Berlin, Deutschland (Weltexpress). Nach dem Klimadissens auf dem G20-Gipfel startete der französische Staatspräsident Emmanuel Macron in Richtung des US-Präsidenten Donald Trump eine besondere Charmeoffensive. Am Nachmittag des 13. Juli 2017 empfing Macron den US-Präsidenten mit militärischen Ehren vor dem Invalidendom, der Grabstätte von Napoleon Bonaparte. An der Grabstätte des Kaisers dann Fotoshooting.
Diese Auszeichnung ist ungewöhnlich und löst Fragen aus. Welches Signal kann vom Grab Napoleons, der im Zuge seiner Eroberungen die Mitglieder seiner Familie auch in anderen Ländern als Herrscher installierte, dessen Armeen Europa zertrampelten und der vor Moskau seine große Niederlage erlebte, ausgehen?
Anschließend wurde im Invalidendom noch das Grab des Marschalls Ferdinand Foch – Geist beziehungsweise Ungeist der französischen Kriegsführung im Ersten Weltkrieg– gemeinsam aufgesucht. Vergangenheitsverklärung pur. Sowohl Napoleon als auch Foch sind Symbole des französischen Machtanspruchs und des Strebens nach Vorherrschaft in Europa.
Marschall Foch repräsentiert Militarismus und Nationalismus
Da die Einladung Trumps mit Bezug auf den Kriegseintritt der USA im Jahr 1917 erfolgte, sollte die Rolle Fochs näher beleuchtet werden.
1907 wurde der junge General Ferdinand Foch zum Leiter der Kriegsakademie („Ecole Supérieure de la Guerre“) ernannt und erregte bald das Interesse seines Amtskollegen in England, General Henry Wilson, Kommandeur der Kriegsakademie von Camberly. Wilsons Ausbildung war praxisnah und kriegsbezogen. So unternahm er mit den Schülern immer wieder Exkursionen zu den europäischen Schlachtfeldern.
1908 ließ Wilson seine Abschlussklasse Pläne für den Einsatz eines britischen Expeditionskorps in Frankreich entwerfen. Das sickerte jedoch bis in das Unterhaus durch. Um künftig vor unangenehmen Fragen gefeit zu sein, wurden künftig derartige Kriegsspiele mit dem Stempel „SECRET“ versehen.(1)
Um die anglo-französische Zusammenarbeit im Hinblick auf den kommenden Krieg gegen Deutschland zu festigen, besuchte Wilson im Dezember 1909 seinen französischen Kollegen Foch und setzte sich in seine Vorlesungen. Er war so begeistert, dass er anschließend drei Stunden lang mit Foch redete, der seinen englischen Kollegen nur mit Mühe schließlich hinauskomplimentieren konnte. Beim Abschied kündigte Wilson gleich für den nächsten Tag einen weiteren Besuch an. Diese Hartnäckigkeit beeindruckte Foch; am nächsten Tag kamen sich beide näher, und schon vier Wochen später war Wilson wieder bei Foch in Paris; der ihm im Frühjahr 1910 einen Gegenbesuch abstattete, bei dem ihm Wilson den Kriegsminister Haldane und seinen Stab vorstellte. Im Überschwang der Gefühle soll Wilson in das Zimmer eines Kameraden geplatzt sein: „Draußen hab‘ ich einen französischen General – General Foch. Verlassen Sie sich drauf, der Bursche wird die alliierten Armeen kommandieren, wenn der große Krieg erst da ist.“(2)
Die beiden wurden unzertrennliche Freunde; Wilson wurde sogar in Fochs Familienkreis einbezogen und zur Hochzeit der Tochter eingeladen. Auf deutscher Seite ahnte man nichts von dieser engen Verbindung der beiden strippenziehenden Generäle.(3)
Nachdem Foch 1912 den Oberbefehl über das XX. Korps übernommen hatte, besuchte Wilson auch die Manöver dieses Korps.
Im August 1913 ging Wilson wieder seiner Lieblingstätigkeit nach. Er fuhr mit einem Begleiter im Kraftwagen von Mezières durch das belgische Luxemburg nach Trier und dann nach Aachen. Dort kundschaftete er die deutschen strategischen Eisenbahnen in der Eifel aus, um dann über die Ardennen nach Namur zu fahren.
