruhten nun auf Rom. Am 12. Dezember 1848 traf Garibaldi mit 1.260 Mann seines Freikorps in der Hauptstadt der Revolution ein. Das Militärkomitee übertrug ihm das Kommando über eine Division der Streitkräfte der Römischen Republik. Die Reaktion machte von allen Seiten mobil. Die französische Bourgeoisie, deren Macht seit Dezember 1848 Louis Napoléon verkörperte, war ein Gegner der Römischen Republik und der Einheit Italiens sowie ein Verbündeter des Papstes. Am 25. April traf eine französische Flotte mit 17 Kriegsschiffen und einem Landekorps von 7.000 Mann unter General Charles Oudinot in Civitavecchia nördlich von Rom ein. Sie eroberten die Garnison der Stadt und setzten die demokratischen Freiheiten der Republik außer Kraft. Das römische Parlament protestierte und verlangte den Rückzug der französischen Truppen. Das Triumvirat erklärte den Ausnahmezustand.

Spanien landete mit 4.900 Mann bei Gaeta und setzte Truppen an der Küste vor Rom bei Fiumicino ab. Die Österreicher fielen in die Romagna ein, die Neapolitaner überschritten mit 12.000 Mann bei Terracina die Grenze zu Rom. Garibaldi unterbreitete ein offensives Konzept zur Verteidigung, in die er die Volksmassen einbeziehen wollte. Er schlug vor, sich im Vorfeld von Rom dem Feind zu stellen und Positionen zirka 100 km nordwestlich bei Viterbo zu beziehen, um von dort aus die französischen Stellungen bei Civitavecchia anzugreifen. Ein Kontingent sollte in die Romagna geschickt werden, dort zum Aufstand aufrufen und den Gegner im Rücken angreifen. Mazzini wollte sich jedoch auf die Verteidigung der Hauptstadt beschränken. So konnten die Franzosen am 28. April Rom angreifen und auf die Stadtmauern vorrücken. Ihr Versuch, an der Porta Cavalleggeri in die Stadt einzudringen, scheiterte jedoch. Alle bewaffneten Bürger eilten auf die Barrikaden. Garibaldi führte die Verteidiger zum Gegenangriff. Oudinot wurde unter schweren Verlusten in seine Ausgangsstellungen zurückgeworfen, viele seiner Soldaten gefangengenommen. Garibaldi, der die Franzosen unverzüglich verfolgen wollte, fand jedoch kein Gehör. Das Triumvirat setzte auf einen Kompromiss, ließ die Gefangenen frei und schloss einen Waffenstillstand.

Wiederholt griff Garibaldi die Belagerer an und warf sie weit zurück. Als er am 27. Mai auf neapolitanisches Gebiet vorrückte, wurde er von der Bevölkerung stürmisch gefeiert. Er wurde wiederum gestoppt und nach Rom zurückgerufen. [7] Das Triumvirat hatte Verhandlungen mit Frankreich zugestimmt, mit denen Paris Zeit zur Vorbereitung einer neuen Offensive gewinnen wollte. In Civitavecchia trafen dazu ständig neue Truppen und Kriegsmaterial ein.

Entscheidung am Gianicolo

In der Nacht zum 3. Juni brach Oudinot den Waffenstillstand und eroberte in einem überraschenden Angriff den die Stadt beherrschenden Gianicolo. Alle Versuche Garibaldis, den strategisch entscheidenden Hügel zurückzuerobern, scheiterten. Im Triumvirat setzte man weiter auf Verhandlungen, um den französischen General zum Rückzug zu bewegen. Man überließ die Verteidigung der Stadt allein den Einheiten Garibaldis. Von ihm am Morgen unverzüglich angeforderte Verstärkungen trafen erst am Nachmittag ein, als seine Männer, die den Hügel hinauf über offenes Gelände die an Soldaten und Geschützen überlegenen Franzosen frontal angriffen, fast aufgerieben waren. Wie der Schweizer Gustav von Hoffstetter in seinem „Tagebuch aus Italien“ schrieb, gab Garibaldi seinen Männern ein Beispiel an Mut und Tapferkeit, als er die Angriffe den ganzen Tag im feindlichen Geschosshagel leitete und die letzte Attacke selbst anführte. Es gelang, die Franzosen vor den Stadtmauern zum Stehen zu bringen und ihr Vordringen in die Stadt vorerst zu verhindern. [8]

Nach der Eroberung des Gianicolo schloss die auf 60.000 Mann angewachsene französische Interventionsarmee Rom völlig ein, unterbrach die Wasserleitungen in die Stadt und eröffnete ein den ganzen Juni anhaltendes schweres Artilleriefeuer, das große Verluste vor allem unter der Zivilbevölkerung verursachte. Die Vorschläge Garibaldis, den Belagerungsring zu durchbrechen und den Kampf außerhalb der Stadt zu führen, lehnte das Triumvirat ein weiteres Mal ab. Am 13. Juni forderte Oudinot Rom zu Kapitulation auf. Noch lehnte die Nationalversammlung ab. Sie erwartete, die kleinbürgerlichen Republikaner in Paris würden den Sieg erringen, aber sie wurden geschlagen. Danach nahmen die Österreicher Ancona ein, das sich heldenhaft verteidigt hatte. Damit war auch der Fall von Rom entschieden.

