„Schweinskram ist auch dabei!“- Serie: „Elfenbein. Barocke Pracht am Wiener Hof“ zeigt das Liebieghaus in Frankfurt am Main (Teil 2/2)

Es sind zwei Objekte, am Anfang und eine am Ende, die zu den Höhepunkten der Ausstellung gehören und die nun beide nicht aus Elfenbein sind. Die „Bacchantengruppe“ von Lenckhardt aus Rhinozerushorn von 1651 und die „Allegorie der Elemente Wasser und Luft“ von Matthias Steinl (1643-1717) aus Walroßzahn von 1688. Tatsächlich sollten wir beim Elfenbein das „Bein“ betonten, um die Gemeinsamkeit der Knocheneigenschaften zu betonen, was allein das Wort „Zahn“ schon wieder aufweicht. Die 72,5 Zentimeter hohe Bacchantengruppe, rötlich im Ton, und fünf Personen zeigend, die triumphierend den Thyrsusstab des Weingottes Dionysos in die Höhe reckt, kann in besonderer Weise die kunsttechnischen Schwierigkeiten zeigen, mit denen sich ein Künstler, der Elfenbein verarbeitete, auseinandersetzen mußte.

Die natürliche Krümmung des Horns wurde hier zur Schräge der aufeinandergetürmten Figuren genutzt, die dieser außergewöhnlichen Arbeit neben dem Farbton die besondere Brillanz geben. Schaut man genau hin, so ist auch bei der erwähnten Allegorie als letztem stück und Höhpunkt, eine gewisse Schräge des Walroßzahnes zu sehen. Hier allerdings wird sie nicht inhaltlich in die Komposition aufgenommen, sondern gibt den sich aufeinanderrümenden Menschenleibern den Hauch von Eigenwilligkeit, die es braucht, damit diese herrliche Arbeit nicht zu gerade, zu schön wird, sondern aus dem Gewirre der Muscheln und Wassergetier, den ineinandergeschachtelten Leibern ein Gebilde von Transparenz schafft, daß man wirklich glaubt, vollendeter könne dies nicht dargestellt werden. Allerdings nützen da Beschreibungen wenig. Das muß man mit eigenen Augen sehen.

Aber das waren erst zwei der Ausstellungsstücke, von denen jedes verdient, hier vorgestellt zu werden, was nicht geht. Aber die Namen der anderen sollen wenigstens verkündet werden: Der Miester der Sebastiansmartyrien, Balthasar Giressmann, Johann Caspoar Schenck, Jacob Auer, Johann ignaz Bendl, Ignaz Elhafen und LeopoldI von Habsburg. Tatsächlich hatte das fünfte Kind und für die geistliche Laufbahn vorgesehen Leopold wie alle anderen Habsburgkinder als pädagogisch-praktischen Anspurch seiner Erziheung das Drechseln gelernt und als Erzherzog Leopold 1654 einen deckelbecher gefertigt, dem man das Drechseln deutlich ansieht und dessen Form in seiner schlcihten Schönheit auch Bauhausenthusiasten gefallen könnte. Allerdings kommen uns detuliche Zweifel, daß der aus einem Drachen mit aufgerissenem Maul und einem sitzenden Herkules kunstfertig geschnitzt, von der Hand des 14jährigen stammt. Das meint auch der Katalog. Der Witz aber ist nun, daß das Kunstfertige von damals, heute eher als „zu barock“, „zu übertrieben“, „zu aufgemotzt“ gewertet würde und der Mensch von heute sich hier einen schlichten Henkel wünscht,d er zum Becher paßt und den Erzherzog Leopold sicher hätte gestalten können.

So gehen einem die Augen über beim Betrachten von soviel Schönheit und Sinnlichkeit, die dem festen Material durch Künstlerhand weiche Konturen gibt und eine Oberfläche, durch die man immer wieder wie bei der Haut das darunter Pulsierende zu spüren glaubt. Aber, man muß schon genau hinschauen, um aus den barocken gewundenen mit tausend Verzierungen versehenen Kostbarkeiten auch die derbe Komik und gewitzte Diesseitigkeit zu entnehmen, die eine Kollegin treffsicher kommentierte: „Schweinskram ist auch dabei!“ Dabei bezog sie sich wohl auf zwei Darstellungen. Wenn das Motto war, „Kunst als Spiegel von Leben“ zu sehen, gehörte dies eben auch dazu. Schweinskram hin oder her.

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Bis 26. Juni 2011

Katalog: Elfenbein. Barocke Pracht am Wiener Hof,hrsg von Maraike Bückling und Sabeine Haag, Michael Imhof Verlag 2011

Wir sind ja schon gewohnt, daß heutzutage Kataloge in sehr guter Qualität geliefert werden. Wie es aber dem Michael Imhof Verlag diesmal gelingt, schon auf dem Titel als Abdruck ein transparentes und luftausblasendes Gesicht in seinem Schmelz und Glanz technisch wiederzugeben, das ist ein neuer Höhepunkt der Kunst der Katalogerstellung. Dies setzt sich durch wunderbare Aufnahmen im Inneren fort, die auch deshalb so wichtig sind, weil gerade bei den kleinen Werken die Vergrößerungen nun zeigen, wie in die Tiefe gearbeitet wurde.

Schön auch, daß der Katalogteil eingeleitet wird mit einer doppelseitigen Vorstellung, wie die Kunst- und Wunderkammer der Habsburger einst aussah, mit den großen Gemälden hoch oben an den Wänden, darunten in verglasten Wandschränken die kleinenen Skulpturen und Gegenstände und auf ihren Sockeln dazwischen die halbgroßen Skulpturen.

Natürlich sind die guten Reproduktionen nur die eine Seite eines Kataloges. Aber da diesen die beiden Kuratorinnen geschrieben haben, ergibt sich eine hohe Übereinstimmung zwischen den Darstellungen im Foto und ihren Beschreibungen. Vorneweg die notwendigen historischen und fachlichen Analysen, die erklären, weshalb das Elfenbein in Mode kam und welche Funktion es im kaiserlichen Wien der Barockzeit erhielt, ausstrahlend auf ganz Europa.

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