Foch im Ersten Weltkrieg
Am 28. August 1914 wurde Foch Kommandeur der siegreichen 9. Armee in der Marne-Schlacht gegen Deutschland. In den Jahren 1915/16 war er dann Führer der Heeresgruppe Nord bei den erfolglosen Kämpfen im Artois und in der Schlacht an der Somme.
Im Mai 1917 wurde Foch Chef des Generalstabs und Mitglied des Obersten Kriegsrats als Nachfolger von General Philippe Petain. Der von Foch konzipierte Offensivplan sah die Versammlung der französischen Hauptstreitkräfte in der bis zur Uneinnehmbarkeit befestigten Linie Belfort-Verdun vor. Die linke Flanke glaubte Foch durch Belgien, die englischen Hilfstruppen sowie seine Reservearmeen genügend gesichert. Während der linke Heeresflügel mit der 3., 4. und fünften Armee aus der Linie Verdun-Mezières heraus dem von Metz aus erwarteten deutschen Angriff offensiv entgegentreten sollte, hatte der rechte Heeresflügel, bestehend aus 1. und 2. Armee, den Auftrag, zwischen den Vogesen und Metz durchzubrechen und vom Oberrhein in das Herz des Deutschen Reiches vorzustoßen.(4) Foch verlangte bei der Umsetzung dieses anspruchsvollen Plans ein energisches, rücksichtsloses Vorgehen; er wollte damit bei den Soldaten eine dynamischen und heroischen Kampfgeist auslösen, gemäß der herrschenden Militärdoktrin „Offensive à outrance“. Mit dieser „Offensive bis zum Äußersten“ war Plan XVII (Vorstoß bis nach Berlin)– ebenso wie der Schlieffenplan – auf „Kante genäht“ und hatte sich an der geo- und militärpolitischen Lage orientiert. Bedenkenträger fuhr Foch forsch an: „Reden sie nicht vom Sterben, sondern vom Gewinnen“(5)
Derart ehrgeizige Pläne ließen sich aber nicht umsetzen, da ein Großteil der französischen Divisionen vor der Meuterei stand. Die Angaben zur Reichweite der Befehlsverweigerung schwanken. Von knapp 50(6) bis gut 66%(7) ist die Rede. Ganze Regimenter wurden zur Abschreckung zum Tod verurteilt. Schließlich wurden 554 Todesurteile ausgesprochen und 49 davon vollstreckt; die große Mehrheit der Todesstrafen wurde zu Strafen in Zwangsarbeitslagern umgewandelt.
Diese Entwicklung hatte sich schon Ende 1916 abgezeichnet. Washington war alarmiert. Eine Niederlage der Entente musste wegen der Kriegsanleihen unter allen Umständen verhindert werden. Das Vereinigte Königreich hatte 2.300 Millionen Dollar an Darlehen erhalten – die hätte die Wall Street abschreiben müssen. Deutschland hatte dagegen nur 27 Millionen erhalten. Ein Untersuchungsausschuss des US-Kongresses zu den Gründen für den Kriegseintritt der USA stellte 1936 nach zweijähriger Untersuchung fest, dass Banker und Rüstungsindustrielle die USA in den Krieg „getrickst“ hätten.(8)
Eine Woche nach der Kriegserklärung, am 13. April 1917, musste Wilson, der im Wahlkampf versprochen hatte, die USA aus dem europäischen Krieg herauszuhalten, seinem Volk klarmachen, dass er seine Meinung geändert hatte. Dazu rief er das „Committee on Public Information“ (Komitee für Öffentlichkeitsinformation) ins Leben, dessen einziges Ziel darin bestand, die arbeitende Bevölkerung der USA im Interesse von Politik und Finanzindustrie auf Kriegskurs zu bringen.
Der Waffenstillstand an der Ostfront aufgrund der russischen Revolution, bei der wie so oft kriegführende Länder ihre Finger im Spiel hatten, verschaffte den Mittelmächten 1918 in ersten Jahreshälfte noch etwas Luft, schließlich mussten sie sich aber der Übermacht der durch die amerikanischen Soldaten verstärkten feindlichen Truppen geschlagen geben.
Deutschland brach im Oktober 1918 Stück für Stück innerlich zusammen. Im Vertrauen auf das 14-Punkte-Programm Wilsons erklärte sich die deutsche Regierung zu Waffenstillstandsverhandlungen bereit. Anfang November 1918 griff der Aufstand der Matrosen um sich. Arbeiter- und Soldatenräte wurden gebildet.