Bis zum 30. Juni verteidigte Garibaldi vor allem mit seinem Korps heldenhaft die Römische Republik. In der Nacht zum 1. Juli rückten die französischen Linientruppen nach erneutem schweren Artilleriebeschuss mit massiver Überlegenheit vor. Erbitterte Kämpfe tobten um die Villa Spada, das Hauptquartier Garibaldis. Während der Kämpfe tagte die Nationalversammlung. Sie beschloss, am 2. Juli die Verteidigung einzustellen. In einem letzten symbolischen Akt setzte sie feierlich die Verfassung der Römischen Republik in Kraft. Am 3. Juli besetzte Oudinot die Stadt und verhängte das Kriegsrecht. Der nach Gaeta geflohene Pius IX. wagte es erst am 12. April 1850 in Begleitung eines starken französischen Truppenaufgebots, nach Rom zurückzukehren. Am 12. Juli 1849 wurden Mazzini und weitere führende Republikaner aus Rom ausgewiesen.

Den Belagerungsring durchbrochen

Garibaldi versammelte am 2. Juli sein Korps und weitere Einheiten auf dem Petersplatz und teilte mit, dass er Rom verlassen und den Kampf fortsetzen werde. 4.000 Mann schlossen sich ihm an. Er durchbrach mit ihnen den Belagerungsring und marschierte nach Norden. Sein Korps wuchs auf 6.000 Mann an. Unterwegs wurde es in oft verlustreiche Kämpfe verwickelt. Als er Ende Juli in der Bergrepublik San Marino Zuflucht fand, zählte es noch 1.500 Mann. Am 4. August verstarb Garibaldis Frau Anita, die im sechsten Monat schwanger war. Sie litt an Maleria. Mehr aber noch fiel sie den Strapazen des entbehrungsreichen Marsches zum Opfer. Anita Ribeiro da Silva hatte Garibaldi Ende der 1830er Jahre in Südamerika kennengelernt und 1842 geheiratet. Aus einer wohlhabenden Familie kommend, kämpfte sie fortan an seiner Seite und zog furchtlos mit den Rothemden in die Schlachten.

Auf dem Gianicolo, dem etwas über 80 Meter hohen Hügel, der sich vom Stadtteil Trastevere am rechten Tiberufer bis zur Vatikanstadt erstreckt, steht heute das überlebensgroße Denkmal Giuseppe Garibaldi, umgeben von einer Anzahl Büsten weiterer Persönlichkeiten des Befreiungskampfes. Längs der Straße, die zum Vatikan führt, steht auch ein Reiterdenkmal für Anita Garibaldi. Mit einer Pistole in der Hand und einem Kind auf dem Arm versinnbildlicht es ihr Leben und ihren Tod an der Seite Garibaldis.

Nach 1849 ging der revolutionäre Prozess in Italien weiter und endete 1861 bzw. 1870 mit der Beseitigung der Fremdherrschaft der Habsburger, der Bourbonen und des Papstes und der Herstellung des nationalen Einheitsstaates. So gesehen waren die Niederlagen temporär und die Revolution errang am Ende des Risorgimento einen Dreiviertelsieg. Nicht erfüllt wurde die wichtigste soziale Aufgabe der Revolution, die Beseitigung des feudalen Grundbesitzes im Süden.

Eine revolutionär-demokratische Diktatur

Es war ein Sieg der italienischen Bourgeoisie, aber sie handelte nicht aus eigenem Antrieb, sondern unter dem Druck der kleinbürgerlichen Demokraten, besonders ihres radikalen Flügels, der bis Ende der 1850er Jahre die Hegemonie der Bewegung innehatte. Das Denken und Handeln der revolutionären Demokraten wurde herausragend durch Giuseppe Garibaldi verkörpert, der vor allem als militärischer Führer entscheidend das Risorgimento prägte. Als die Situation im April 1860 in einer Bauernerhebung auf Sizilien kulminierte, eilte Garibaldi mit einem „Zug der Tausend“ auf zwei in Genua gekaperten Dampfschiffen den Aufständischen zu Hilfe und brachte den bourbonischen Truppen eine vernichtende Niederlage bei. Auf Sizilien übernahm unter Garibaldi eine kleinbürgerliche revolutionär-demokratische Diktatur die Macht. [9] Von Sizilien aus setzte der Revolutionsgeneral im August bei Reggio Calabria aufs Festland über, schlug erneut die Bourbonen und nahm Anfang September Neapel ein. Seine Rothemden beherrschten nunmehr ganz Süditalien und bereiteten sich auf die Einnahme Roms vor.

