Von unserem erhöhten Podest auf 25 Meter Höhe aus, mitten im Panorama, erleben wir beim Hineinkommen die Nacht, so denken wir, denn es ist dunkel, aber ganz und gar nicht leise. Woher kommt unsere Vorstellung der Stille der Nacht? Aus der Natur nicht. Denn da gibt es nicht nur, wie in den Zoos zu bewundern, die nachtaktiven Tiere, sondern da kann man – das fühlt man hier ganz deutlich – sogar die strotzende Natur wachsen hören. Lassen Sie sich nicht bange machen von der Vorstellung, daß ja eigentlich hier alles an der Rundherumleinwand fixiert ist und sich nicht verändert. Wahr ist, was unsere Sinne uns sagen und hier passiert es eben – gerade eben – , daß aus dem Dunkeln der Nacht, die sieben Minuten währte, stellen wir dann fest, flugs Tag geworden ist, der ebenfalls sieben Minuten dauert. Und beim Tageslicht sieht eben alles anders aus, als in der Nacht. Die wenigen Sekunden der Morgendämmerung zählen fast nicht, denn in der Nähe des Äquators geht das blitzschnell mit dem Licht. Und auch das widerspricht so sehr unseren Erfahrungen, daß wir uns noch die Augen reiben, wie verändert alles ist.
Das, was vorher Schatten waren, sind nun Bromelien, die in den Bäumen hausen. Wurzeln brauchen sie nicht, sie sind sogenannte Aufsitzer, das sind Epiphyten, die möglichst in den Kronen der Bäume wohnen, weil dort der Regen sie gut erreicht, den sie ihren Blättern entlang wie in einem Trichter sammeln. Das wiederum lockt weitere kleine Tiere an. Hier ernährt sich einer vom anderen und auch die Bromelien sind ja nicht die Bäume hochgeklettert, sondern von Vögeln als Samen hoch oben gelagert worden. Bromelien sind auch bei uns dekorative Pflanzen, bei deren Kauf einem anvertraut wird, sie nur über den Trichter, da wo die Blätter zusammenlaufen, mit Wasser zu versorgen. Und mit dem Fernglas – wichtig!! – kann man unter dem Baum – ist es wie die anderen ein Kapokbaum? – sogar die Blattschneideameise beobachten, über ihr turnt ein Uakari-Affe den Stamm hoch und weit oben im Geäst brüllt uns der Brüllaffe an.
Woher wir das alles wissen, die wir keine Biologin sind? Führungen sind nützlich, das ist das eine, aber den Katalog mitzunehmen, ist das andere. Denn dort haben Nico Blüthgen und Dietmar Sattler auf den Seiten ab 56 etwas sehr Sinnvolles gemacht. Sie haben das Rundgemälde auf zwei Seiten gebannt und mit gelben Nummerierungen die Standorte von Tieren und Pflanzen markiert und dann diese benannt. Nicht nur das. Auf den Folgeseiten wird dann das Panorama noch einmal in Abschnitte unterteilt und die jeweilige Natur und Kreatur ausführlich beschrieben. Man nimmt also den erfahrenen Eindruck mit nach Hause und arbeitet ihn auf, so daß nicht nur das sinnliche und ästhetische Vergnügen vom Panoramaaufenthalt bleibt, sondern sich ein Wissen in einem verdichtet, das – wir haben es selbst erprobt – einen eigentlich zwingt, nun erneut das Panorama zu besuchen, einfach, weil man so sehr viel mehr weiß. Und es ist eine alte Kunsthistorikerweisheit: „Man sieht nur, was man weiß“, der man aber mit Saint-Exupéry entgegnen, bzw. diese ergänzen kann: „Man sieht nur mit dem Herzen gut“.
Und dies macht tatsächlich den großen Gewinn dieses Panoramaaufenthaltes im tropischen Regenwald von Amazonien aus: ein Zusammenspiel von Emotion und Naturerleben, gepaart mit wissenschaftlichem Interesse. Man kann sich dieser wuchernden Natur auf ganz vielen Wegen nähern. Nur dastehen und gucken ist auf Dauer viel zu wenig für die Form- und Farbenkomposition, die Asisi bietet. Versuchen Sie allein einmal, die Grüns zu zählen, also all die Schattierungen wahrzunehmen, worin sich Bäume und Sträucher, Lianen und Schmarotzer von einander unterscheiden und dann noch einem die Bäume gesondert und die Sträucher”¦So viele Namen für die Grüntöne fallen uns einfach nicht ein, weil wir in einer synthetischen Welt leben, wo künstlich Farben erzeugt werden, die nie und nimmer die der Natur auch nur nachahmen können.
Ausstellung im Panometer Leipzig bis auf Weiteres
Katalog: Amazonien. Yadegar Asisis Zauberbild der Natur, Asisi visual culture GmbH, Leipzig 2009. Von der Sinnhaftigkeit, dieses Begleitbuch mit nach Hause zu nehmen, zeugt schon der Text. Wir wollen noch den Leitspruch zitieren: „Leidenschaft für Kunst und Wissenschaft. Alexander von Humboldt und Wilfried Morawetz gewidmet. Yasegar Asisi“.
Damit dankt Asisi auch dem 2007 sehr früh verstorbenen Wiener Professor, der seit 1994 an der Leipziger Universität den Lehrstuhl für Spezielle Botanik und Ökologie innehatte.
Daniel Kehlmann, Die Vermessung der Welt, Rowohlt 2005
Besucherservice, 0341 1213396, Email: office-leipzig@asisipanometer.de
Reiseliteratur:
Tobias Gohlis, DuMont Reistaschenbuch Leipzig, 2006
Marco Polo, Leipzig, 2006
Mit freundlicher Unterstützung des Leipzig Tourismus und der Universität Leipzig sowie des Hotels Mercure am Johannisplatz
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