Geht es um das Wohl ihrer Kinder, kämpft manche Mutter wie eine Löwin. Douglas Wolfsperger sieht solche weibliche Entschlossenheit so negativ, dass er dem Pressematerial zu seiner Dokumentation Friedrich Schillers gewichtige Zeilen aus „Die Glocke“ voransetzt:
„Da werden Weiber zu Hyänen
Und treiben mit Entsetzen Scherz,
Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen
Zerreißen sie des Feindes Herz.“
Aus schierer Böswilligkeit haben die Frauen den Vätern ihre Kinder entrissen und was mögen solche Furien am Ende den Kleinen antun, um die Väter leiden zu lassen? Die Männer inszeniert Wolfsperger als Bilderbuchpapis. Im Segelflugzeug gleiten sie über Dörfer und seufzen zu aufschwingender Musik, wie gern sie ihre Kinder auf einen Rundflug mitnehmen würden. Einen anderer Vater hackt naturverbunden Holz und erforscht Höhlen. Bei Höhlenerforschungen habe er früher gerne seine „gepamperte“ Tochter mitgenommen. Und die überfürsorgliche Mutter hat den tollen Entdeckungsreisen in unterirdische Gefilde ein Ende gemacht, deutet die Szene an. Den nächsten Vater sieht man im Fitnessstudio Hanteln stemmen. Stark, mutig, entdeckungslustig – welches Kind wünscht sich nicht solche Väter? Er ist Polizeibeamter, berichtet ein Vater, wofür „Kinder ja schon immer eine große Faszination hatten“. Vor ihm steht ein Spielzeugpolizeiauto. Erzieherische Fürsorge und Beruf würden spielerisch vereint von diesem Mustermann, will das Bild vermitteln. Was beklagen sich Frauen eigentlich immer über den Balanceakt zwischen Kind, Arbeit und Haushalt. „Waschmaschine, Wäschetrockner, Geschirrspüler, sie hatte ja alles, was ihr im Haushalt hilft.“, äußert der Ordnungshüter ratlos über seine Expartnerin. Tip-Top-Haushaltsgeräte, was kann eine Frau mehr wollen? Das stellt auch den unter Kinderentzug leidenden Musik- und Ethiklehrer vor ein Rätsel: „Sie wollte einfach frei sein und sich selbst verwirklichen.“, sagt er kopfschüttelnd. Fassungslos steht er dem Wunsch der Kindesmutter nach Unabhängigkeit gegenüber, als sei der eine Unverschämtheit. Wäre Mami nur daheim am Herd geblieben, dann hätte alles seine Ordnung gehabt.
Irreführend ist schon der Titel. Nicht um Väter geht es, sondern Erzeuger. Ein Vater ist der Mann, der ein Kind aufzieht und sich um es kümmert. Wer, wie es einer der interviewten Väter formuliert, „die Hälfte seines Erbguts“ beisteuert, wird mit Recht als „Erzeuger“ bezeichnet. Wolfsperger und den anderen Herren ist dieser Unterschied offenbar nicht klar. „Erzeuger“ genannt zu werden empfinden sie als diskriminierend. Immerhin sind die abwesenden Papis „hochbetroffen“. Das Unwort verwendet ausgerechnet der Ethiklehrer mehrfach. Hochbetroffen soll auch der Zuschauer sein. „Ist es Rache, blinde Egozentrik oder einfach nur Wut, die diese Mütter zu derartigem Verhalten treibt?“, fragt sich der Regisseur. Dass es gute Gründe für den Kontaktabbruch geben könnte, wird von vorneherein ausgeschlossen. Vielleicht motiviert die Mütter berechtigte Sorge um die Kinder. Er habe schon mal „einen über den Durst“ getrunken, gesteht einer der Männer. Sein Leidensgenosse wurde aufgrund der Äußerungen seiner kleinen Tochter des Kindesmissbrauchs angeklagt. Ein dritter schlug seine Partnerin, weil diese die Tochter zum Sportunterricht gehen ließ. Und haben immer die Mütter ihre Ex-Männer entsorgt? Ein mit Kinderhand geschriebener Brief spricht von dem Unwillen der kleinen Tochter, ihren Vater zu treffen. Ein anderer Vater schildert, wie die Kinder weinten, schrieen und ihm Geschenke vor die Füße warfen, als er sie besuchen wollte. Sogar die längst erwachsene Tochter meidet ihn und verheimlicht ihre Adresse, berichtet einer. Teufelswerk manipulativer Mütter, will „Der entsorgte Vater“ glauben machen. Dabei hat die einzige Mutter, welche Wolfsperger interviewt, im Gegensatz zu den auf Sentimentalität und Anschuldigungen – „meine Partnerin hat es mir leicht gemacht, sie zu hassen“ – setzenden Männern, sachliche Argumente. Liegt es daran, dass Douglas Wolfsperger selbst „hochbetroffener“ Vater – Erzeuger darf man ja nicht sagen – einer ihm entzogenen Tochter ist? Die zitierte Schiller-Ballade hat der Regisseur und Drehbuchautor anscheinend nicht zu Ende gelesen.
„Jedoch der schrecklichste der Schrecken,
Das ist der Mensch in seinem Wahn.
Weh denen, die dem Ewigblinden
Des Lichtes Himmelsfackel leihen!
Sie strahlt ihm nicht, sie kann nur zünden.“
Zweifellos sollten Väter, genauso wie Mütter, Kontakt zu ihren Kindern haben. Doch darum geht es in Wolfspergers Werk nicht. „Der entsorgte Vater“ ist kein Dokumentarfilm, sonder in seiner Manipulation plakative Hetze gegen die sorgeberechtigten Mütter. Mit Douglas Wolfspergers filmischer Polemik verfährt man am Besten wie die Mütter angeblich mit ihren Ex-Partnern: entsorgen.
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Titel: Der entsorgte Vater
Genre: Dokumentation
Land/Jahr: Deutschland 2008
Kinostart: 11. Juni 2009
Regie und Drehbuch: Douglas Wolfsperger
Verleih: GM films
Laufzeit: 86 Minuten
FSK: ohne Altersangabe