Die Bourgeoisie proklamiert das Königreich Italien

Das veranlasste die Großbourgeoisie und den König von Piemont zu handeln. Hatte es Ministerpräsident Cavour noch im März „für wünschenswert (gehalten), dass der Stand der Dinge im südlichen Königreich noch einige Jahre fortdauere“, so wollte er im Juli plötzlich „an Kühnheit mit Garibaldi wetteifern, um ihm nicht das Monopol der Einheitsidee zu überlassen, die jetzt einen unwiderstehlichen Zauber auf die Volksmassen ausübt“. Mit dem Ziel einer Vereinigung mit dem Königreich Piemont-Sardinien sicherte sich das Turiner Parlament in einem Referendum im Süden die Zustimmung zu „einem einigen und unabhängigen Italien mit Vittorio Emanuele als konstitutionellem König“. Am 17. März proklamierte dann das von Bourgeoisie und Adel beherrschte Piemonteser Parlament das Königreich Italien, von dem der Vatikanstaat ausgeschlossen blieb. [10]

Unkalkulierbaren Schaden vermieden

Garibaldi ordnete sich der Monarchie unter. Er erkannte, dass der nationalistisch-royalistischen Welle schwer Widerstand entgegenzusetzen war und eine Auseinandersetzung innerhalb der nationalen Bewegung über die Frage Monarchie oder Republik – die in einen militärischen Konflikt münden musste – dieser unkalkulierbaren Schaden zugefügt hätte. Zu den Zugeständnissen des Hofes gehörte, dass Garibaldis Freikorps vorerst als eigenständiger Verband anerkannt wurde.

1862 und 1867 ergriff Garibaldi erneut die Initiative, um die nationale Einheit zu vollenden. Seine Truppen marschierten auf Rom, um die Stadt von der französischen Besatzung des Papstes zu befreien. Da Piemont sich widersetzte, scheiterten die Versuche, beeinflussten aber erneut die Politik der herrschenden Kreise. So nutzte Italien 1866 die europäische Machtkonstellation zu seinen Gunsten und schloss eine Allianz mit Preußen gegen Österreich. Während Armee und Kriegsmarine geschlagen wurden, operierte Garibaldi mit einem 40.000 Mann zählenden Freikorps in Tirol erfolgreich und nahm an der Befreiung Venetiens teil, das nach der Niederlage Wiens als letzte italienische Region zu Italien kam.

Ende der weltlichen Papst-Herrschaft

Nach dem Sieg Preußens am 1. September 1870 bei Sedan musste Frankreich sein Schutzkorps für den Papst aus Rom abziehen. Italien ergriff Besitz von seiner „natürlichen Hauptstadt“, beseitigte die weltliche Herrschaft des Papstes und schloss den nationalen Einigungsprozess ab. [11]

Armee-Befehlshaber der Französischen Republik

Garibaldi aber erklomm nochmals einen Höhepunkt seiner militärischen Laufbahn. Hatte er zunächst den Krieg Preußens gegen Frankreich, in dem er eine Bestrafung Napoleon „für alle seine Missetaten“ sah, begrüßt, trat er nach Sedan offen gegen den Eroberungskrieg Preußens auf und bot der Französischen Republik seine Dienste an. Es zeugte zweifelsohne von seinem hohen militärischen Ansehen, wenn ihm das französische Hauptquartier das Kommando über ein internationales Korps an der Côte d’Or (die Vogesenarmee) übertrug. Garibaldi operierte erfolgreich und errang als einziger Befehlshaber auf der französischen Seite einen Sieg, als er bei Dijon die Preußen zurückschlug. Der preußische General von Werder hielt in seinem Kriegstagebuch fest, dass Garibaldi „die Bewegungsfreiheit der Preußen erheblich einschränkte“. General von Manteuffel notierte „ein bemerkenswertes Operationstempo“ sowie „wohlerwogene Dispositionen im Feuerhagel“ und „bei Angriffen entfaltete Energie und Intensität“. Hätte General Bourbaki, so Manteuffel, „Garibaldis Ratschläge befolgt, wäre der Feldzug in den Vogesen zu einem der erfolgreichsten im siebziger Krieg geworden“. Victor Hugo betrachtete den italienischen Befehlshaber als den einzigen Heerführer, der während des Siebzigerkrieges nicht geschlagen worden sei.

