Noch ist es für einen deutschen Klassikfreund möglich kurzentschlossen einen Opernbesuch einzuplanen, vom Büro schnell in ’Die Zauberflöte`. Doch im Ausland sieht das schon anders aus. In New York, London oder auch Mailand sind Aufführungen sowie Karten rar geworden und für viele Menschen zudem nicht mehr erschwinglich. Opernaufführungen werden in der aktuellen Zeit wegen dem hohen personellen Aufwand immer mehr zum Luxusprodukt.
Wie plant man eine Operninszenierung?
Schon Jahre vor einer Premiere denkt man über ein Werk nach, das auf den Spielplan kommen soll. Ein Regisseur muss gefunden werden, das Bühnenbild entworfen, Sänger gesucht und einiges mehr angedacht werden. Der kreative Prozess zieht sich über Monate hin. ’Die Frau ohne Schatten` von Richard Strauss ist so ein Mammutprojekt, das jedes Opernhaus an seine Grenzen bringen kann. Strauss hat eine Partitur geschrieben, die nach einer immens großen Orchesterbesetzung verlangt. Selbst große Häuser haben hier Probleme alle Musiker im Orchestergraben unterzubringen. Für die Hauptrollen dieser Opern benötigt man zudem noch fünf Weltklassesänger, die zumeist so nicht im Ensemble zu finden sind.
Die Oper Leipzig hatte für die kürzlich stürmisch bejubelte Premiere eine Probenzeit von zwei Monaten angesetzt. Was absolut notwendig ist, aber von manchem Haus wirtschaftlich nicht mehr verkraftet werden kann. Doch die unglaublich dichte sowie intensive Inszenierung von Balacz Kovalik zeigte, dass es sich lohnt im Detail zu arbeiten, ein echtes Team aus fünf individuell verschiedenen Gesangsstars aufzubauen und sich auf die Story der Oper in Ruhe einzulassen. Einen leeren Raum zu bebildern, braucht Zeit und viel Geduld. Kovalik ist als Regisseur eine Ausnahmeerscheinung, ein Psychologe und Visionär, seine Inszenierungen sind organisch gewachsene Träume. Vielleicht sind sie auch gerade deshalb immer so tief berührend. Sie wirken wie zu Bild gewordene Gedankengänge, immer dem Werk untertan, dennoch geöffnet für viele Dimensionen. Ein Spagat, das nur wenige so genial beherrschen. Damit ist er dem Grundgedanken des englischen Theaters, von Shakespeare gegründet, sehr nahe. Peter Brook sprach von der Bühne, dem leeren Raum, der zur Kultstätte werden müsse. So ist das englische Theater auch heute noch ausgerichtet und Balacz Kovalik arbeitet nach diesen Prinzipen. Da ist es natürlich auch ein Glücksfall, dass er sein Verständnis von Theater (damit auch dem Musiktheater) als Dozent an der Theaterakademie München jungen Sängern lehren kann.
Jennifer Wilson, ein hochdramatischer Sopran, ist aus den USA angereist, um in Leipzig die äußerst schwierige Partie der Färberin zu singen. Bevor sie in Leipzig eintraf, standen viele Monate mit dem Studium der Partie bei ihr auf dem Tagesplan. Manchmal dachte sie, dass es unmöglich sei diese diffizile Rolle zu beherrschen. Doch die Arbeit im Team während der zwei Monate gaben auch ihr das sichere Fundament für eine großartige Rollgengestaltung in einer fremden Sprache. Da Frau Wilson sich intensiv mit Poesie beschäftigt, selbst gerne schreibt und dichtet, ging sie die Partie der Färberin mit einem fein ausgeprägten Sprachgefühl an, auf dem sie dann ihren Gesang aufbauen konnte und somit gelang es ihr ein ungemein farbenreiches Rollenporträt stimmlich sowie darstellerisch zu präsentieren. Auch in einer sogenannten Glamourwelt ist es nicht immer einfach drei Monate vom Zuhause weg zu sein, in Hotels logierend, dabei noch intensive geistige und körperliche Hochleistungen jederzeit abzurufen.
Großbaustelle Oper
Dann gehören zu einer Operninszenierung noch ein großes Orchester sowie der Chor. Unzählige Proben auch hier, beide Ensembles, plus der Kinderchor sowie die Statisten, gehen sicherlich weit über eine Zahl von 200 hinaus. Das alles zu koordinieren, rechtzeitig auf die Bühne zu bringen, ist eine weitere große Leistung. Dies gehört auch zu den Aufgaben eines Intendanten, im Besonderen in Leipzig, denn dort ist Professor Ulf Schirmer auch gleichzeitig Generalmusikdirektor. In dieser Produktion agierte er zudem als Dirigent. Es ist nicht immer einfach, beiden Bereichen gleichzeitig gerecht zu werden, doch wenn es gelingt, hat ein Haus mit dieser Konstellation die besten Karten und in Zeiten der Krise einen besonderen Joker.
Last but not least sollte man das technische Team nicht vergessen, das über Monate hinweg schwierige Bühnenaufbauten zu liefern hat, dann die Ateliers, die unzählige Kostüme anfertigen, schminken, frisieren, Mut geben und Daumen drücken. Das alles und noch viel mehr gehört zu einer Opernproduktion, der schiere Luxus also, in einer nur auf Gewinn orientierten Welt. Doch es gilt diese Kunstform zu schützen. Verantwortungsvolle Künstler, wie sie jetzt in Leipzig zu erleben waren, gehören sicherlich auch zum Weltkulturerbe. Schon laufen Versuche den riesigen Orchesterapparat mit Klangkonserven zu ersetzen, die unzähligen Livestream-Events aus New York oder auch Wien, werden allerdings nie das Live-Erlebnis ersetzen können. Erlauben wir uns als Gesellschaft also auch bitte weiterhin den Luxus einer vielfältigen Musiktheaterwelt in diesem Land, allerdings sollten wir darauf achten, dass diese ’Freiräume der Träume` auch im Geiste der Musik betrieben werden.