Zu beneiden ist er nicht, der drahtige Rikscha-Fahrer mit seinem Schweißtuch um die Stirn. Gehört es doch zu seinem Broterwerb, bis zu zwei erwachsene Personen durch das Stadtgewirr von New Delhi zu transportieren und sich dabei mächtig in die Pedalen zu stemmen. Nafis, der Rikscha-Chauffeur mit langjähriger Erfahrung, nimmt es gelassen.
Seine Rikscha der Marke Neelam ist wendig genug, um alle Hindernisse, die sich ihm auf dem legendären Basar des Chandni Chowk in den Weg stellen, geschickt zu überwinden. Immerhin beherzigt er die in Indien vorherrschende Hierarchie der Verkehrsteilnehmer, die niemand ungestraft vernachlässigen darf: zuerst die Last- und Lieferwagen, dann die Personenautos und Tuk Tuks bis hinunter zu den Fahrrad-Rikschas, die von ihrem Rang her noch kurz vor den Fußgängern angesiedelt sind.
Lebendigkeit und Eleganz
So erweist es sich für Zugereiste als äußerst attraktiv, die Farbigkeit des täglichen Lebens in Indien mitzuerleben, das sich, wie Stadtführer Vichal aus Erfahrung weiß, vor allem auf der Straße abspielt. Doch obwohl er sich hier auskennt wie kaum ein anderer, muss er doch zugeben, nicht mit allen 1.700 Sehenswürdigkeiten, die New Delhi zu bieten hat, vertraut zu sein.
Anziehend findet er vor allem die Altstadt im Schatten des Roten Forts, die sich in ihrer Ursprünglichkeit eine unglaubliche Vielfalt bewahrt hat. Selbst wenn das Straßenpflaster schon bessere Zeiten gesehen haben mag und der Kabelsalat entlang den Häuserzeilen dringend einer ordnenden Hand bedürfte, punktet dieser Stadtteil mit einer unglaublichen Lebendigkeit. Ganz im Unterschied zum eleganten Diplomatenviertel, in dem auf einer Fläche von acht Quadratkilometern mehr als hundert Villen verteilt sind.
Streben nach Humanität
Einen exotischen Gegenpol bietet dagegen der Sikh-Tempel. Die von ihm ausgehende Farbigkeit ist, wie sich schnell herausstellt, nicht nur begründet durch die akkurat gebundenen Turbane der Sikhs. Denn mit ihrer überaus großzügigen Toleranz wirken sie wie ein Leuchtfeuer auch auf Mitglieder anderer Religionen, die hier stets willkommen sind. Nicht einmal das Kämpferimage, das den Sikhs anhaftet, spricht gegen diese Grundhaltung. Gilt doch nach eigenem Selbstverständnis ihre Kampfbereitschaft stets dem Recht und der Gerechtigkeit, sobald diese ernsthaft infrage gestellt werden.
Haupttreffpunkt aller Sikh-Anhänger und Gäste ist die große Halle des Haupttempels. Feierliche Gesänge, auf einem Bildschirm in drei Sprachen übersetzt, laden ein zur inneren Einkehr, deren Ruhe niemand zu stören wagt. Dabei erwecken die Texte den Anschein, als gehe es bei der meditativen Sinnsuche vor dem Goldenen Altar nicht so sehr um göttliche Jenseitigkeit. Vielmehr kreisen die Gedanken der Vorbeter um das Streben nach Humanität im diesseitigen Sinne.
Herausgeputzte Menschen
Der Beweis für diese humanitäre Grundhaltung zeigt sich darin, dass sie in Katastrophenfällen an den unterschiedlichsten Orten der Welt zu den ersten gehören, die Abhilfe schaffen. Beispielhaft für diese Bemühungen im sozialen Bereich steht die riesige Küche in einem Nebengebäude des Tempels. In den größten Kochtöpfen, die man je gesehen hat, werden hier auf einen Schlag Speisen und Getränke für mehr als 5.000 Pilger und Gäste zubereitet. Völlig kostenlos für alle, die von diesem Angebot Gebrauch machen wollen.