„Tiefe Sympathie“ für Pariser Kommune

Es war der Abschluss der militärischen Karriere dieses talentierten Heerführers aus dem Volk, dem auch die Pariser Kommune das Kommando über ihre Truppen anbot. Garibaldi lehnte zwar ab, bekundete aber der Kommune, dem „arbeitenden Volk von Paris, das für die Sache der Gerechtigkeit kämpft“, offen seine tiefe Sympathie. Das entsprach der bereits früher von ihm bezogenen Position, in der er „die Arbeiter als seine über die ganze Welt verstreuten Brüder“ bezeichnete. Diese Bekenntnisse des radikalen Revolutionärs ließen viele Garibaldiner als auch Mazzinisten später zu Anhängern des Sozialismus und der I. Internationale werden.

Inauguraladresse „Sonne der Zukunft“

Während Garibaldis Heldenmut in unzähligen Schlachten weltweit bekannt wurde, weiß man weniger, dass er die von Marx 1864 verfasste Inauguraladresse als „Sonne der Zukunft“ begrüßte, 1867 in Genf am internationalen Friedenskongress teilnahm, ins Präsidium gewählt wurde und auch die Bemühungen der I. Internationale um Abrüstung unterstützte.
Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Garibaldi zurückgezogen und in sehr bescheidenen Verhältnissen auf der Insel Caprera im Kreise seiner Familie. Oft äußerte er sich enttäuscht darüber, dass so wenige Ziele, für die das Volk in der nationalen Bewegung aufopferungsvoll gekämpft hatte, verwirklicht worden waren. Er verstarb am 2. Juni 1882.

Den zustehenden Respekt bezeugt

Entgegen seinem Wunsch nach einer einfachen Urnenbestattung in aller Stille bereiteten ihm Parlament, Königshaus und Regierung ein großes Staatsbegräbnis mit politischen und militärischen Ehren. Seine Anhänger sprachen von Vereinnahmung und protestierten landesweit. Aber auch die Konservativen hatten Vorbehalte. Sicher hatte das von reaktionären Zügen geprägte Königtum Piemonts, das man gerne das Preußen Italiens nannte, einen geschickten Schachzug getan.

Die Ehrung Garibaldis aber verdeutlichte einen gravierenden Unterschied deutscher und italienischer Haltung zur Geschichte der nationalen Einheitsbewegung. Während Italiens Preußen einem Garibaldi den zustehenden Respekt bezeugte, rechneten die Deutschen mit ihren Rebellen auf blutige Weise ab, wie die Erschießung des Festungskommandanten Oberst Tiedemann und seiner Offiziere nach der Kapitulation der Festung Rastatt im Juli 1849, der Tausenden und Abertausenden, die dem Terror der Konterrevolution zum Opfer fielen und vor Gericht gezerrt sowie der 700.000, die in die Emigration getrieben wurden, bewiesen.

Anmerkungen:

Gerhard Feldbauer, Zu den Ereignissen und der Rolle Garibaldis siehe „Geschichte Italiens vom Risorgimento bis heute“ des Autors, 2. Auflage, PappyRossa Köln 2015, S. 20 bis 49.

[1] Die Farbe der Uniformhemden wurde jedoch nicht bewusst gewählt. Um seine Kämpfer vom Gegner zu unterscheiden, hatte Garibaldi einfach die in Schlachthöfen benutzten roten Hemden verwendet.
[2] Benedetto Croce: Storia d’Italia dal 1871 al 1915, Bari 1928, S. 29.
[3] W. I. Lenin: Der Zusammenbruch der II. Internationale. In: Werke, Bd. 21, Dietz Verlag Berlin/DDR 1960, S. 215.
[4] I Giorni della Storia d’Italia. Dal Risorgimento a Oggi. Novara 1991, S. 95 ff.
[5] Garibaldi: Scritti politici e militare (Hg. Domenico Gian Polo), Rom 1908, S. 212.
[6] Seit der Beseitigung der weltlichen Herrschaft des Papstes 1870 Sitz des Königs, seit der Proklamation der Republik 1946 des Präsidenten.
[7] Garibaldi, S. 45 f.
[8] Hoffstetter: Tagebuch aus Italien, Zürich 1860, S. 20.
[9] Garibaldi, S. 136 ff, 147.
[10] Giorni S. 131 ff.
[11]  Giorni, S.159 ff.
[12] Zit. in: Christopher Hibbert: Der gerechte Rebell, Tübingen 1970, S. 345 f.

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