Auch bei dieser Revolution waren ausländische Interessen im Spiel. So soll der französische Staatspräsident Clemenceau Anfang 1918 beschlossen haben, mit Hilfe des Geheimdienstgenerals Paul Boucabeille die sich anbahnende deutsche Revolution zu unterstützen.
Schon im Frühjahr 1918 konnte der französische Agent Joseph Crozier (Deckname Pierre Desgrange) in einem Brief an ein Mitglied des französischen Senats frohlocken: „…Aus der Sicht der Volksbewegungen wird die Stunde der Deutschen schlagen, seien Sie sich dessen gewiß! Es gibt in der deutschen Bevölkerung eine unbestreitbare Erbitterung und die öffentliche Meinung wird eine neue deutsche Winteroffensive nicht hinnehmen. Noch vor Anbruch des Winters wird die deutsche Revolution ausbrechen, deren allererste Konsequenz der sofortige Frieden sein wird. …“(9)
Ein „Karthagischer Friede“
Bei diesen Aussichten dachte der Oberste Kriegsrat in Paris nicht daran, auf die 14 Punkte Wilsons einzugehen. „Er setzte so harsche Waffenstillstandsbedingungen aufs Papier, dass es ihn selber grauste, doch bekam er zuletzt alles mühelos bewilligt“.(10)
Wilsons 14 Punkte hatten im alliierten Lager aufs höchste missfallen. Vor allem Briten und Franzosen erachteten es als eine Frechheit, dass die Macht, welche die meisten Waffen verkauft, aber die wenigsten Waffen selbst benutzt hatte, sich nun als Schiedsrichter über den Frieden aufspielte.
Noch einmal traten die Alliierten zur letzten Offensive an. Anfang November nahmen mehr als eine Million amerikanischer Soldaten entscheidenden Anteil an der gewaltigen alliierten Offensive an der Maas und in den Argonnen, die den Durchbruch durch die vielgerühmte Hindenburglinie erzwang. Der Preis für die Amerikaner war hoch. Bis zum 11. November waren insgesamt 112.432 Gefallene zu beklagen.(11)
Am 6. November 1918 hatte Woodrow Wilson dem deutschen Reichskanzler mitteilen lassen, dass der französische General Ferdinand Foch, seit dem 15.April 1918 Oberbefehlshaber der alliierten Armee, bereit wäre, eine Delegation zu Verhandlungen in Compiègne zu empfangen. Während am 9. November in Berlin die Revolution marschierte, machte sich der Zentrumspolitiker Matthias Erzberger auf den Weg nach Compiègne. Zur gleichen Zeit rief Philipp Scheidemann in Berlin die Republik aus. Am nächsten Tag war der sozialdemokratischen Parteiführer Friedrich Ebert Reichskanzler.
Am 11.November 1918 musste Matthias Erzberger im Wald von Compiègne ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnen(12), das einer bedingungslosen Kapitulation entsprach.
Dieser „Karthagische Friede“, wie ihn John Maynard Keynes nannte, musste von den Deutschen als Betrug und empörende Ungerechtigkeit sowie als Beleidigung ihrer nationalen Ehre empfunden werden. Damit war eine Revanche programmiert.(13)
Erstaunlich, dass in Christopher Clarks gefeiertem Werk „Die Schlafwandler“ der Name Foch überhaupt nicht erwähnt wurde. Jörg Friedrich gibt ihm dafür in seinem Buch „14/18 Der Weg nach Versailles“ breiten Raum. So schreibt Klaus von Dohnanyi zu Recht: „Jörg Friedrich hat die seltene Fähigkeit, aus den Splittern historischer Ereignisse eine überzeugende und ergreifende Gesamtschau zu gestalten“(14).
Trump und Macron huldigen Militarismus
Am 14. Juli 2017 stand Trump nun also als Ehrengast bei der Militärparade zum französischen Nationalfeiertag auf den Champs-Elysees auf der Staatspräsidententribüne. CNN übertrug die monströse und martialische Militärparade in epischer Breite. Eingeblendet war: „Happening Now: Bastille Day Festivities Taking Place in France.“ Am 14. Juli feiert die „Grande Nation“ den Sturm auf die Bastille im Jahr 1789. Die revolutionäre Initialzündung, auf die die Franzosen so stolz sind, ist eine Legende und hat so heroisch nicht stattgefunden. Der Kommandant der Bastille, dem 80 Kriegsveteranen und 30 Schweizer Söldner assistierten, kam damals der Aufforderung zur Übergabe unverzüglich nach. Befreit wurden ganze sieben Häftlinge!(15) Entgegen den Versprechungen wurde der Kommandant gelyncht, sein abgeschnittener Kopf auf eine Lanze gespießt.
