In einer ersten Reaktion auf die Berichte ließ die Obama-Administration verlauten, daß sie sich demnächst ihrer aus dem Ruder gelaufenen Geheimdienste annehmen will. Denn die Post macht deutlich, daß Aktivitäten der Dienste nicht nur unüberschaubar und extrem kostspielig geworden sind, sondern auch fraglich sei, ob sie die US-Bürger wirklich vor Terrorgefahren schützen. In den 16 Diensten plus Heimatschutz sind laut der zwei Jahre dauernden Post-Recherche mehr als 1200 Regierungsorganisationen und mindestens 1900 private Unternehmen eingebunden. Die dazugehörigen Einrichtungen seien auf rund 10000 Standorte verteilt. In einem Interview mit der Zeitung hatte US-Verteidigungsminister Robert M. Gates sogar eingeräumt, daß sowohl er als auch der Chef der CIA nur schwer den Überblick behalten könnten. Man müsse sich fragen, ob man nicht mehr als nötig habe.
Im September letzten Jahres hatte der damalige Oberaufseher über die zivilen und militärischen US-Dienste, Dennis Blair, zu erkennen gegeben, daß diese insgesamt die gigantische Summe von 75 Milliarden Dollar im Jahr für die Früherkennung der unzähligen Gefahren für die US-Sicherheit rund um den Globus ausgeben. In der paranoiden Bush-Administration spielte nach dem 11. September 2001 Geld keine Rolle. Die Dienste wurden damit überschüttet und eine Flut neuer Aktivitäten wurde entwickelt, bis hin zur Verfeinerung von Foltertechniken. Wenn so viel Geld fließt, dann liegt es in der Natur der Sache, daß Ressourcen, bzw. Steuergelder verschwendet, Organisationen aufgebläht werden, sich Aktivitäten überschneiden und Dinge produziert werden, die keiner nutzt, wie die Menge von Geheimdienstberichten, die niemand gelesen hat.
Am gefährlichsten aber ist, daß in diesem undurchsichtigen und vielschichtigen Umfeld der US-Dienste Verantwortungslosigkeit, Abenteurertum, Betrug, Korruption, Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit programmiert sind und demokratische Kontrollen zur reinen Fiktion werden. Das erklärt die Eingangs erwähnte Panikstimmung in den Diensten. Denn wenn auch nur ein Teil der Verschwendungen und Gesetzlosigkeiten ans Licht der Öffentlichkeit kommt, wären selbst die in ihre Geheimdienste verliebten US-Amerikaner zutiefst erschrocken und womöglich bereit, den Stall mal wieder auszumisten.
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Erstveröffentlichung in junge Welt am 20.07.2010, Seite 8. Alle Rechte beim Autor.