Berlin, Deutschland (Weltexpress). Unter dem Titel „Syriens unbeantwortete Fragen“ befasst sich der Chefredakteur der liberalen Zeitung „Al-Akhbar“, Ibrahim al-Amin, mit den Hintergründen der aktuellen Lage in Syrien. Den Beitrag veröffentlichte das kommunistische Magazin „Contropiano“ am 7. Dezember 2024 auf seinem Online-Portal. Die Entwicklung ergebe sich aus „einer säkularen und progressiven Tendenz, die mit der Hisbollah und der Achse des Widerstands verbündet ist“. Der Artikel hilft einerseits, die Gründe für die bislang mangelnde Unterstützung Irans und Russlands gegenüber den syrischen Regierungstruppen zu verstehen, die sich über die Unflexibilität Assads beklagten, und andererseits auf die mangelnde Glaubwürdigkeit der sogenannten Rebellen, die sich als eine nationale Kraft, die unabhängig von imperialistischen und zionistischen Absichten handle, präsentierten, so „Contropiano“.
Die komplexen Entwicklungen in Syrien können nicht von den umfassenderen regionalen Veränderungen getrennt werden, die mit der Al-Aqsa-Flutschlacht am 7. Oktober, dem darauffolgenden Krieg im Libanon und dem direkten militärischen Engagement Irans gegen „Israel“ begannen, schreibt Ibrahim al-Amin. In dieser Zeit kam es in Syrien zu heftigen israelischen Angriffen, die sich sowohl gegen mit dem Regime verbündete Widerstandsgruppen als auch gegen wichtige syrische Militärstandorte richteten. Diese Eskalation findet vor dem Hintergrund der Unsicherheit über die Absichten des gewählten US-Präsidenten Donald Trump in der Region statt, die alle wichtigen Akteure gezwungen hat, ihre Strategien neu auszurichten.
Ein wesentlicher Faktor für das Wiederaufleben der syrischen Opposition sind äußere Einflüsse. Die Zustimmung der Türkei zur jüngsten Offensive beruht auf der Weigerung von Präsident Assad, sich mit Präsident Erdogan zu versöhnen, und auf der Wahrnehmung Ankaras, dass globale Ablenkungen den Angriff unaufhaltsam machen. Die Türkei vermutet außerdem, dass Assad sich mit arabischen Staaten wie Saudi-Arabien und Ägypten verbündet, um Syrien vom Iran zu distanzieren, was die türkisch-syrischen Beziehungen weiter erschwert. Unterdessen befürchtet Ankara eine Koalition aus Amerikanern, Israelis und Arabern zur Normalisierung der Beziehungen, die darauf abzielt, den regionalen Einfluss der Türkei zu untergraben und kurdische Fraktionen zu stärken, die nach Autonomie streben.
Die Opposition macht sich auch die vermeintliche Unzufriedenheit Russlands mit Assads politischer Unflexibilität zunutze. Nach Angaben der Opposition hat Moskau Assad unter Druck gesetzt, bedeutende Reformen umzusetzen, und auf die geringere Unterstützung Irans und seiner Verbündeten für ihn verwiesen. Anschließend interpretierte sie die selektive Luftunterstützung Moskaus und den Abzug der Hisbollah-Truppen als Chance, der syrischen Armee entgegenzutreten. Sie weist jedoch den Vorwurf zurück, dass sie von den USA und „Israel“ logistisch unterstützt werde, obwohl detaillierte Geheimdienstsignale vorliegen, die ihre Operationen unterstützen.
Auf nationaler Ebene steht das Regime vor mehreren Herausforderungen, darunter wirtschaftliche Not, Migration und die Erosion staatlicher Dienstleistungen, die den nationalen Zusammenhalt geschwächt haben. Bewaffnete Fraktionen stellen ihre Aktionen so dar, dass sie eher auf eine Reform des Staatssystems als auf den Abbau des Staates abzielen, obwohl dieses Narrativ weithin umstritten ist.
Die Rolle „Israels“ ist besonders bedeutsam, da es die Angriffe gegen syrische Kräfte und Widerstandskräfte intensiviert und so den Grundstein für umfangreiche Operationen in Südsyrien legt. Diese Schritte stehen im Zusammenhang mit umfassenderen israelischen Vorbereitungen für mögliche Konflikte mit dem Libanon und dem Iran. Das eklatante Schweigen der syrischen Opposition als Reaktion auf „Israels“ Aggression in Gaza und im Libanon wirft jedoch kritische Fragen zu ihren Prioritäten und ihrer Glaubwürdigkeit auf. Ihr Versäumnis, sich „Israel“ entgegenzustellen und gleichzeitig zu behaupten, die Rechte des Volkes zu verteidigen, unterstreicht das Paradox ihrer Position und stellt ihre Motive in Frage.
Letztendlich bleibt der Syrienkonflikt ungelöst, sein Zeitpunkt und seine weiteren Auswirkungen werden von externen und internen Kräften bestimmt, wobei das Vorgehen „Israels“ und die Ambitionen der Türkei im Vordergrund stehen. Die Legitimität des Kampfes der Opposition wird durch ihre Untätigkeit gegenüber dem gemeinsamen regionalen Gegner „Israel“ zutiefst untergraben.
Anmerkung:
Siehe die Beiträge
- Bärtige Männer mit Gewehren – Dschihadisten herrschen heute in Damaskus von Mats Marder
- Damaskus ist gefallen – Die Reste der Arabischen Republik Syrien zerfallen von Mats Marder
- Krieg in Syrien – Islamistische Kämpfer nähern sich Damaskus von Mats Marder
- Krieg in Syrien – Piloten syrischer und russischer Flugzeuge griffen feindliche Stellungen in der Provinz Homs an von TASS
im WELTEXPRESS.
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