Anlass für den gemeinsamen Auftritt der beiden Staatschefs Macron und Trump war der Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg vor 100 Jahren. An der Militärparade nahmen auch US-Soldaten in Uniformen des 1. Weltkriegs teil, und Trump grüßte als Oberbefehlshaber (Commander in Chief) militärisch von der Tribüne – was für eine Symbolik!
Fatale Parallelen
Denkt man an die Motive beider Nationen im Vorfeld des Ersten Weltkriegs, dann können Trump und Macron nur eine Gemeinsamkeit haben, und das ist das Bestreben, den Klassenprimus Deutschland – stärkste Wirtschaftskraft Europas, größter Handelsexporteur Europas, stärkstes und stabilstes Sozialnetz Europas, geringste Arbeitslosenquote – zu düpieren, seine Wirtschaft nachhaltig zu schädigen und seinen wirtschaftlichen Erfolg auf Dauer und zugunsten ihrer eigenen Länder zu begrenzen.
Macrons stolzer militärischer Habitus und seine rückwärtsgewandte monumentalhistorische Rede erinnern an eine fragwürdige Geschichtsinterpretation: Als hätten damals die Mächte des Lichts gegen die Mächte der Finsternis gekämpft. Diese Sichtweise ist heute überholt. Eigentlicher Grund für den verheerenden Jahrhundertkrieg vor über hundert Jahren war die Wirtschaftskraft Deutschlands, nicht seine Flottenrüstung, die Großbritannien nie hätte bedrohen können.
Was sollen wir also davon halten, dass Trump und Macron den Kriegseintritt der USA zum Anlass nehmen, sich selbst und ihre Verbundenheit zu feiern?
Darf Deutschland überhaupt noch mitspielen? Und wenn ja, dann vielleicht nur als Goldesel im Dienst der großen nationalen Träume seiner angeblichen Verbündeten?
Zumindest sollten in Deutschland allmählich die Warnlampen aufleuchten. Was haben wir davon, ständig auf dem wirtschaftlichen Siegertreppchen zu stehen? Klüger wäre es, bescheiden aufzutreten und den Führungsanspruch in Europa anderen zu überlassen. Man macht sich als Primus keine Freunde.
Anmerkungen
1) Keith Jeffery: Field Marshall Sir Henry Wilson. Oxford 2006, p72-3
2) Barbara Tuchman: Daheim wenn das Laub fällt. Spiegel 14/ 64 unter http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46173397.html
3) Effenberger, Wolfgang/Wimmer, Willy: Wiederkehr der Hasardeure. Höhr-Grenzhausen 2014, S. 150
4) Meyers Lexikon, Zwölfter Band, Leipzig 1930, Sp. 1227 und 1228
5) Jörg Friedrich: 14/18 der Weg nach Versailles. Berlin 2014, S. 600
6) Leonard V. Smith: Remobilizing the citizen-soldier. S. 144
7) Jean-Jacques Becker: Meutereien. S. 710.
8) Arthur M. Schlesinger, Jr. und Roger Burns (Hrsg.): Congress Investigates. A Documented History, 1792–1974. Chelsea House Publ., New York 1975, ISBN 0-8352-0795-1 (5 Bde.)
9) Hans B. v. Sothen: Finanzierung politischer Umstürze während des Ersten Weltkrieges (Teil VI) /: Pierre Desgrange: In geheimer Mission 1915-1918. Leipzig/Zürich1930
10) Jörg Friedrich: 14/18 der Weg nach Versailles. Berlin 2014, S. 986
11) Johnson, Paul: A History of the American People. London 1997, S. 662
12) Am gleichen Tag schwiegen die Waffen. Die Blockade Deutschlands ging jedoch weiter.
Vgl. Blane, S.L./ Lutz, R.H.: The blockade of Germany after the armistice 1918-1919. 1942
13) Johnson, Paul: A History of the American People. London 1997, S. 665
14) Jörg Friedrich: 14/18. Berlin 2014, Cover Rückseite
15) Winfried Schulze: Der 14. Juli 1789 – Biographie eines Tages. Klett-Cotta, Stuttgart 1989