Wie bei der biblischenSpeisung der 5.000 sitzen sie nun da auf dem mit Teppichen belegten Boden. Und niemand, so erweckt es den Anschein, verlässt diesen Ort hungrig. Noch vor Sonnenuntergang empfiehlt sich nun inmitten festlich herausgeputzter Menschen ein Spaziergang um den quadratisch angelegten Tempelteich. Dazu haben sich auch Kankana und Dipti, zwei elegante Sikh-Damen entschlossen. Sie lassen es sich nicht nehmen, von hier aus die Reflexion der goldenen Tempelkuppel von der anderen Seite aus zu bewundern.
Aufgelockerte Atmosphäre
Naturgemäß ist die Stimmung an einem Grabmal etwas verhaltener. So auch an Humajuns Mausoleum, das der zweite der sechs Großmoguln im 16. Jahrhundert für sich errichten ließ. Und dem mit Hilfe von Sandstein und Marmor ein großer architektonischer Entwurf gelang, der erst ein Jahrhundert später unter dem Moghulkaiser Shajahan vom Taj Mahal in Agra übertroffen werden sollte. Ringsum eine gepflegte Parkanlage, die dem Image New Delhis als der „Saubersten Hauptstadt der Welt“ Rechnung trägt.
Darin erscheinen bei zunehmendem Morgenlicht immer mehr Saris, die auch heute zur traditionellen weiblichen Kleidung unbedingt dazu gehören. Schmetterlingen gleich schweben sie über die Park-Grünanlage heran und verwandeln damit unbeabsichtigt den gesamten Komplex in einen Ort der Fröhlichkeit. Schulklassen, die hier das kulturelle Erbe ihres Landes nachvollziehen, tragen mit ihrer Lebendigkeit ebenfalls zu einer aufgelockerten Atmosphäre bei.
Exquisites Lebensgefühl
Herausragende Orte farbiger Eleganz sind in New Delhi natürlich auch stilvoll gestaltete Hotelneubauten wie das Leela Palace Hotel. An der Außenfassade und im Innenbereich ausgestattet mit erkennbarem aber nicht überladenem Luxus. Angesichts dieses architektonischen Meisterwerks fühlt sich Stadtführer Vichal erinnert an die alte Inschrift im Roten Fort: „Gibt es ein Paradies, so ist es hier, hier, hier!“ Welch ein exquisites Lebensgefühl, das in diesen Worten mitschwingt.
Und wenn ein Moghulkaiser in heutiger Zeit einen Palast zu bauen hätte, käme dabei nicht etwas heraus wie dieses Meisterwerk moderner Architektur? Ein weiteres buntes Teilstück im Mosaik einer Metropole, die sich mit der ganzen Bandbreite ihrer Kontraste sicherlich sehen lassen kann.
Reiseinformationen “Delhi”:
Einreise: Erforderlich ist ein noch mindestens 6 Monate gültiger Reisepass. Für Indien gibt es ein „Tourist Visa on arrival“, das im Online Verfahren unter https://indianvisaonline.gov.in/visa/tvoa.html ab einem Monat vor Reiseantritt beantragt werden kann. Dabei anfallende Kosten ca. 48 US Dollar.
Reiseziel: New Delhi ist der ideale Ausgangspunkt für eine Indienreise. Die indische Hauptstadt ist eine Kombination aus alten Traditionen und moderner Weltstadt und offenbart sich als ein Kaleidoskop von Gesichtern, Völkern und Kulturen.
Reisezeit: Das Klima des riesigen Landes ist vielfältig. Die beste Reisezeit für Delhi ist außerhalb der Monsunzeiten Oktober bis Mai bei zumeist blauem Himmel, milder Sonne und angenehmen Temperaturen.
Reiseveranstalter: Ausgefallene Reiserouten und Hotels bietet Asienspezialist Tischler Reisen AG, Web: www.tischler-reisen.de; E-Mail: urlaub@tischler-reisen.de, Telefon: 08821-93179652; z.B. 13-tägige Rundreise „Höhepunkte Indiens“ ab/bis Delhi ab Euro 1979 pP im DZ oder 12 Tage „Klassisches Indien“ ab/bis Delhi ab Euro 1528 pP im DZ.
Unterkunft: Äußerst attraktiv ist The Leela New Delhi direkt im Diplomatenviertel von New Delhi. Es verbindet neo-klassizistische Architektur mit Elementen historischer nordindischer Paläste und versprüht auf angenehm stilvolle Weise indischen Charme. Preis pP im DZ ab Euro 106, Web: www.theleela.com