Unaufhörliche Verfugung der Kunst der UnFuge im Schlosspark Theater Berlin – Anka Zink und ein Streichquartett zelebrieren Perfektion und Improvisation

Schlosspark Theater in Berlin-Steglitz. Foto: A.Savin, CC BY-SA 3.0, Ort und Datum der Aufnahme: Berlin-Steglitz, Oktober 2012

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Die Erfindung der Kabarettkonzerte im Schlosspark Theater Steglitz durch das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin (DSO) erweist sich als dauerhafter Publikumsmagnet. Vier Kabarettkonzerte haben sie, Orchester und Theater, seit dem Herbst 2022 bereits inszeniert. Sie verstehen es, die Konzerte immer mit einem historischen Datum zu verknüpfen.

Verbürgte Daten

Man erinnert sich, dass genau 300 Jahre vor dem 10. Oktober 2022 Johann Sebastian Bach im Wrangelschlösschen Steglitz vor begeistertem adligem Publikum die Kunst der UnFuge in die Tasten hämmerte, weil er des ständigen Spielens seiner Kunst der Fuge überdrüssig war ( Zu jener Zeit war das Wrangelschlösschen noch gar nicht erbaut! Der Historiker). So auch dieses Mal: Am 18. Dezember 1723 erlebte Johann Sebastian Bach im Steglitzer Schlösschen ein Gastspiel des »Globe Theater» William Shakespeares mit dem Stück »Wie es euch gefällt». Unverzüglich suchte Bach den Meister in der Garderobe auf und bat ihn, ihm den Text für eine Kantate oder ein Oratorium, »ein Weihnachtsoratorium!», zu schreiben. Shakespeare aber hatte keine Lust, er wollte nach Hause. Doch Bach ließ es sich nicht entgehen, seinen Vers »Jauchzet, frohlocket!» und so weiter dem Genie Shakespeares zuzuschreiben (was nicht ganz falsch war, denn beim Schreiben des Oratoriums war Bach noch vom Geiste Shakespeares erfüllt).

Experten halten das für ausgeschlossen, doch zum Beweis ihres Phantasiereichtums lügen Dieter Hallervorden und Thomas Schmidt-Ott immer grotesker, denn irgendwann müssten sich doch die Balken im Schlosspark Theater (zum Glück nicht in der Philharmonie) biegen, bis es kracht.

Endlich ein Streichquartett!

Hier die große Form, dort die listig entgegen gesetzte Form des Streichquartetts. Endlich ein Streichquartett! Und zu Beginn des Reports soll auch sogleich die Kunst des Quartetts gerühmt werden, bestehend aus den Damen Olga Polonsky (Violine), Lauriane Vernhes (Violine), Francesca Zappa (Viola) und Claudia Benker-Schreiber (Violoncello). Sie nennen sich »The Glorious Four». Sie sind glorious, aber warum dieser Western-Slang? Für ein auf Kurzweil und Lachen eingestelltes Publikum hatten sie schöne witzige Stücke von Paul Hindemith, Stephan Koncz, Wolfgang Amadeus Mozart, Walter Donaldson, Arthur Johnston und Antonin Dworak ausgewählt. Ein feines Qualitätsmerkmal fiel auf: die Stücke waren nicht zu lang, als dass sie das Ping-Pong von Wort und Musik hätten unterbrechen können. Die »Four» boten nicht nur die Perfektion, mit der Anka Zink sie angekündigt hatte, sondern er sie erzeugten auch den Funken, der in den Saal übersprang. Ein glänzendes kleines Ensemble des DSO.

»Verständnis?»

Die Wort-Beiträge, genannt Moderation, leistete Anka Zink, die erfahrene Kabarettistin aus dem berühmten Düsseldorfer Kabarett Kom(m)ödchen sowie von zahlreichen Solo-Programmen. Sie wusste das Publikum zu erheitern, zum Beispiel mit den Erfahrungen des heutigen Ehealttags. Ernst machte sie mit ihrem Aufruf, tagtäglich und überall doch nicht für alles »Verständnis» zu haben, zum Beispiel für die Zahlenakrobatik des Trios an der Spitze der Bundesregierung. Oder mit den »technischen» Aussetzern der Regierungsstaffel, was dazu führen könnte, die Außenministerin Annalena Baerbock als Anhängsel von Drohnen befördern zu müssen (was allerdings, bemerkt der Berichterstatter, nicht die Sorge des »gemeinen Mannes» wäre). Die Auseinandersetzung mit den politischen Bösewichten wie Wladimir Putin oder Gerhard Schröder sparte Anka Zink aus. Das taten Kollegen wie Christian Ehring in den Kabarettkonzerten bereits ausgiebig. Hingegen verstand sich Zink auf Gaudi. Zum Beispiel ließ sie alle das Weihnachslied »Schneeflöckchen, weiß Röckchen» singen – konfliktarm ausgewählt, um zu vermeiden, religiöse oder genderiöse Gefühle zu verletzen. Deutsche Weihnacht eben.Tränen waren im Dunkel nicht zu erkennen.

Der UnFuge nicht genug, wird die Reihe fortgesetzt mit der Entertainerin und »Denglish»-Virtuosin Gayle Tufts, begleitet von Valentin Radutiu, Violoncello, und Per Rundberg, Klavier, am 12. Februar, und dem Verbalchaotiker Piet Klocke, umringt von sechs Kontrabassisten des DSO, am 15. April. Als nächster »dran» ist Torsten Sträter mit seiner Kabarettstudie nebst der DSO-»Randgruppe» am 12. Januar (Erklärung? Am 29. Januar).

Anmerkung:

Eine kürzere Fassung des Beitrags von Sigurd Schulze erschien am 22. Dezember 2023 in der Zeitung „junge Welt“.

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