Berlin, Brandenburg, Deutschland (Weltexpress). Na, wie war’s? Dass sich Hein Bollow nach dem 24. Preis der Deutschen Einheit bei dem jungen Reiter erkundigte, zeigt dessen Bekanntheitsgrad. Dabei ist Dennis Schiergen erst 19 und hatte beim Gruppe III-Rennen der Galopper vor den Toren der Hauptstadt lediglich den achten Rang belegt.
Bollow, der kleine Mann aus der Nähe von Köln, aber ist eine legendäre Größe des deutschen Galoppsports: Jahrgang 1920 (!), nach einer Jockey-Lehrzeit in Hoppegarten mehr als 1000 Siege im Sattel (u.a. 4x im Derby/ 13x Champion) sowie mehr als 1600 als Trainer bis 1988!
Schiergen Junior, der älteste von drei Söhnen von Peter Schiergen, ist nicht nur der Träger eines berühmten Namens, sondern gilt als eines der vielversprechendsten Jockey-Talente in Deutschland.
Beim Preis der Einheit konnte Dennis im Hauptrennen – es gewann der Wettfavorit Wake Forest mit Eddy Pedroza im Sattel – mit dem Außenseiter aus Hoppegarten, Gereon, nicht vielleicht überzogene Erwartungen erfüllen. „Es war klar, dass ich nur bei günstigem Verlauf hätte weiter vorn landen können. Aber am Ende wurde Gereon doch etwas müde“, so Schiergen.
Bollow und die anderen Besucher hatten jedoch durchaus Ritte erlebt, in denen der Schiergen-Filius seine Begabung demonstrierte. Im zweiten Tagesereignis wurde er mit Run on Fire Dritter, im fünften mit Kenya sogar Zweiter!
Die Hoffnungen von Vater Peter Schiergen, mit der dreijährigen Stute Longina, sein Erfolgskonto aufzustocken und mit Trainer-Konkurrent Andreas Wöhler hier beim Rennen am Tag der Deutschen Einheit gleichzuziehen, platzten allerdings. Die an zwei gewettete Longina unter Arie de Vries musste sich mit Rang vier zufrieden geben.
Der 49-Jährige Peter Schiergen war bei 1451 Erfolgen als Reiter auch fünfmal Jockey-Champion und nähert sich als Trainer der 1500-er Siegmarke.
Was Körpergröße und Gewicht angeht, hat der Junior mit 1,74 m/56 kg den Vater (1,60/51) bereits überholt. Was die Zahl der Siegerschleifen angeht, da liegt Dennis – in diesem Jahr 33 – aber noch mondweit zurück.
Für den Saisonabschluss nach acht Renntagen in Hoppegarten, wo seit 1868 Rennen abgehalten werden, hatte der Hoppegartener Trainer Christian Zschache dem Junior den Ritt mit dem sechsjährigen Gereon angeboten: „Ich habe gern zugesagt. Ich sehe in ihm einen Außenseiter mit Potenzial, der ja im Vorjahr beispielsweise in Baden-Baden gewonnen hat.“
Zugesagt hat er auch, weil der Wettbewerb am Tag der Deutschen Einheit einen besonderen Stellenwert besitzt. Und ihm hier im Vorjahr ein Paukenschlag gelang. Als 18-Jähriger schlug er beim 123. Großen Preis von Berlin mit Nymphea allen Favoriten ein Schnippchen. Es war der erste Sieg eines Amateurreiters bei diesem Rennen und der erste in einem Gruppe I-Rennen (höchste Kategorie im Galoppsport) überhaupt!
Das Interesse am Reiten sei praktisch mit der Umgebung gekommen, der Vater habe ihn oder Bruder Vinzenz nie dazu gedrängt. Ihnen allerdings Ponys zum Reiten geschenkt.
Reiten, so lange es geht
Mit 14 hat Dennis die ersten offiziellen Rennen bestritten, mit 15 die Lizenz als Amateur bekommen. War dann dreimal Champion in diesem Bereich, wurde mit dem deutschen Aufgebot 2011 Team-Weltmeister. „Das waren viele positive Erfahrungen, die ich in dieser Zeit sammeln konnte. Denn bei der Team-WM habe ich unter anderem in Russland, China und in den USA reiten dürfen. Da kommt man als Profi ganz schwer Einsätze.“
Den Schritt ins Profilager – offiziell ab 1. September – hat er dann doch getan, weil er beim Bosporus Cup in Istanbul dabei sein möchte: „Da sind nur lizenzierte Reiter zugelassen.“ Und er insgesamt Sorge hat, zu groß und zu schwer zu werden, um längerfristig im Sattel erfolgreich zu bleiben. Er wäre gern kleiner, hat er bestätigt. Weil dann das optimale Gewicht leichter zu halten wäre. Auf alle Fälle, „möchte ich solange reiten wie es geht“.
Die Ungewissheit über die körperliche Entwicklung und die Jockey-Karriere hat ihn bewogen nach dem Abi (2,3) in Köln ein Studium Sport, Medien, Eventmanagement aufzunehmen. Das will er unbedingt zu Ende bringen. Der finanzielle Aspekt – als Amateur erhielt er keine Prämien oder Anteile am Preisgeld – sei kein Motiv für den Eintritt ins Lager der Berufsreiter gewesen.
Markenbotschafter für Hoppegarten
Da ist er praktisch Freiberufler. Hat die meisten Einsätze für den Hoppegartener Trainer Uwe Stech absolviert. Auch paar für den Kölner Alsterblüte-Stall des Vaters. Dass er nun Siegkandidatin Longina nicht angeboten bekam, ist leicht erklärbar: „Die ersten Stalljockeys meines Vaters sind Arie de Vries und der lange verletzte Andrasch Starke. Die haben den ersten Zugriff auf das beste Pferd.“
Bei Ritten für Alsterblüte, „da wird gemeinsam mit dem Vater ausgewertet und analysiert. Bei anderen Pferden mischt er sich aber absolut nicht ein. Das ist meine Sache und da muss ich meine eigenen Erfahrungen machen.“
Tritt er gegen das Reiter-Pferd-Gespann des Vaters an, „dann ist es in diesem Moment ein Konkurrent, den ich hinter mir lassen will. Da gibt es keine Geschenke … bin ich nicht vorn, aber sein Pferd siegt, freue ich mich natürlich auch ein bisschen mit.“ Diese Einstellung habe er auch, wenn er mit dem jüngeren Bruder Vinzenz (16) um die Wette reitet („Das waren so etwa 30 bis 35 Mal – die Bilanz weiß ich nicht“).
Als Auszeichnung sieht Dennis Schiergen an, dass die älteste und traditionsreichste Galopprennbahn Deutschlands einen Vertrag als „Markenbotschafter“ mit ihm abgeschlossen hat. „In England und Frankreich ist das häufig der Fall. In Deutschland bin ich nun der Erste.“ Das wird demnächst auf der Rennhose mit der Aufschrift „Hoppegarten“ dokumentiert und beinhaltet Auftritte bei Medien, Sponsoren und PR-Terminen. Hoppegarten-Geschäftsführer Dietrich von Mutius: „Dennis verkörpert Werte wie Ehrgeiz, Disziplin und Unaufgeregtheit, was gut zu uns passt.“